
Ihre Wahl galt eigentlich als Formsache. Zusammen mit zwei weiteren Kandidaten sollte Frauke Brosius-Gersdorf Richterin am Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe werden. Doch die Union ließ die Wahl platzen! Zu viele Äußerungen zu AfD-Verbot, der Würde des Menschen und zur Impfpflicht der Rechtswissenschaftlerin ließen bei Unionsabgeordneten Zweifel an ihrer Eignung aufkommen.
Bei Markus Lanz setzt die Juristin zur Verteidigung ihrer Positionen an, weicht bei einem Thema sogar etwas zurück, lässt dafür andere Punkte gänzlich unbeantwortet. Und sie erklärt, unter welchen Umständen sie ihre Kandidatur zurückziehen würde.
„Sie wirken tief getroffen“, erklärt Markus Lanz am Dienstagabend im ZDF-Interview mit Frauke Brosius-Gersdorf. Ihm gegenüber sitzt eine Juristin, welche die letzte Sprosse auf der Karriereleiter knapp verfehlt hat. Der Grund aus Sicht der Potsdamer Professorin: Sie sei Opfer einer Kampagne geworden. Dabei stehe sie doch „absolut in der Mitte der Gesellschaft“ und vertrete „gemäßigte Positionen“.
Einzelinterview bei Markus Lanz: Frauke Brosius-Gersdorf war nicht Teil der üblichen Debattenrunde
Bei Lanz holt sie nun zum Gegenschlag aus: „Ich habe sehr wohl gesehen, dass viele Zeitungen, viele Rundfunkorgane sich von vornherein die Mühe gemacht haben, vollständig sachlich zu berichten, aber manche eben nicht“, erklärt Brosius-Gersdorf am Dienstagabend. Für Lanz eine willkommene Vorlage, um die Wissenschaftlerin mit ihren eigenen Thesen zu konfrontieren.
Bereits im Juli 2024 erklärte Brosius-Gersdorf ebenfalls bei Markus Lanz, dass durch ein AfD-Verbot die Wähler der Partei nicht „beseitigt“ seien. Für diese Formulierung erntete die Richter-Kandidatin viel Kritik. Jetzt folgen Rechtfertigungsversuche: „Nun habe ich die alte Schwäche, dass ich mich nunmal relativ klar ausdrücke. Aber das jemandem vorzuwerfen, finde ich schon ein Problem.“ Lanz hakt nach: „Also haben Sie sich bei uns hier in der (damaligen, d.Red.) Sendung klar ausgedrückt?“
Brosius-Gersdorf antwortet prompt: „Zur AfD Ich habe mich klar ausgedrückt und ich habe mich an einer Stelle, das gebe ich auch gerne zu, auch nicht sehr glücklich ausgedrückt. Das wurde mir in den letzten Tagen und Wochen auch vorgehalten.“ Sie habe eine Formulierung verwendet, die „nicht glücklich war, nämlich, dass ein Parteiverbot nicht das Problem der Anhängerschaft beseitigen würde.“
Besondere Aufmerksamkeit erregte die Äußerung von Frauke Brosius-Gersdorf zur Corona-Pandemie. Sie erwog eine „verfassungsrechtliche Pflicht zur Einführung einer Impfpflicht“. Also eine Verpflichtung zur Impfpflicht über die Köpfe von gewählten Abgeordneten hinaus. Diese Aussage verteidigt die Juristin weiter: Sie finde das „vollkommen legitim, weil es wichtig ist, darauf hinzuweisen, dass der Staat damals nicht nur die Verpflichtung hatte, die Freiheit von Menschen zu schützen, die sich aus gutem Recht nicht freiwillig impfen lassen wollen; sondern es eben auch um den Schutz der Gesundheit und der Freiheit von Menschen ging, die sich freiwillig haben impfen lassen.“
Lanz befragt Brosius-Gersdorf auch zu den Vorwürfen, dass sie einzelne Passagen in ihren wissenschaftlichen Arbeiten bei ihrem Mann abgeschrieben habe. In der Sendung zitierte der ZDF-Moderator sogar eine betroffene Stelle. Brosius-Gersdorf blockt ab und äußert sich nicht zu dem Vorwurf, erklärt lediglich, dass Anwälte in der Sache eingeschaltet seien. „Mehr habe ich dazu heute nicht zu sagen. Da bitte ich um Verständnis dafür. Morgen kommt die Stellungnahme.“
Darf der Bürger erwarten, dass Juristen moderate politische Positionen vertreten? Brosius-Gersdorf erklärt bei Lanz, dass politische Positionierungen wie die von ihr keine Außergewöhnlichkeit für das Amt als Verfassungsrichterin darstellen würden. „Jeder Wissenschaftler hat Positionen. Und das überrascht in Karlsruhe auch niemand.“ Mit einem Umzug nach Karlsruhe würde sie selbst schließlich einen Berufs- und Rollenwechsel vollziehen.
Zum Ende des Gesprächs fragt der ZDF-Mann: Könnte der Zeitpunkt kommen, wo die Debatte um ihre Personalie das Wirken und Ansehen des Bundesverfassungsgerichts beschädigt? Immerhin: Brosius-Gersdorf will dieses Risiko in ihrer Person erkennen und antwortet: „Sobald das auch nur droht, würde ich an meiner Nominierung nicht festhalten. Das ist ein Schaden, den kann ich gar nicht verantworten. Ich möchte auch nicht verantwortlich sein für eine Regierungskrise in diesem Land, weil wir nicht wissen, was dann hinterher passiert. Das sind alles Aspekte, die nehme ich unglaublich ernst.“
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