
Dass Jens Spahn als Gesundheitsminister Angela Merkels eine Katastrophe war, liegt vor allem an seiner Unterwürfigkeit. Dabei hat er doch immer so getan, als stehe er zur Wir-schaffen-das-Land-ab-Kanzlerin in kritischer Distanz. Pustekuchen. Auch das diente nur der eigenen Karriere.
Als Coronamaßnahmen die Bürgerechte aushebelten und zum Instrument staatlicher Übergriffigkeit wurden, stand er in der ersten Reihe. Und glaubt immer noch das Richtige getan zu haben. So ist es zu verstehen, dass er als übereifriger Musterknabe die Maskenbeschaffung haltlos übertrieb und dabei seine Zuständigkeit missbrauchte. Tatkraft wollte er beweisen, ohne Rücksicht auf so altmodische Tugenden wie Vernunft und Maß. Als Hysterie die Politik beherrschte, nutzte er sie kaltschnäuzig zum eigenen Vorteil. Spahn ist intelligent genug, um das böse Spiel zu durchschauen. Dass er auch noch mit dem berühmten Spruch punkten konnte, man werde einander viel zu verzeihen haben, spricht aus heutiger Sicht nicht für ihn. Es beweist nur seinen grenzenlosen Zynismus.
Man wäre ja beinahe geneigt, die Grünen zu loben. Dafür, dass sie einen Untersuchungsausschuss in Sachen Maskenbeschaffung wollten. Nur leider wollten sie ihn dann doch nicht, weil sie dafür die Zustimmung der AfD hätten riskieren müssen. Das wäre in ihren Augen schlimmer als Aufklärung. Die Scheinheiligkeit in der Sache ist bei den Grünen allerdings nicht zu übertreffen. Sie waren in der Coronazeit die erbarmungslosesten Scharfmacher. Es war – um nur ein Beispiel zu nennen – die grüne Landesregierung von Baden-Württemberg, die den Gründer der Querdenker-Bewegung Michael Ballweg mit inquisitorischer Lust verfolgte, ins Gefängnis stecken und ruinieren ließ wegen „Aufhetzung“ und „Verstoß gegen die amtlich verordneten Covid-19-Schutzmaßnahmen.“ Auch der verantwortliche Staatsanwalt: ein Grüner. Wer soll da wem was noch verzeihen können? Schon das Wort Coronamaßnahmen wurde zum Synonym für schreiendes Unrecht. Die grünen Böcke sind als Gärtner in Sachen Corona also denkbar ungeeignet. Die Unionsfraktion lehnte den Untersuchungsausschuss natürlich ab. Ihr Anführer soll nicht noch mehr beschädigt werden. Mit der Enquetekommission beraubt sich das Parlament seines schärfsten Schwerts – und überhaupt einer politischen Aufarbeitung. Nun haben wieder „Experten“ das Wort. Das kennen wir aus der Coronazeit. Experten lassen sich missbrauchen.
Er habe sich nichts vorzuwerfen, behauptet der Einander-vieles-verzeihen-müssen-Mann noch immer. Ja, klar! Warum ab er wurde dann der unabhängige Bericht über seine Machenschaften gründlich geschwärzt. Die neue Gesundheitsministerin Nina Warken hat das veranlasst und damit ihr Amt missbraucht, um einen mächtigen Parteifreund zu schützen. Die zigfache Überbeschaffung von Masken zu Phantasiepreisen, die auch durch die angebliche „Notlage“ nicht zu rechtfertigen war, plus die sich daran anschließende Prozesslawine, die den Steuerzahler zusätzlich eine hohe sechsstellige Millionensumme kosten wird, ist ebenso belegt wie die persönliche Verantwortung des Maskenministers für dies eklatante Verschwendung von Steuergeldern.
Das Reden mit zwei Zungen hat Spahn perfektioniert. Damals als Merkelknecht, heute als wichtigster Mann von Merz im Parlament. Ein abgegriffener Spruch, aber hier ist er unvermeidlich: Die Biedermänner an der Spitze der Unionsfraktion im Bundestag sind die dümmsten Kälber. Sie wählen am liebsten ihre Metzger:innen selber ins Verfassungsgericht. Metzgermeister Spahn hat alles getan, um die Wahl der gesichert linken Juristin Frauke Brosius-Gersdorf ins höchste deutsche Gericht zu bewerkstelligen. Doch hat er sich über- und das Selbstbewusstsein der Fraktion dann doch unterschätzt. Ein Staatsstreich durch die kalte Küche war zu befürchten – das Werk von Spahn. Nun musste er die Richterwahl absagen. Er ist selbst beschädigt, und mit ihm eine Koalition, die nicht zusammengehört.
Diesem Fraktionschef fehlt es an Demut vor der Aufgabe. Er ist eine Schande – und inzwischen auch eine Gefahr für dieses Land. Gälten in dieser Demokratie noch halbwegs normale Maßstäbe, wäre Pannen- und Skandalminister Spahn längst weg vom Fenster. Doch trotz Selbstbedienungsaffäre und Amtsmissbrauch steht Spahn weiterhin in der ersten Reihe der Politik. Ein erbärmliches Exempel für die Deformation der politischen Klasse.