
Jens Spahn entkommt der Corona-Krise nicht. Heute ist der CDU-Politiker der Vorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag. Viel höher kann man parteiintern nicht steigen. Zu Beginn der Pandemie war Spahn Gesundheitsminister im letzten Kabinett Angela Merkels. Er bestellte zu sehr hohen Preisen Atemschutzmasken. Dem Steuerzahler entstanden Milliardenkosten und Milliardenschäden.
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Um sein damaliges Vorgehen zu rechtfertigen, erklärte Spahn jetzt mehrfach, er habe ein reines Gewissen. Das aber ist keine politische Kategorie. Das Gewissen des Herrn Spahn ist politisch irrelevant. Wer mit reinem Gewissen das Falsche tut, ist dennoch ein schlechter Politiker.
Das Gewissen hat in der politischen Arena nichts zu suchen. Jeder ist aufgerufen, seinem Gewissen zu folgen, auf seinen inneren Ruf zu hören, das Böse zu meiden, das Gute zu suchen. Das gilt auch für Politiker. Wer das Gewissen aber öffentlich in Stellung bringt, will sich gegen Kritik abdichten. Auf das gute Gewissen beruft sich gern, wer eine schlechte Handlung bemänteln will. Bei Jens Spahn klingt es so:
Mein lieber Herr Spahn: Kennen Sie das Kindergebet? „Ich bin klein, mein Herz ist rein, soll niemand drin wohnen als Jesus allein“? Kindern nimmt man ein solches Bekenntnis ab. Politiker, die sich auf die Reinheit ihres Herzens berufen, erinnern an Schauspieler, die zum hundertsten Mal Liebe schwören. Es ist ein Schauspiel, ein Schauspiel nur. Jens Spahn führt es mehrfach auf.
Das in der Öffentlichkeit beschworene kann nur das angegriffene Gewissen sein. Jens Spahn hat Masken zu überhöhten, von seinem Ministerium festgelegten Preisen beschafft. 4 Euro 50 pro Stück. Masken im Wert von knapp sechs Milliarden Euro sollen überflüssig gewesen sein. An Gerichten gibt es Verfahren mit einem Streitwert von über zwei Milliarden Euro. Spahn hat auch ein heillos überfordertes Logistikunternehmen aus seinem Wahlkreis beauftragt.
Wenn Spahn ein reines Gewissen hat: Warum setzt er sich nicht für einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss ein? Warum beschwört er seine Parteifreundin und Nachfolgerin nicht, Gesundheitsministerin Warken? Diese könnte den vorliegenden Bericht der Sonderermittlerin zur Masken-Affäre öffentlich machen.
Im Halbdunkel verblasst jede Lauterkeit. Wer das Licht scheut, hat ein schlechtes Gewissen.
Jens Spahn hätte allen Grund, vor der eigenen Tür zu kehren. Er war ein Märchenerzähler. Er sprach von einer Pandemie der Ungeimpften. Eine solche Pandemie gab es nie.
Jens Spahn erzählte Märchen und schürte Panik. Er war es, der Ende 2021 prophezeite: Am Ende des Winters werde wahrscheinlich „so ziemlich jeder in Deutschland geimpft, genesen oder gestorben sein.“ Das war Unsinn.
Spahn behauptete, der Impfstoff an sich sei nach wenigen Tagen oder Wochen gar nicht mehr im Körper. Spahn war es, der von einer 2-G-Regel – geimpft oder genesen – für fast alle Bereiche des öffentlichen Lebens schwärmte. Er sah im Impfen eine Art patriotischen Akt.
Heute beruft sich Spahn nicht nur auf sein angeblich reines Gewissen. Er schildert auch die Corona-Zeit als eine Zeit des Krieges: Helm ab zum Gebet!
Wer im Krieg ist, darf demokratische Regeln außer Kraft setzen. Und der muss die Front schützen. Auch für diese militärische Metapher ist sich Spahn nicht zu schade.
Nein, Herr Spahn. Das war damals nicht Wild West. Und Sie waren nicht der Mann, der schneller schießt als sein Schatten. Das war damals kein Krieg, sondern die Auseinandersetzung mit einem überschätzten Virus. Es war die Zeit, als die Politik die Bürger gängelte, Freiheiten schredderte und Ängste schürte. Es war die Zeit, als endlich einmal durchregiert werden konnte.
Wer all das mit reinem Gewissen tat, hätte besser nichts getan.