Jetzt beginnt der Überlebenskampf der CDU

vor 2 Monaten

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Bildquelle: NiUS

Die Union gewinnt das Kanzleramt. Aber um welchen Preis? Wie noch nie zuvor haftet sie mit ihrer eigenen Existenz. Und ihre Position für Koalitionsverhandlungen könnte schwächer kaum sein.

Zwei Tage nach dem Ampelbruch lag die Union im ZDF-Politbarometer bei 33 Prozent. Am Wahlabend erreichte der CDU/CSU-Balken noch nicht einmal die 30-Prozent-Marke, das Minimalziel der Partei. Lediglich 28,5 Prozent wurden es.

Aber ist das wirklich so tragisch? Immerhin gab es einige Prozentpunkte mehr als bei der Bundestagswahl 2021. Die Union musste aus der Opposition heraus Wahlkampf machen, das ist traditionell nie ganz einfach. Und sie hat eine andere Kanzlerschaft aus einer Wahl heraus nach weniger als vier Jahren beendet, das kannte die Bundesrepublik bis Sonntag nicht. Auch die politischen Ränder waren bei dieser Wahl historisch einmalig stark, das sollte niemand unter den Tisch fallen lassen.

So würde ich als CDU-Parteisoldat argumentieren, allerdings sind all diese Ausreden nicht zulässig. Wie sah es denn beim letzten Mal aus, als die Christdemokraten einen SPD-Kanzler bezwangen?

Zuletzt gewann die Union 2005 aus der Opposition heraus das Kanzleramt. Mit mehr als 35 Prozentpunkten am Wahlabend. Damals gab es zwar keine AfD mit 20 Prozent der Stimmen, die Wähler abspenstig machte, dafür aber eine SPD, die nicht nur den Status einer Volkspartei, sondern auch einen bärenstarken Wahlkämpfer mit dem Namen Gerhard Schröder hatte. Zudem gab es eine größere Konkurrenz durch die FDP, die fast zehn Prozent der Wähler zu sich zog.

Damit hört es nicht auf, auch der Wahlkampf und das Wahlprogramm waren 2005 viel mutiger und radikaler als 20 Jahre später.

Beim Kanzlerduell mit Gerhard Schröder verteidigte Angela Merkel über einen Zeitraum von zehn Minuten den Steuerexperten Paul Kirchhof, an dessen Ideen das CDU-Steuerkonzept angelehnt war. Zehn Minuten lang warb sie für eine steuerpolitische Vereinfachung, wie sie in der Geschichte der Bundesrepublik singulär gewesen wäre. Trotz einer tendenziell noch stärkeren Konkurrenz und eines ambitionierteren, freiheitlicheren Programms war Angela Merkel signifikant erfolgreicher als Friedrich Merz.

Schröder und Merkel im TV-Duell vor 20 Jahren

Großer Frust darüber war dem Kanzlerkandidaten der Union am Sonntag zumindest nicht anzumerken. „Es war ein toller Wahlkampf“, „Jetzt darf auch mal Rambo Zambo im Konrad-Adenauer-Haus sein“, „Heute Abend feiern wir“, rief der strahlende Friedrich Merz nach den ersten Wahlergebnissen seinem Publikum zu. Er betonte zugegebenermaßen auch die große Dimension der nun auf ihn wartenden Aufgabe, aber ist er sich dieser wirklich bewusst?

Unionspolitiker freuen sich über das Kanzleramt, an ihrer Stelle hätte ich aber die blanke Angst ob dieses Wahlergebnisses.

Sie hatten die schlechteste Bundesregierung aller Zeiten als Gegner. Sie hatten die inkompetentesten Bundesminister aller Zeiten als politische Konkurrenten. Sie hatten die katastrophalste Regierungsbilanz und die längste Wirtschaftskrise der bundesdeutschen Geschichte als Vorlage. Es gab keine Störfeuer aus der CSU. Der Ball lag auf dem Elfmeterpunkt, der Torwart war an einen Rollstuhl gefesselt, das Tor war doppelt so groß wie normal.

Dennoch verwandelte die Partei den einfachsten Elfmeter der Menschheitsgeschichte nicht. Warum nicht?

Es war ein Wahlkampf ohne große Fehler in der Tradition von Armin Laschet oder Annalena Baerbock. Friedrich Merz gelang es, die persönlichen Angriffe des Antifa-Lagers weitgehend in die Leere laufen zu lassen.

Es war aber eben auch ein Wahlkampf ohne große Ideen, die bei irgendwem hätten hängenbleiben können. Es war ein Wahlkampf der Halbherzigkeiten, der gemischten Signale, des Nebulösen, und vor allem der Nichtwiederherstellung von verloren gegangenem Vertrauen nach 16 Jahren Angela Merkel. Allein die ständige Distanzierung von der AfD wirkte zwanghaft. Als würde die Partei immer noch an der rot-grünen Leine hängen und deshalb das linke Distanzierungsspiel mitspielen. Es half nicht, dass zugleich Sozialdemokraten und Grüne von Merz der politischen Mitte zugeordnet wurden.

Wie will die Union die Probleme des Landes lösen, wenn sie sogar eine Minderheitsregierung ausschließt, also nicht einmal mit der AfD abstimmen wird? Diese Frage durchzog den gesamten Wahlkampf und wurde nie beantwortet.

Doch dann keimte kurz Hoffnung auf. Bei einer CDU-Veranstaltung in München am Samstag vor der Wahl redete Friedrich Merz plötzlich so klar, wie er es den ganzen Wahlkampf lang nicht getan hatte. „Links ist vorbei, es gibt keine linke Mehrheit mehr und keine linke Politik mehr. Es ist vorbei. Es geht nicht mehr.“

„Wir werden Politik für die Mehrheit der Menschen machen. Für die Mehrheit, die gerade denken kann. Und die auch noch alle Tassen im Schrank haben. Für die werden wir jetzt wieder Politik machen. Im Mittelstand. In der Landwirtschaft. (…) Und nicht für irgendwelche grünen und linken Spinner auf dieser Welt, die da draußen rumlaufen. Die haben in der Mehrheit der Bevölkerung nichts zu suchen. Gar nichts. Das ist die Wahrheit für Deutschland.“

Glasklare Sätze, eine Absage an das Jahrzehnte währende Duckmäusertum. Das hätte sein erster und letzter Redebeitrag in jeder Wahlarena sein müssen. Das hätte er jeden Tag wiederholen müssen. Dann wäre auch mehr drin gewesen.

Die Reaktion der politischen Linken zeigte: Merz hatte sie mit wenigen Sätzen bis ins Mark erschüttert. „Mir fällt zu der Rede von Friedrich Merz nichts mehr ein! Unanständig und infam!“, so der ehemalige Ministerpräsident Thüringens, Bodo Ramelow.

Lars Klingbeil warf Merz vor, die Gräben in der „demokratischen Mitte“ noch mal zu vertiefen. Noch-Kanzler Scholz teilte das auf der Plattform X zustimmend und schrieb ganz betroffen: „Und anständig ist es auch nicht.“

Franziska Brantner, die Grünen-Chefin, schrieb ebenfalls auf X: „Was hat Merz da geritten? So zu spalten und zu verunglimpfen – als ob angesichts der Weltlage nicht Verantwortung und Zusammenführen das Gebot der Stunde wären.“

Für einen kurzen Moment schien es möglich, dass die Union sich nicht mehr willenlos ihren Juniorpartnern unterwirft. Dass sie wirkliche rote Linien hat, die sie keinesfalls aufgibt. Kein Wunder, dass es so empörte Reaktionen auf die wenigen Sätze von Friedrich Merz gab.

Einen Tag später wurden diese mutigen Sätze von Merz und Söder höchstpersönlich schon wieder infrage gestellt.

Für ein wirklich gutes Ergebnis fehlten im Wahlkampf die guten Ideen.

Das katastrophale Wahlergebnis der Union und die starken politischen Ränder sorgten dafür, dass nur eine Koalition mit der SPD möglich ist. In der Berliner Runde wurde dann schon vorsondiert. Für den da noch denkbaren Fall, dass das BSW in den Bundestag einzieht und auch noch die Grünen vonnöten gewesen wären, weichte Markus Söder, flexibel wie eh und je, in vorauseilendem Gehorsam sein „Niemals Schwarz-Grün!“-Versprechen auf. Friedrich Merz wirkte streckenweise regelrecht hilflos. In der Runde wurde offensichtlich, dass die Union nicht aus einer Position der Stärke heraus verhandeln können wird. Leider wurde innerhalb weniger Stunden klar, dass Deutschland ganz schwere Zeiten bevorstehen.

Friedrich Merz hat sich selbst nur einen Weg zur Kanzlerschaft offen gelassen, er braucht die SPD unbedingt. Die SPD braucht aber nicht unbedingt Friedrich Merz.

Die zukünftige Kanzlerpartei steht am Abgrund. Ihr Überlebenskampf beginnt jetzt. Bringt sie nicht das versprochene Ende linker Politik, kaum denkbar mit den Sozialdemokraten, beendet linke Politik die CDU.

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