
Marine Le Pen soll hinter Gitter und weg vom Wahlzettel. Das beschloss am Montag ein Pariser Gericht und folgte damit den Wünschen der Staatsanwaltschaft. Die 56-Jährige war dabei bisher die zentrale Figur der französischen Politik – als wichtigste Oppositionspolitikerin und führende Kandidatin für die anstehenden Präsidentschaftswahlen 2027. Der Elysee-Palast war damit für Le Pen eigentlich in greifbarer Nähe.
Über die letzten Jahrzehnte hatte sie ihre Partei, den Rassemblement National, von einer rechten Randpartei zur inzwischen wohl wichtigsten Kraft des Landes gemacht – immer mit ihr als Zugpferd an der Spitze. In den alles entscheidenden Präsidentschaftswahlen hat sie sich über die Jahre von 17 auf zuletzt 41 Prozent in der zweiten Runde 2022 hochgekämpft. Aktuell steht sie bei knapp 40 Prozent, klar vor allen anderen Kandidaten. Umfragen für die zweite Runde 2027 sehen sie inzwischen auch über der Marke von 50 Prozent. Egal, wie die Wahl 2027 am Ende ausgehen würde – etwa das halbe Land würde für sie stimmen.
Damit ist jetzt Schluss: Mit der Verurteilung wegen Veruntreuung stehen nun nicht nur vier Jahre Haft (zwei davon zur Bewährung ausgesetzt) an, sondern Le Pen verliert auch ihr passives Wahlrecht und der Rassemblement National damit seine wichtigste Politikerin in den kommenden Wahlen. Bleibt das Urteil bestehen, so wird damit der Hälfte des Landes die Stimme für die gewünschte Kandidatin genommen.
Die Methode Wahlausschluss, sie kommt jetzt auch in Frankreich zum Einsatz. Und mit welcher Begründung? Die mutmaßliche Veruntreuung, um die sich alles dreht, geht nicht etwa um Millionen, die sie sich in die eigene Tasche gesteckt hat, sondern um die Trennung zwischen Fraktions- und Parteiarbeit, wenn es um die Verwendung von Mitteln des EU-Parlaments geht.
Ist sie dabei schuldig? Das ist eigentlich gar nicht die entscheidende Frage. Jeder, der etwas von Parlamentsarbeit weiß, dem ist bekannt, dass es auch in Deutschland gang und gäbe ist, dass viele Parlamentarier eben jene Gelder, die sie eigentlich nur für das Abgeordnetenbüro erhalten, auch verwenden, um Wahlkampf zu machen. Etwa indem Mitarbeiter nicht nur strikt Parlamentsreden vorbereiten und Wählerbriefe beantworten, sondern Politiker auch im Wahlkampf begleiten. Die Trennlinien verschwimmen hier, quer über die Parteien ist das ein offenes Geheimnis. Legal mag das nicht sein, aber es ist bei vielen gängige Praxis.
Le Pen dafür zu verurteilen, mag schon selektiv sein, aber vielleicht noch gerechtfertigt. Dass das aber zu ihrem Wahlausschluss führt, ist nichts weiter als ein handfester Skandal und eine Normalisierung des Wahlausschlusses Oppositioneller quer durch Europa. In Rumänien hat man Ähnliches bereits mit Oppositionskandidat Georgescu gesehen: Nach dessen Erfolg in der ersten Wahlrunde der Präsidentschaftswahlen 2024 wurde diese erst annulliert, er später verhaftet und von den Wahlen ausgeschlossen, weil er „die Verpflichtung zur Verteidigung der Demokratie verletzt“ habe.
Egal, wie man zu seiner Russlandfreundschaft stehen mag: Solche Wahlausschlüsse sollte es in einer westlichen Demokratie eigentlich nicht geben. Und nach Rumänien, was manch einer noch als osteuropäischen Hinterland belächeln mag, kommt das gleiche Instrument gegen die Opposition jetzt in Frankreich zum Einsatz. Im zweitgrößten EU-Land, einer führenden europäischen Atommacht und dem Land, das sich unter Macron anschickt, an Amerikas Stelle in Europa als Anführer des freien Westens aufzutreten.
Dass es jetzt zu Le Pens Wahlausschluss kommt, ist eine historische Zäsur. Und das Schlimmste daran: Man wird das Gefühl nicht los, dass genau dieses höchst undemokratische Instrument des Fernhaltens vom Wahlzettel gerade Schule macht im Westen – und zwar speziell, wenn es gegen rechte Oppositionsparteien geht, die man als „rechtsextrem“ sieht.
Man erinnere sich: Auch bei Trump gab es bereits ähnliche Versuche (Apollo News berichtete), die aber am amerikanischen Supreme Court scheiterten. Und nach Rumänien und Frankreich könnte es auch in Deutschland bald ein ähnliches Vorgehen gegen zumindest die radikalsten AfD-Politiker geben. Das geht jedenfalls aus den neuesten Koalitionsplänen von Schwarz-Rot hervor, wo bereits ein Entzug des passiven Wahlrechts bei mehrfacher Verurteilung wegen Volksverhetzung vorgesehen ist (Apollo News berichtete ebenfalls). Möglicher Kandidat dafür: Björn Höcke.
Zu all diesen Figuren mag man stehen, wie man will, aber es ist eine Sache zu sagen „Die wähl ich nicht!“ und eine andere seinen Mitbürgern genau dieses Recht zu nehmen. Denn das ist es, was hier faktisch gerade passiert. Bei Oppositionspolitikern in Russland und anderen Autokratien sieht es schließlich auf den ersten Blick oft ähnlich aus: Politiker wie Nawalny wurden dort auch unter dem Vorwand der Veruntreuung verurteilt – mit dem einzigen Ziel, sie so vom Wahlzettel zu bekommen.
Egal ob schuldig oder nicht, lange war es genau deswegen im Westen Konsens, niemanden so einfach von der Wahl auszuschließen – es sei denn, er sitzt wirklich wegen schweren Gewaltverbrechen wie Mord oder Ähnlichem hinter Gittern. Dass jetzt bei immer niedrigschwelligeren Straftaten und zudem in hochpolitisierten Verfahren Oppositionspolitiker von der Wahl ausgeschlossen werden, ist daher ein verheerendes Zeichen für die Demokratie in Europa.