Joko, Klaas und das linke Sat.1-Frühstücksfernsehen arbeiten jetzt für Berlusconi

vor etwa 3 Stunden

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In der deutschen Medienwelt hat sich kürzlich ein Deal vollzogen, der noch für Aufsehen sorgen könnte – und für Streit. Die MediaForEurope (MFE), das Imperium unter der Führung von Pier Silvio Berlusconi, hat die Mehrheit an der ProSiebenSat.1 Media SE übernommen. Mit einem Anteil von 75,61 Prozent, wie es in den jüngsten Meldungen von Variety und Reuters heißt, hat MFE nun die Kontrolle über einen der größten deutschen Privatsender-Konglomerate. Und damit könnte Zoff vorprogrammiert seit.

Der Takeover, der seit 2019 schwelend vorbereitet wurde und im September 2025 abgeschlossen ist, wurde als „europäischer TV-Coup“ gefeiert – oder befürchtet. Deadline berichtet, dass die Berlusconi-Familie damit endlich ihr Ziel erreicht hat, nach früheren gescheiterten Versuchen, und die Reuters unterstreicht die strategische Expansion: MFE, vormals Mediaset, baut ein paneuropäisches Mediennetzwerk auf, mit ProSieben als deutschem Eckpfeiler. Doch hinter den Zahlen lauert eine Frage: Was bedeutet es, wenn das Erbe eines der kontroversesten rechten Politiker Europas in die Redaktionsstuben eines Senders sickert, der für progressive Unterhaltung steht?

1993 in Milano: Silvio Berlusconi mit Sylvester Stallone – und seinem Sohn.

Pier Silvio Berlusconi, der CEO von MFE, ist kein bloßer Manager; er ist der Sohn von Silvio Berlusconi, dem „Cavaliere“, der Italien über Jahrzehnte prägte und dessen Schatten sich nun über die Isar ausdehnt. Silvio Berlusconi, der 2023 verstorbene Medienmogul und viermalige Premierminister, verkörperte den Prototyp des rechten Populismus in Europa – lange bevor Figuren wie Donald Trump oder Viktor Orbán die Bühne betraten. Seine Politik war eine Mischung aus Konservatismus, wirtschaftlichem Liberalismus und Autoritarismus.

Adriano Gallani vom AC Monza neben Berlusconi junior im San Siro-Stadion.

Vereinte Rechtsparteien: Meloni neben Berlusconi und Matteo Salvini.

Berlusconi ging Koalitionen mit der rechtspopulistischen Lega Nord ein, die unter Matteo Salvini anti-immigrantische Rhetorik pflegte. Er wurde kritisiert für apologetische Äußerungen zum Faschismus – etwa als er Benito Mussolini als „nicht so böse“ darstellte, wie die Washington Post in Retrospektiven zusammenfasst. Seine Positionen zu Migration waren restriktiv: Berlusconi forderte harte Maßnahmen gegen illegale Einwanderung und pries Gesetze, die Flüchtlinge kriminalisierten.

Auf sozialer Ebene war er ein Konservativer alter Schule: Seine Kommentare – wie die Bezeichnung von Frauen als „schön, aber dumm“ – und seine Ablehnung progressiver Reformen, etwa zur Homo-Ehe, machten ihn zum Symbol eines patriarchalen Italiens. Berlusconism, wie es in der Wikipedia und akademischen Analysen beschrieben wird, war weniger ideologisch als personal: Ein Kult um den starken Mann, der Steuern senkt, den Sozialstaat abbaut und Medien nutzt, um Narrative zu kontrollieren.

Pier Silvio, der das Familienimperium führt, hat sich zwar von direkter Politik distanziert – er lobt allerdings Giorgia Melonis rechte Regierung als „stabil und gut für Unternehmer“. Und die familiäre DNA sollte unübersehbar sein. Seine Nähe zu Figuren wie Antonio Tajani von Forza Italia, der Partei seines Vaters, und Treffen mit konservativen Beratern (wie Gianni Letta) deuten auf eine Fortsetzung des Erbes hin.

Wolfram Weimer fest an der Seite von Pier Silvio Berlusconi .

Bei der Beerdigung seines Vaters begrüßte Berlusconi auch Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni.

Genau hier liegt die Krux, der diesen Deal zu einem Rätsel macht. ProSiebenSat.1, mit Sendern wie ProSieben, Sat.1 und Kabel Eins, ist kein neutrales Territorium; es ist ein Bollwerk progressiver Popkultur, das oft linke Themen aufgreift und konservative Positionen karikiert. Nehmen wir Joko Winterscheidt und Klaas Heufer-Umlauf, die Stars von „Joko & Klaas gegen ProSieben“, die sich wiederholt für soziale Gerechtigkeit eingesetzt haben. Joko engagierte sich öffentlich für Seenotrettung im Mittelmeer, unterstützte NGOs wie Sea-Watch und kritisierte die EU-Migrationspolitik als inhuman. Klaas hingegen verortet sich als LGBTQ-Ally, hat in Shows wie „Late Night Berlin“ Themen wie Geschlechtergleichheit und Anti-Diskriminierung thematisiert, etwa durch Kampagnen gegen Homophobie.

Rechtsparteien ohne Berührungsängste – und triumphierend.

Das Sat.1-Frühstücksfernsehen, moderiert von Figuren wie Marlene Lufen und Matthias Killing, widmet sich regelmäßig progressiven Themen: Sendungen zu Bürgergeld-Reformen, Migration und Klimaschutz. Weitere Beispiele? Die Moderatorin Annemarie Carpendale engagiert sich für Frauenrechte und Diversität; ProSieben-Formate wie „Germany's Next Topmodel“ unter Heidi Klum fördern Inklusion und Body Positivity. Pro7 hat zudem Kampagnen gegen Rassismus gestartet und sich für den Ausbau des Sozialstaats eingesetzt.

In diesem Wirkungsfeld liegt die Pointe: Der Erbe eines Mannes, der Europa mit rechtem Populismus geprägt hat, übernimmt nun ein Medienhaus, das eben diesen Populismus bekämpft. Wird ProSiebenSat.1 zum Schlachtfeld ideologischer Umgestaltung, wo progressive Stars plötzlich mit konservativen Narrativen ringen müssen? Es bleibt zu hoffen.

Auch bei NIUS: Diese 6 Kacheln zeigen das irre Weltbild von Georg Restles ARD-Monitor-Redaktion

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