
Was früher als erstrebenswerte Eigenschaft galt, ist in der Medienwelt längst zum Unwort avanciert: Skepsis. Egal, ob Kritiker der Corona-Maßnahmen, der Flüchtlingspolitik oder des Atomausstiegs – unter Journalisten, deren Beruf es ist, den Mächtigen auf die Finger zu schauen, hat sich eine Gefallsucht etabliert, die keinen Platz für Skeptiker und Querdenker im besten Sinne des Wortes lässt. Eine der wenigen lauten Stimmen gegen diese Entwicklung ist die des früheren ZDF-Journalisten Wolfgang Herles. In seinem neuen Buch: „Gemütlich war es nie: Erinnerungen eines Skeptikers“ erzählt er vom schrittweisen Verfall sowohl einer politischen Kultur als auch der damit einhergehenden Hörigkeit der sogenannten Mainstreammedien.
Den Beginn des „Niedergangs“ sieht Wolfgang Herles in der Zeit zwischen Bonner und Berliner Republik. Plötzlich verschwand die gewohnte Einteilung in Ost und West. Die Politik propagierte, alle Menschen seien Brüder. „Das waren die großen Illusionen. Das hat man auch innenpolitisch gesagt“, erinnert sich Herles bei NIUS Live. „Eine Demokratie kann nur funktionieren, wenn sie streitet und nicht die Einigkeit als obersten Wert ansetzt“. Mittlerweile litten jedoch viel zu viele Journalisten unter der Gefallsucht, kommentiert NIUS-Chefredakteur Julian Reichelt. „Die größte Berufskrankheit dieser Zeit: Beliebt sein zu wollen. Herzen auf Twitter zu bekommen, in der Kneipe auf die Schulter geklopft zu werden“.
Herles konstatiert: „Die Gemütlichkeit lähmt diesen Beruf“. Ein Journalist habe die Aufgabe, das „Sprachrohr der Bürger“ zu sein, nicht der „Lautsprecher des Staates“: Je ideologischer ein Staat sei, desto weniger Raum bleibe für Skepsis. Gerade in diesen Zeiten sei der kritische Denker gefragt. „Und genau damit bin ich angeeckt. Das ZDF hat sich immer als Staatssender verstanden. Heute würde ich es vielleicht sogar mit dem Staatsanwalt zu tun bekommen“, erzählt Wolfgang Herles über seine Zeit beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk.
Über die vergangenen Jahrzehnte habe sich ein Machtkomplott aus Berufspolitikern und den ihnen wohlgesonnenen Medien gebildet. „Das Fernsehen ist heute ein Verdummungsmedium geworden“. Historische Ereignisse wie die Corona-Pandemie hätten einen bitteren Nachgeschmack hinterlassen. Kritik wurde sowohl unter Journalisten als auch von Politikern als Angriff auf die Demokratie gewertet. „Seit Corona würde ich sagen, es ist noch mein Land, aber es ist nicht mehr mein Staat“.
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