Diese ARD-Journalisten arbeiten jetzt für die Regierung

vor 25 Tagen

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Bildquelle: NiUS

Eben noch mussten die Beitragszahler sie dafür entlohnen, dass sie den Mächtigen auf die Finger schauen, nun arbeiten sie von einem Tag auf den anderen selbst im Auftrag eben dieser Mächtigen: Immer wieder wechseln Journalisten von öffentlich-rechtlichen Medien in die Politik – und manchmal sogar zurück. Sie führen die komplette Argumentation pro „Demokratieabgabe“ ad absurdum und offenbaren, dass der als „rechts“ gebrandmarkte Begriff „Staatsfunk“ durchaus treffend ist.

„Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist eine Demokratieabgabe. Er sichert eine unabhängige Berichterstattung, die nicht von kommerziellen oder politischen Interessen geleitet ist. Er fördert Bildung, Kultur und gesellschaftlichen Zusammenhalt – alles Grundpfeiler einer funktionierenden Demokratie.“

Mit diesen Worten verteidigte der damalige WDR-Fernsehdirektor Jörg Schönenborn 2012 den Rundfunkbeitrag, den alle Bürger zahlen müssen, sonst droht ihnen eine Strafe. Dass die Idee einer „vierten Gewalt“, die die Staatsgewalt kontrolliert und kritisiert, oft nicht mehr als eine Wunschvorstellung ist, zeigen die zahlreichen Ideologie-getränkten Formate der Öffentlich-Rechtlichen.

Noch manifester wird sie allerdings, wenn Journalisten plötzlich im Auftrag der Regierung arbeiten. Drei der fünf ehemaligen Journalisten, die für die aktuelle Regierung und den Bundespräsidenten arbeiten, haben eine Karriere bei den Öffentlich-Rechtlichen hinter sich.

Da ist zum einen Sarah Frühauf, die kürzlich als Sprecherin ins Innenministerium von Alexander Dobrindt wechselte. Frühauf war von März 2012 bis Oktober 2020 beim Mitteldeutschen Rundfunk (MDR) tätig, ab Oktober 2020 dann als Berlin-Korrespondentin für MDR aktuell, wo sie als „Unionsexpertin“ für die Tagesschau berichtete. Es liegt wohl nahe, dass sie nicht deshalb von der Union gewählt wurde, weil sie den Politikern besonders kritisch auf die Finger schaute.

Frühauf beim Maischberger-Talk im März 2025

Frühauf ist bekannt durch ihre Kommentare in der Meinungssektion der Tagesschau. In einem forderte sie eiserne Härte im Umgang mit Ungeimpften und prägte den inzwischen bekannten Satz „Na, herzlichen Dank an alle Ungeimpften“. Nun arbeitet sie beim Innenministerium, und damit in dem Haus, dem der Verfassungsschutz direkt weisungsgebunden unterstellt ist.

Michael Stempfle

Auch im Verteidigungsministerium arbeitet ein ehemaliger ÖRR-Journalist. Michael Stempfle, der im Januar 2023 als Sprecher ins Bundesministerium der Verteidigung wechselte. Stempfle war zuvor viele Jahre als Journalist für den SWR tätig und arbeitete als Korrespondent im ARD-Hauptstadtstudio in Berlin. Dort spezialisierte er sich auf Themen rund um die innere Sicherheit und berichtete regelmäßig für Formate wie die Tagesschau und Tagesthemen.

Georg Link ist seit Mai 2025 Sprecher des Bundesministeriums für Verkehr unter Minister Patrick Schnieder.

Georg Link, damals noch SWR-Hauptstadtkorrespondent

Zuvor war er Journalist beim Südwestrundfunk (SWR), wo er als landespolitischer Korrespondent für SWR Aktuell Rheinland-Pfalz tätig war. Auch im ARD-Hauptstadtstudio war er tätig. Link gilt als erfahrener Politologe und Medienprofi.

Regierungssprecher Stefan Kornelius im Mai 2025

Neben den drei ÖRR-Journalisten sind mit Regierungssprecher Stefan Kornelius und Cerstin Gammelin (Pressesprecherin des Bundespräsidiums unter Frank-Walter Steinmeier) zwei weitere Journalisten im Dienste der hohen Politik. Beide arbeiteten zuvor bei der Süddeutschen Zeitung.

Cerstin Gammelin 2019 bei Markus Lanz

Neu ist die ÖRR-Politik-Drehtür allerdings nicht. Auch der Vorgänger von Michael Stempfle im Verteidigungsministerium hatte eine ÖRR-Vergangenheit: Christian Thiels war bis Januar 2023 Sprecher des Bundesministeriums der Verteidigung, zunächst unter Ursula von der Leyen (bis 2019), dann unter Annegret Kramp-Karrenbauer (2019–2021), später unter Christine Lambrecht (2021–2023). Zuvor war er, ebenso wie Stempfle, Journalist beim SWR und im ARD-Hauptstadtstudio, wo er vor allem mit Themen rund um die Sicherheitspolitik betraut war.

Christian Thiels

Seine Ernennung 2019 unter von der Leyen sorgte für große Kontroversen. Der Vorwurf: von der Leyen habe Thiels, einen kritischen Reporter, in der Berateraffäre-Krise „abgeworben“, um ihre eigene PR zu stärken. Thiels blieb nach 2023 in anderer Funktion im Ministerium.

Eine doppelte 180-Grad-Wende vom Journalismus in die Politik und wieder zurück legte Ulrike Demmer hin. Von 2016 bis 2021 war sie stellvertretende Sprecherin der Bundesregierung unter Angela Merkel. Zuvor arbeitete sie als Journalistin, unter anderem beim Rundfunk Berlin-Brandenburg (rbb, 1998–2000), beim ZDF (2002–2005) und als Korrespondentin für Verteidigungspolitik beim Spiegel (2006–2012). Ihre Ernennung 2016 erfolgte auf Vorschlag von SPD-Chef Sigmar Gabriel. Seit September 2023 ist sie Intendantin des rbb, was Debatten über ihre Unabhängigkeit auslöste.

rbb-Intendantin Ulrike Demmer

Einer der bekanntesten Wendehals-Journalisten ist Ulrich Wilhelm, von 2005 bis 2010 Regierungssprecher unter Angela Merkel (Kabinette Merkel I und II). Zuvor war er Journalist, unter anderem als freier Mitarbeiter beim Bayerischen Rundfunk (BR). Seine Ernennung 2005, nach seiner Tätigkeit als Pressesprecher der Bayerischen Staatsregierung unter Edmund Stoiber, wurde als „Drehtüreffekt“ kritisiert, da sein Wechsel vom Journalismus in die Politik und später (2010) zurück zum BR als Intendant den Vorwurf des „Staatsfunks“ befeuerte. Kritiker sahen in seiner Nähe zur CSU und Merkel eine Gefährdung der journalistischen Unabhängigkeit.

Der damalige Regierungssprecher Ulrich Wilhelm im Juli 2010

Steffen Seibert war von 2010 bis 2021 Regierungssprecher unter Angela Merkel. Zuvor war er Journalist, unter anderem Moderator des heute-journals beim ZDF (1998–2010) und Reporter für ARD und ZDF in Moskau und Washington. Seine Ernennung 2010 stieß auf Kritik, da der schnelle Wechsel vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk in die Politik als zu enge Verzahnung zwischen Medien und Staat gesehen wurde, was den Vorwurf des „Staatsfunks“ bekräftigte. Seit August 2022 ist Seibert Botschafter der Bundesrepublik Deutschland in Israel.

Steffen Seibert ist inzwischen deutscher Botschafter.

Nicht nur Journalisten öffentlich-rechtlicher Medien wechselten in die Politik. Steffen Hebestreit, der von 2006 bis 2010 als Hauptstadtkorrespondent der Frankfurter Rundschau und anschließend bis 2014 in derselben Funktion für die DuMont-Redaktionsgemeinschaft tätig war, übernahm die Rolle des Regierungssprechers. Von 2021 bis 2025 leitete er das Presse- und Informationsamt der Bundesregierung im Rang eines Staatssekretärs.

Steffen Hebestreit, ehemaliger Sprecher der Bundesregierung und Chef des Informationsamts der Bundesregierung, nimmt Blumen von Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) entgegen.

Ulrich Schulte war von 1999 bis 2008 Reporter und Kolumnist für die taz, wo er sich regelmäßig mit „grünen“ Themen befasste. Danach wechselte er in die politische Kommunikation und war von 2010 bis 2017 als Pressesprecher für die Bundestagsfraktion der Grünen tätig. Seit 2021 ist er im Bundeskanzleramt als Berater für strategische Kommunikation im Rang eines Ministerialdirigenten aktiv.

Ulrich Schulte im Oktober 2021 bei Markus Lanz

Auch Christiane Hoffmann wechselte vom Journalismus in die Politik. Von 1994 bis 2012 war sie Korrespondentin der FAZ in Moskau, Teheran und Berlin, später beim Spiegel. Von 2022 bis 2025 war sie erste stellvertretende Sprecherin der Bundesregierung und stellvertretende Leiterin des Presse- und Informationsamtes.

Der ehemalige Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) im Gespräch mit Christiane Hoffmann, die damals stellvertretende Sprecherin der Bundesregierung war

Wolfgang Büchner war von Dezember 2021 bis Mai 2025 stellvertretender Regierungssprecher und stellvertretender Leiter des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung. Zuvor war er von 2001 bis 2009 bei Spiegel Online, ab 2008 als Co-Chefredakteur, und von 2010 bis 2013 Chefredakteur der Deutschen Presse-Agentur (dpa). Von 2013 bis 2014 leitete er den Spiegel als Chefredakteur.

Büchner (zweiter von rechts) bei einer Regierungspressekonferenz im März 2025

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