
Wenn der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Frankfurt in einem Gastbeitrag der FAZ offen fragt, ob jüdische Kinder in Europa noch eine Zukunft haben, ist das nicht Pathos, sondern bittere Realität. Benjamin Graumann nennt das, was in Deutschland und Europa geschieht, beim Namen: Juden werden zur Jagd freigegeben – nicht in dunklen Kellern, sondern auf Schulhöfen, in Hörsälen, auf Straßen und Plätzen. Und während Antisemitismus in schwindelerregender Geschwindigkeit eskaliert, schauen die politisch Verantwortlichen betreten weg – oder verschleiern die Tatsachen.
Denn der neue Judenhass kommt nicht aus dem Nichts. Er kommt nicht allein von rechts – obwohl man dort alles zu verorten versucht, was dem eigenen Weltbild nicht passt. Er kommt gerade aus jenen Milieus, die sich selbst für moralisch überlegen halten: von der politischen Linken, über Autonome und palästinensische „Solidaritätsgruppen“ bis hin zu akademisch geförderten Israelhassern. Die Universitäten sind – wie Graumann treffend schreibt – zu „Hotspots des Judenhasses“ geworden. Dass die Lautesten dort ausgerechnet jene sind, die sich für „Antidiskriminierung“ stark machen, ist die zynische Pointe der postmodernen Doppelmoral.
Besonders perfide ist der „Ausweg“, der vielen Juden nun offen oder unterschwellig angeboten wird: Distanzierung von Israel – gegen den Judenhass. Wer nicht laut genug Israel kritisiert, gilt als Komplize. Wer sich nicht lossagt, macht sich mitschuldig. Dass man jüdische Bürger in Europa auf diese Weise in Geiselhaft für eine Nahostpolitik nimmt, die sie gar nicht gestalten können, ist nichts anderes als die Wiederbelebung eines alten antisemitischen Musters – nur im Gewand der Israelkritik.
Die Wahrheit ist unbequem, aber unausweichlich: Der politische Antisemitismus in Europa hat neue Allianzen geschlossen – mit islamischen Importideologien, mit linkem Kulturrelativismus und mit jener akademischen Elite, die noch nie einen Krieg gewinnen, aber stets moralisch belehren konnte. Graumann hat Recht: Nicht die Kritik an Israel ist tabu – sondern die Kritik an der Kritik. Wer sich heute gegen den neuen Antisemitismus stellt, riskiert Ausgrenzung, Diffamierung, akademischen Rufmord. Und die körperliche Unversehrtheit.
Und während Politiker „Nie wieder!“ brabbeln, lässt man en masse Demonstrationen zu, auf denen jüdisches Leben bedroht und die Auslöschung Israels wird. Während jüdische Schulen und Synagogen Polizeischutz brauchen, dürfen Gaza-Fans nahezu unbehelligt aggressiv und skandierend durch deutsche Innenstädte marschieren – mit lautem Applaus und tatkräftiger Unterstützung aus der linken Zivilgesellschaft. Die Schizophrenie ist komplett.
Benjamin Graumann sagt, Israel sei das „schützende Dach“. Recht hat er. Nur traurig, dass dieses Dach nicht in Brüssel, nicht in Berlin, nicht in Paris steht – sondern längst außerhalb Europas. Wer das nicht erkennt, verkennt nicht nur die jüdische Realität, sondern auch das moralische Totalversagen westlicher Politik.