Juristisches Gutachten der AfD: Teile der Verfassungsschutz-Einstufung könnten rechtswidrig sein

vor etwa 5 Stunden

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Die AfD möchte die Maßnahmen des Verfassungsschutzes gegen sich juristisch kontern. Dazu legt die Partei ein 62-seitiges Gutachten vor, welches die Chefs der Partei in Thüringen und Sachsen, Björn Höcke und Jörg Urban, am Montag in Berlin präsentierten. In dem Papier, das Apollo News vorliegt, wird vor allem Bezug auf die sogenannte Indemnitätsklausel der Landesverfassung des Freistaats Thüringen genommen, um die Argumentation des Verfassungsschutzes anzugreifen, der die AfD am 2. Mai als „gesichert rechtsextremistisch“ eingestuft hatte.

In seinem entsprechenden Gutachten argumentiert das Bundesamt vor allem mit öffentlichen Äußerungen von AfD-Politikern, die die Behörde als verfassungsfeindlich auslegt. Dies sei jedoch in vielen Fällen unzulässig, argumentiert das Gutachten der Partei, und beruft sich dafür auf die sogenannte Indemnitätsklausel in der Landesverfassung des Freistaats Thüringen.

Die Indemnitätsklausel in der Thüringer Verfassung ist in ihrer Tragweite bundesweit einzigartig: Artikel 55 Absatz 1 schützt Abgeordnete gegen jede Form der Verantwortlichmachung für Äußerungen, die sie im Landtag, seinen Ausschüssen oder sonst in Ausübung ihres Mandats getätigt haben – insbesondere im Hinblick auf mögliche staatliche Maßnahmen wie die Beobachtung durch Verfassungsschutzbehörden. Das Gutachten des Juristen Prof. Dr. Michael Elicker, Staatsrecht-Professor an der Universität des Saarlandes, kommt zu dem entsprechenden Schluss: Der Verfassungsschutz dürfe Äußerungen thüringischer AfD-Landtagsabgeordneter nicht gegen die Partei verwenden. Ausdrücklich gemeint sind damit auch außerparlamentarische Äußerungen, sofern diese „funktional dem Mandat zuzuordnen sind“, heißt es. Das Gutachten zieht daraus keine rechtlich verbindlichen Konsequenzen für den Bund, argumentiert aber verfassungsrechtlich für eine Aufwertung des bundesrechtlichen Indemnitätsschutzes.

Das Gutachten argumentiert auch mit Verweis auf Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, insbesondere mit Bezug auf den sogenannten „Ramelow“-Beschluss von 2013. Damals urteilte Karlsruhe nach einer Klage des Linken-Politikers Bodo Ramelow, dass die Beobachtung eines Abgeordneten durch den Verfassungsschutz unter dem Gesichtspunkt der Abgeordnetenfreiheit als Grundrechtseingriff einzustufen sei. Auch wenn das BVerfG dort nicht auf eine Indemnitätsklausel Bezug nahm – da eine solche im Grundgesetz nicht für außerparlamentarische Handlungen existiert – zeigt die Entscheidung auf, dass bereits die Beobachtung eines Abgeordneten einen verfassungsrechtlich relevanten Eingriff darstellt.

Auf Bundesebene sind Eingriffe in die Indemnität grundgesetzlich vorgesehen, wenn es um die Verteidigung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung geht. Das Gutachten legt jedoch dar, dass auch Maßnahmen mit dieser Rechtfertigung nur unter strengen Voraussetzungen zulässig sein können. Ein pauschaler Rückgriff auf das Prinzip der wehrhaften Demokratie genüge dafür nicht. Hier kritisiert das Gutachten wiederum Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, welches die Indemnität in Entscheidungen zur NPD aufgeweicht hatte.

Mit Blick auf Bundesrecht verweist das Gutachten auf Artikel 38 Absatz 1 Satz 2 Grundgesetz. Dort ist die Freiheit des Mandats festgehalten: Abgeordnete sind an keine Weisungen gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen. Nach Einschätzung des Gutachters schützt dieser Artikel insbesondere die Kommunikationsbeziehung zwischen dem Abgeordneten und den Wählern vor staatlicher Einflussnahme. Dieser Schutz gelte nicht nur für innerparlamentarisches Handeln, sondern ausdrücklich auch für außerparlamentarische politische Aktivitäten, also das gesamte Wirken des Abgeordneten. Ein wesentlicher Bestandteil dieses Schutzes sei auch die Freiheit von exekutiver Beobachtung, Beaufsichtigung und Kontrolle – etwa durch Verfassungsschutzbehörden.

Bei der Vorstellung des Gutachtens forderte Thüringens AfD-Chef Höcke, dass alle Beiträge der Landesämter für Verfassungsschutz aus dem aktuellen Bundesgutachten zu entfernen seien. Die „Schnüffelarbeit des Verfassungsschutzes“ sei „sofort einzustellen“, so Höcke weiter. Außerdem kritisierte der AfD-Politiker den Präsidenten des Thüringer Amts für Verfassungsschutz, Stephan J. Kramer, dem er Amtsmissbrauch vorwarf.

Tatsächlich ist Kramer, wie Apollo News im Dezember exklusiv berichtete, auch intern nicht unumstritten. Es geht um schwere Vorwürfe: Manipulation, Bedrohung, Intrigen. Kramer soll dabei auch das Prinzip der Indemnität, bei der Einstufung der Thüringer AfD als „gesichert rechtsextrem“, ausgeklammert haben – ein die Partei entlastendes Gutachten soll er nicht einbezogen haben. Infolge der Berichterstattung setzte der Landtag Anfang März einen Untersuchungsausschuss zur Kramer-Affäre ein (Apollo News berichtete), welcher am vergangenen Mittwoch auch bereits erstmals tagte.

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