
Nicht die Demokratie hat Schaden dadurch erlitten, dass die Kandidatinnen für das Richteramt durchgefallen sind. Die Demokratie wurde vielmehr von der Union in letzter Sekunde mutig, wenn auch mit falschen Argumenten verteidigt. Gegen die Parteipolitisierung, die verdeckte Hinterzimmerpolitik und gegen das dröhnende Schweigen der alten Medien. Aber beschädigt wurde die schwarz-rote Koalition und die Führungsspitze der Union, die nichts lieber durchgezogen hätte, als die beiden SPD-Kandidatinnen ins Bundesverfassungsgericht zu schicken.
Eine Lösung der Krise ist nicht in Sicht. Die SPD fordert ultimativ von der Union die Zustimmung für ihre Kandidatin ein, als ob die Fraktion der CDU eine Schafherde sei die bedingungslos zu gehorchen haben. Gleichzeitig droht sie der CDU mit einem Untersuchungsausschuss für die Maskendeals von Jens Spahn, eine geradezu kabarettreife Inszenierung parteiübergreifender Korruptions- und Verschleierungstaktikt. Ultimativ will die SPD ihre fragwürdige Kandidatin Frauke Brosius-Gersdorf zum Vorsprechen in die Unions-Fraktion schicken. Abgesehen von der Frage, die nun wirklich keine Petitesse ist: Hatte die Union ernsthaft vor, dieses wichtige Amt mit einer Person zu besetzen, die sich erst nach der Nicht-Wahl vorstellt, anstatt vorher? Hier zeigt sich der autoritäre Stil der Fraktionsführung von Jens Spahn im Auftrag von Friedrich Merz. Die Fraktion wird als Ja-Sager-Maschine verstanden, die abnickt, was die Big Bosse mit der SPD vereinbaren – und vermutlich selbst nicht überblicken, wer da gewählt wird.
Allerdings hat die SPD einen gewichtigen Punkt für sich: Die Plagiats-Begründung ist schon etwas sehr schwach. Wer hat nun vom wem abgeschrieben – Frauke Brosius-Gersdorf von ihrem Ehemann oder umgekehrt? Nun ja. Abschreiben gilt nicht, auch nicht unter Ehepartnern, gleich wer da von wem abgekupfert hat und ob das beim Frühstück oder Abendessen geschah. In einer Hochschule wie in Potsdam, die von der seit der Wende herrschenden SPD zu einer Art Parteihochschule umfunktioniert wurde, ist das unter Parteifreunden ohnehin ein eher lässlicher Fehler, der allerdings nicht Schule machen sollte. Aber Plagiatsvorwürfe sind mittlerweile ein Instrument, um politische Gegner zu diskreditieren oder aus dem politischen Verkehr zu ziehen, wenn einem sonst nichts mehr einfällt.
Ulrike Guerot, eine in linken Kreisen lange Zeit sehr hoch geschätzte Politikprofessorin, hat dies erfahren. In dem Augenblick, in dem sie sich kritisch zur Corona-Politik und dann noch zur Ukraine/Russland-Thematik geäußert hatte, wurden in ihren populären Büchern wie nach einem Startschuss plötzlich Plagiate entdeckt. Sie wurde gefeuert. Einen „Zaubertrick“ nennt Guérot das Verfahren jetzt, mit dem man Personen verschwinden lässt, deren Haltung man nicht mehr teilt. Und wenn man sie zu brauchen meint, wie SPD und CDU den abschreibenden und tintenklecksenden Unglücksraben Mario Voigt aus Thüringen, dann kann man mit Plagiaten nicht nur Bundesverfassungsrichter, sondern gleich auch noch Ministerpräsident werden. Oder Außenminister, wie weiland Annalena Baerbock, die kaum eine fehlerlose Zeile selbständig zu formulieren in der Lage ist.
Ab er nach dem Zaubertrick braucht das Unglücks-Duo Merz/Spahn jetzt einen Zaubertrank, um die verfahrene Kiste zu retten und die Zusammenarbeit in der Koalition zu ermöglich. Denn man braucht sich in einer Koalition, die ein ständiges Aushandeln von Geben und Nehmen, von Kompromiss und Grundsatzfragen ist.
Jetzt rächt sich, dass die CDU/CSU auf die grundsätzliche Auseinandersetzung um das Möchtegern-Richter-Pärchen der SPD verzichtet hat.
Dabei war es die CDU-Abgeordnete Saskia Ludwig, die schon am 1. Juli auf die seltsame Position der Kandidatin Brosius-Gersdorf hingewiesen hat: die forderte nicht nur eine Impfpflicht für die nun wirklich entzauberte Corona-Impfung, dokumentierte Ludwig.
Noch 2023 phantasierte Brosius-Gersdorf von einer „verfassungsrechtlichen Pflicht zur Einführung einer Impfpflicht“, wollte Impfverweigerer finanziell belasten und sanktionieren. Für Saskia Ludwig „unwählbar“.
Diese kurze Bemerkung von Saskia Ludwig hat dazu geführt, dass die neuen Medien sich auf die Suche machten. Die Junge Freiheit ebenso wie Nius, Apollo und TichysEinblick oder auch die Achse des Guten. Und siehe da, Brosius-Gersdorf ist eine Juristin, die allerlei Positionen vertritt, die sich zumindest als verfassungswidrig darstellen oder sogar verfassungsfeindlich, also auf die Abschaffung des bestehenden Grundgesetzes zielen.
Sie will das Ehegattensplitting abschaffen, nun ja, das in mehreren Entscheidungen durch das Bundesverfassungsgericht bestätigt wurde: Es verhindert nur, dass ein Ehepaar mit 100.000 € Familieneinkommen nicht mehr Steuern bezahlt wie eine Ehe mit zwei mal 50.000 € Einkommen. Haben sich alle früheren Senate des Bundesverfassungsgerichts geirrt oder Brosius-Gersdorf? Kostenlose Mitversicherung von Ehegatten bei Pflege und Rente sei verfassungswidrig, sagt sie. Die Förderung der Familie ist Brosius-Gersdorf ein Dorn im Auge, da ist sie ganz sozialdemokratischer DINK: Double Income, no Kids. Kruzifixe in Klassenzimmern verfassungswidrig, aber Kopftücher im Staatsdienst erlaubt? Ein seltsames Kulturverständnis bildet sich in Berlin heraus. Und Brosius-Gersdorf bedauert, dass nach einem von ihr vehement geforderten AfD-Verbot die Wähler leider nicht „beseitigt“ werden könnten.
Wähler „beseitigen“. Fällt uns da noch ein, wie man lästige Wähler beseitigt? Wie wäre es mit Aberkennung des Stimmrechts? Das Grundgesetz, sagt sie, gäbe das her. Und wohl nicht nur das. Juristerei ist eng an Sprache gekoppelt. Was hier an Maßnahmen unausgesprochen suggeriert wird, ist der Sprecherin sehr bewusst. Wähler beseitigen.
Jetzt behauptet die SPD, Frauke Brosius-Gersdorf, sei eine „hochangesehene Staatsrecht-Lehrerin, eine hochangesehene Juristin, die fachlich über jeden Zweifel erhaben“ sei, so Dirk Wiese, der sogenannte „erste parlamentarische Geschäftsführer der SPD“ im Bundestag.
Fachlich mag das stimmen, in „bester“ Tradition. Die Geschichte furchtbarer Juristen ist eine ganz besonders düstere deutsche Tradition. In dieser Tradition wurde für zwei Diktaturen von findigen Juristen das bestehende Recht gebeugt, gebügelt, verbogen und für die Zwecke der jeweiligen Partei zurechtmanipuliert. Mit vielen wohlerwogenen Paragraphen, raffiniert herangezogenen Begründungen und grausamen Folgen. Gerade um diese Art von opportunistischen Aktivisten-Juristerei zu verhindern, die die Argumente liefern für die Umgestaltung einer demokratischen Gesellschaft in eine andere Staatsform, wurde das Grundgesetz erfunden. Das Grundgesetz betont im unveränderlichen Artikel 1 die individuelle Menschen- und Freiheitsrechte so stark, weil es bewusst als Gegenentwurf zu Kommunismus und Nationalsozialismus geschaffen wurde.
Seit langem gibt es in der sich herausbildenden linksgrünen Juristerei jedoch Bestrebungen, das Grundgesetz kollektivistisch umzuschreiben, um sich den Staat zu unterwerfen, wenn man schon keine Wahlen mehr gewinnt. Impfpflicht, Aberkennung von Grundrechten wie schrankenlose Abtreibung und Beseitigung der Oppostion passen allesamt in dieses Denkschema, das den Menschen zum Objekt staatlichen Handels macht und ihn entrechtet.
Das Grundgesetz hat deshalb einen Kern, der als unabänderlich erklärt wurde und die Menschen vor staatlicher Willkür schützt. Diese sogenannte „Ewigkeitsgarantie“ schützt in Artikel 1 GG die Unantastbarkeit der Menschenwürde und bindet alle staatliche Gewalt an die Grundrechte. Bezeichnend: Die Möchte-so-gern-Verfassungsrichterin Brosius-Gersdorf will die Menschenwürde zunächst für Ungeborene einschränken und relativeren. „Die Annahme, dass die Menschenwürde überall gelte, wo menschliches Leben existiert, ist ein biologistisch-naturalistischer Fehlschluss.“ Das schreibt Frauke Brosius-Gersdorf. In dem Aufsatz „Menschenwürdegarantie und Lebensrecht für das Ungeborene. Reformbedarf beim Schwangerschaftsabbruch“, der 2024 im Sammelband „Rechtskonflikte“ erschien, kommt sie zu dem Schluss, dass es „gute Gründe“ dafür gebe, dass die Menschenwürde erst ab der Geburt gelte.
Wir halten fest: Menschenwürde gilt nicht überall, das wäre ein „biologistisch-naturalistischer Fehlschluss“.
Aber die Würde des Menschen generell in Zweifel zu ziehen, ist untragbar. Wer dieser Frau folgt, geht buchstäblich durch das Tor zur Hölle – und sie geht dabei voran. Die Menschenwürde wird Verhandlungssache. Nicht nur im Fall von Kindern. Zu Ende gedacht auch bei Alten, Kranken oder anderen vulnerablen Gruppen, die den Schutz des Staates brauchen, kann dann diese Argumentation eingesetzt werden. Das eröffnet Willkürentscheidungen.
Die Würde des Menschen muss unantastbar bleiben, egal wie klein, groß, krank, oder auch sonst fragwürdig die jeweilige Gruppe ist. Artikel 1 verhindert die Todesstrafe ebenso wie die Definition von lebensunwertem Leben. Er macht teure Kranke, verdämmernde Sterbende, aber auch schrille Transsexuelle, Juden, Sinti, Roma unantastbar. Es ist eine der Säulen unseres Wertesystems und basiert auf der urchristlichen Erkenntnis von der allumfassenden Liebe Gottes für seine Kinder. Das ist das Große C in der Politik, allerdings nicht bei Grünen und der SPD von heute, die diese Position zur Relativierung freigeben.
Dass eine so argumentierende Frau nicht Hüterin der Verfassung sein kann, weil sie ja bereit ist, das Grundgesetz so zurechtzudengeln wie einen kaputten Wassereimer, bis er Löcher hat und kein Grundrecht mehr fassen kann. Werden konsequenterweise dann diejenigen, die sich auf die Ewigkeitsgarantie berufen, den Schutz der Menschenwürde, als Verfassungsfeinde beseitigt? Ist das die Qualifikation einer Verfassungsrichterin? Das kann nicht sein, und ähnliches gilt auch für die zweite SPD-Personalie von Ann-Katrin Kaufhold. Sie will Wohnungen „vergesellschaften“, eine Beschönigung von Enteignung und Verstaatlichung.
In einem Aufruf aktivistischer Klimaschutzjuristen, den Kaufhold unterzeichnete, empfanden die Damen und Herren Juristen „Forderungen nach einer Verschärfung straf- und polizeirechtlicher Reaktionen“ auf „bestimmte Protestformen, wie z.B. Straßenblockaden“ als „beunruhigend“. Bei der Organisation eines guten Lebens im planetarischen Rahmen, denke man „natürlich … zunächst an Parlament und Regierung. Wir stellen aber leider fest, dass sie das Thema nicht schnell genug voranbringen. Deswegen muss man überlegen, wie man das Tableau der Institutionen erweitert.“ Klimakleber sollen also nicht strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden, sie sollen über dem Recht stehen.
Die Gleichheit vor dem Gesetz wird für Klimapolitiker – und dann für andere – außer Kraft gesetzt. Wie auch gleich für diese lästige parlamentarische Demokratie: „Ein häufig thematisiertes Defizit von Parlamenten mit Blick auf Klimaschutz ist die Tatsache, dass sie auf Wiederwahl angewiesen sind.“ Der Bundestag kann es also nicht: „In der Folge tendieren sie wohl dazu, unpopuläre Maßnahmen nicht zu unterstützen.“ Dafür sollen nicht gewählte “Experten“ Grundsatzentscheidungen treffen; ausgerechnet die Corona-Krise wird als positives Beispiel genannt. Auch das ist, mit Verlaub gesagt, eine Absage an Rechtstaats- und Demokratieprinzip wie es im Grundgesetz verankert ist und das von Verfassungsrichtern geschützt werden soll.
Dass die Wahl der beiden gesichert linksextremen Richterinnen in letzter Sekunde verhindert wurde, ist ein Sieg für die Demokratie – das war der Versuch einer Art Staatsstreich von Grünen und SPD. Erschreckend ist: Was sind das bloß für fürchterliche Richterinnen, die man uns unterjubeln wollte, hätten neue Medien und einzelne Abgeordnete nicht ihre Stimme dagegen erhoben und eine Vielzahl an Wählern nicht lautstark bei ihren Abgeordneten protestiert.
Aber nun wurde ja ein Stopp-Schild aufgebaut. Jetzt sitzen nur Friedrich Merz und Jens Spahn in der Zwickmühle. Diese beiden Richterinnen sind der Fraktion, der Union und der vermutlich großen Mehrheit der Wähler nicht vermittelbar. Die SPD besteht jedoch weiterhin darauf.
Knickt die Union ein wie bei der Schuldenbremse? Findet Merz wieder einen Weg, die beiden am Parlament vorbei zu schummeln, das er offensichtlich missachtet – was erklärt, warum er Frau Kaufhold nicht verhindern wollte?
Vorerst wird die Koalition bestehen bleiben. Weder CDU/CSU noch SPD haben eine Alternative, jedenfalls so lange die Union die Zusammenarbeit mit der AfD verweigert. Denn deutlich wurde auch in der Debatte: nahtlos lassen sich die Beiträge von SPD, Grünen und Linken nebeneinander legen und beliebig austauschen. Die linke Einheitspartei will die CDU/CSU auf ihren Kurs zwingen; bei den Richterinnen wie im Asylrecht. Wie schon geschehen bei der grotesken Ausweitung der Staatsverschuldung. Dann bleibt allerdings von der ohnehin schon entkernten Union wirklich nichts mehr übrig. Sie würde zum politischen Zombie verkommen, zu einem über die politischen Friedhöfe geisternden Untoten. Aber ein „April, April, es war doch kein Plagiat“ – dieser Zauberspruch jedenfalls wird nicht gelingen. Wenn auch mit dem falschen Argument – die Union hat sich festgelegt, und das ist gut so.
Erkennbar hofft das linke Lager, dass jetzt endlich Schluss gemacht werden solle mit diesen kritischen Medien, die mittlerweile so viel Einfluß gewonnen haben. ARD, ZDF sehen alt aus dagegen. SPIEGEL, ZEIT, STERN, Süddeutsche wirken wie seltsam überholt und kommen vorgestrig daher in ihrer hilflosen und wütenden Regierungspropaganda und Hitzetod-Panik, die nur den eigenen journalistischen Hirntod überspielen soll.
Als wahre Schurken wurden diejenigen erkannt, die der SPD-Geschäftsführer im Parlament, Dirk Wiese wütend beschimpfte: „Sogenannte Lebensschützer und rechte Nachrichtenportale“.
Nun ja, wenn der Schutz des Lebens schon so dermaßen herabgewürdigt wird, wirft das ein sehr grelles Licht auf die SPD-Fraktion.
Unions-Abgeordnete ertrinken, so hört man, in Zuschriften, die sich über die Zumutung in Person der furchtbaren Juristinnen empören. Und die neuen Medien werden bleiben, denn sie haben ihre Kraft, gesellschaftliche Notwendigkeit bewiesen und erhalten die Rückendeckung ihrer Leser und Zuschauer.
Es ist schon schnell gegangen mit Friedrich Merz: Kaum angefangen, mit Ach und Krach gewählt und schon in einer tiefen Grube gelandet. Das Dumme ist nur: Das Land mit ihm. Er war jedenfalls nicht der Neuanfang, den das Land braucht.