Kampf um Gebiete, Sanktionen und Sicherheitsgarantien: Das wollen die Teilnehmer des Spitzentreffens im Weißen Haus

vor etwa 3 Stunden

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Wie kann ein Ende des Ukraine-Krieges herbeigeführt werden? Heute finden im Weißen Haus Gespräche zwischen US-Präsident Donald Trump und Selenskyj bzw. der europäischen „Koalition der Willigen“ statt. Hier lesen Sie, mit welchen Forderungen und Erwartungen die verschiedenen Teilnehmer in den Austausch gehen.

Nachdem Donald Trump und Kreml-Chef Wladimir Putin in Anchorage, Alaska ihre Claims abgesteckt haben, spricht der US-Präsident heute mit dem ukrainischen Präsidenten Selenskyj und dessen europäischen Unterstützern. Das Treffen wird als Zwischenschritt zu einem möglichen Dreier-Treffen (Trump, Putin und Selenskyj) über ein Friedensabkommen betrachtet.

Trump und Selenskyj sprechen zunächst unter vier Augen (19:15 Uhr unserer Zeit). Aus Europa werden dann (ab 21:00 Uhr) neben EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen und NATO-Generalsekretär Mark Rutte auch Bundeskanzler Friedrich Merz sowie Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, der britische Premierminister Keir Starmer, die italienische Regierungschefin Giorgia Meloni und der finnische Präsident Alexander Stubb teilnehmen.

Donald Trump, der keine Lust verspürt, weiter Milliarden Dollar in ein Fass ohne Boden zu stecken, möchte den Krieg in der Ukraine beendet sehen und sich wieder mit Russland ins Benehmen setzen. Sein eigentliches Ziel ist – neben einer Wiederaufnahme der wirtschaftlichen Zusammenarbeit – geopolitischer Natur: Russland aus der engen Kooperation mit China herauszulösen und seine Aufmerksamkeit auf den indopazifischen Raum richten zu können.

Der Realist: Donald Trump weiß um die Voraussetzungen zur Beendigung des Ukraine-Kriegs.

Im Ukraine-Krieg sieht Trump jetzt Selenskyj am Zuge. Er forderte ihn auf, auf die Krim zu verzichten – und auf einen Beitritt zur NATO. Die Sicherheitsgarantien, die die Ukraine erwartet, sollen vor allem von den Europäern übernommen werden. Außenminister Marco Rubio schloss eine Beteiligung der USA an Sicherheitsgarantien für die Ukraine in einem Interview mit dem US-Sender CNN vor den Gesprächen in Washington am Montag hingegen nicht aus.

Da Putin einen NATO-Beitritt Kiews auf keinen Fall zulassen will, wurde offenbar ins Spiel gebracht, Sicherheitsgarantien nach dem Vorbild des Artikel 5 im NATO-Vertrag einzurichten. Dieser sieht vor, „dass ein bewaffneter Angriff gegen eine oder mehrere von ihnen in Europa oder Nordamerika als ein Angriff gegen sie alle angesehen werden wird“. Weil die Ukraine nicht NATO-Mitglied ist, kann der Bündnisfall im Falle einer erneuten russischen Invasion nicht ausgerufen werden. Ein Artikel-5-ähnliches Abkommen jedoch, das für diesen Fall die USA und europäische Länder zum Beistand verpflichtet, könnte Putin akzeptieren – er ist ja gegen die NATO-Osterweiterung, weil er behauptet, Russland werde so „bedroht“.

Von seiner ursprünglichen Forderung nach einer sofortigen Waffenruhe hat sich Trump zurückgezogen und fokussiert sich auf eine umfassende Friedenslösung. Er sieht die Möglichkeit, die Ukraine zu territorialen Zugeständnissen, insbesondere im Donbass, zu bewegen, um ein Abkommen mit Russland zu erleichtern. Eine Rückgabe der 2014 von Russland annektierten Halbinsel Krim hält er für unrealistisch.

Trump scheint bereit zu sein, Selenskyj zu drängen, russischen Forderungen nach Gebietsabtretungen nachzugeben, einschließlich strategisch wichtiger Gebiete im Donbass, die Russland bisher nur zum Teil erobert hat, wie Luhansk und Donezk. Im Gegenzug hat Putin laut Diplomaten angeboten, dass die Front bei den Bezirken Cherson und Saporischschja eingefroren werden könnte.

Trump strebt ein Dreier-Treffen mit Putin und Selenskyj an, um den seit Februar 2022 tobenden Krieg in direkten Verhandlungen der Teilnehmer zu beenden.

Unter Druck: Wolodymir Selenskyj versucht zu retten, was zu retten ist.

Bisher fordert der ukrainische Präsident einen Waffenstillstand als Voraussetzung für Friedensverhandlungen und lehnt solche Verhandlungen ohne klare Schritte zur Beendigung der Feindseligkeiten ab. Er verlangt starke Sicherheitsgarantien für die Ukraine, idealerweise in Form eines NATO-ähnlichen Schutzversprechens oder sogar einer EU-Mitgliedschaft, die er als Garantie für die langfristige Sicherheit seines Landes sieht.

Außerdem drängt er auf die Aufrechterhaltung westlicher Unterstützung, insbesondere militärischer und finanzieller Hilfe, um die russische Aggression abzuwehren. Jegliche Gebietsabtretungen lehnt Selenskyj unter Verweis auf Artikel 133 der Verfassung ab, demzufolge namentlich aufgeführte Gebiete „untrennbarer Bestandteil“ des Landes sind. In Artikel 73 ist zudem geregelt, dass Veränderungen des Staatsgebiets nur nach einer landesweiten Volksabstimmung möglich sind. Er betont, dass die Krim „nie aufgegeben“ werden darf.

Selenskyj brachte zuletzt allerdings den aktuellen Frontverlauf als Grundlage für Friedensgespräche ins Spiel. „Wir brauchen echte Verhandlungen, was bedeutet, dass wir dort anfangen können, wo die Frontlinie jetzt ist.“

Nach seiner Ankunft in Washington erklärte Selenskyj auf X: „Wir alle teilen den starken Wunsch, diesen Krieg schnell und zuverlässig zu beenden. Und der Frieden muss von Dauer sein. Nicht wie vor Jahren, als die Ukraine gezwungen wurde, die Krim und einen Teil unseres Ostens – einen Teil des Donbass – aufzugeben, und Putin dies lediglich als Sprungbrett für einen neuen Angriff nutzte. Oder als der Ukraine 1994 sogenannte ‚Sicherheitsgarantien‘ gegeben wurden, die jedoch nicht funktionierten.“ Er hoffe, dass „unsere vereinte Stärke mit Amerika und unseren europäischen Freunden Russland zu einem echten Frieden zwingen wird“.

Die „Koalition der Willigen“ stärkt Selenskyj den Rücken.

Die europäischen Staaten, vertreten durch Führungspersönlichkeiten wie Bundeskanzler Friedrich Merz, EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, NATO-Generalsekretär Mark Rutte, Emmanuel Macron, Giorgia Meloni, Keir Starmer und Alexander Stubb, streben eine starke Einbindung Europas in die Friedensverhandlungen an, um Entscheidungen zum Nachteil der Ukraine zu verhindern, so die allgemeine Einschätzung – aus Sorge, dass Trump Russland zu viele Zugeständnisse machen könnte.

Allerdings bestand US-Außenminister Rubio darauf, dass die Europäer nicht nach Washington kämen, „um Selenskyj vor Schikanen zu schützen“, wie es eine Interviewerin bei CBS behauptet hatte. Seit dem eskalierten Gespräch im Oval Office im Februar habe man sich dutzende Male mit den Ukrainern getroffen. Vielmehr wolle man mit den Europäern, mit denen man nach dem Gipfel mit Putin gesprochen habe, zusammenarbeiten.

Die „Koalition der Willigen“ unterstützt Sicherheitsgarantien für die Ukraine, die an Artikel 5 der NATO angelehnt sind. Allerdings will bisher kein europäisches Land ohne amerikanische Rückendeckung ins Risiko gehen. Keine Regierung will das Leben ihrer Soldaten in der Ukraine aufs Spiel setzen, sofern nicht die USA sich bereiterklären, im Ernstfall, also einem weiteren russischen Angriff, zu Hilfe zu kommen.

Für Friedrich Merz dürfte die Frage nach einem Einsatz deutscher Soldaten in der Ukraine ein Problem darstellen. Außenminister Johann Wadephul hatte kürzlich noch gesagt, eine Entsendung deutscher Soldaten in die Ukraine sei eine „fernliegende Frage“ und würde Deutschland aufgrund des parallel laufenden Aufbaus einer kampfstarken Brigade in Litauen „voraussichtlich auch überfordern“. Jetzt meinte er: „Was dafür nötig ist, schauen wir uns gemeinsam mit den USA an. Dass Deutschland in diesem komplexen Prozess eine Führungsrolle und auch Verantwortung übernehmen muss, ist klar.“ Innerhalb der Union ist man sich da durchaus nicht einig – und der Koalitionspartner SPD sieht es noch einmal anders. Merz‘ Vorgänger im Amt, Olaf Scholz, hatte sich immer gegen einen Einsatz der Bundeswehr gesperrt.

Deutsche Soldaten in die Ukraine? Auf Friedrich Merz rollt ein Problem zu.

Die Europäer setzen auf die Aufrechterhaltung des Sanktionsdrucks gegen Russland und die fortgesetzte Unterstützung der Ukraine in Form von militärischer, finanzieller und diplomatischer Hilfe. Sie wollen einen „gerechten und dauerhaften Frieden“ erreichen, der die territoriale Integrität der Ukraine respektiert, und betonen die Notwendigkeit eines Waffenstillstands als ersten Schritt.

Grundsätzlich sind die Europäer, insbesondere Macron, skeptisch gegenüber russischen Friedensplänen, da sie befürchten, dass Putin auf eine Kapitulation der Ukraine abzielt, anstatt einen echten Frieden zu suchen. Gebietsabtretungen, insbesondere der Donbass und die Krim, werden von den Europäern als problematisch angesehen, da sie die ukrainische Souveränität untergraben und einen Präzedenzfall für das „Recht des Stärkeren“ schaffen könnten. Da ihre eigene Strategie, Russland militärisch zu besiegen und aus der Ukraine zu vertreiben, gescheitert ist, dürfte wohl eher es darum gehen, Trump wenigstens dazu zu bewegen, die Verluste für die Ukraine in Grenzen zu halten.

Wladimir Putin scheint Entgegenkommen signalisiert zu haben – nur wo?

Russland besteht darauf, dass die Ukraine Gebietsverluste anerkennt und fordert angeblich auch den gesamten Donbass. Putin lehnt eine schnelle Waffenruhe ab und setzt stattdessen auf eine Fortsetzung der militärischen Präsenz, um seine Verhandlungsposition zu stärken – seit Monaten sind die Russen in der Offensive und machen Fortschritte.

Insgesamt verfolgt Putin bisher eine harte Linie, die auf maximale territoriale und strategische Gewinne abzielt. Andererseits ist er an einem Ende der Sanktionen interessiert und an einem besseren Verhältnis zu Amerika. Und der Krieg in der Ukraine ist auch für sein Land (die NATO schätzt die Zahl der gefallenen russischen Soldaten auf 800.000) verlustreich. Was genau er mit Trump in Alaska besprochen hat, wird möglicherweise im Zuge der heutigen Gespräche deutlicher werden. Fest steht, dass beim Treffen Fortschritte erzielt werden konnten, sonst wäre der Termin heute im Weißen Haus nicht zustande gekommen. Damit hat Trump schon jetzt mehr erreicht als die Europäer in drei Jahren.

Mehr zum Thema: Trump-Putin-Beben! Ukraine soll Nato-Schutz bekommen! I NIUS Live am 18. August 2025

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