
Darauf hat die Welt gewartet: EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU) bekommt am Himmelfahrts-/“Vater“-Tag im Krönungssaal des Aachener Rathauses den 75. Karlspreis der Stadt Aachen. Da an diesem Tag wegen des angesagt schlechten Wetters die Biergärten leer sind und eine „Public-Viewing“-Übertragung des Festaktes ausfallen muss, wird sich das Volk nolens volens den Aachener Festakt ab 11.15 Uhr auf dem Kanapee qua WDR-Liveübertragung reinziehen. Irgendein Begleitprogramm braucht man ja zur Vernichtung der auf Vorrat angeschafften Grillspieße, Nackensteaks, Bierfässchen und Sixpacks.
Also feiern wir die größte, schier royale EU-Lichtgestalt, wo gibt, und die „mächtigste Frau der Welt“ (Forbes) vor der Glotze. Wofür eigentlich? Dass das EU-Volk sie nie gewählt hat, ja – wiewohl zur sog. Europawahl 2024 CDU/CSU-Spitzenkandidatin – nicht einmal wählen konnte? Weil wir es nicht wissen, haben wir uns die Begründung des 19-köpfigen Preisdirektoriums reingezogen: „Für ihre Verdienste um die Einheit der Mitgliedstaaten, die Eindämmung der Pandemie, die Geschlossenheit des Verteidigungswillens gegen Russland und die Impulse zum Green Deal einerseits sowie zur Ermutigung gegenüber den anstehenden Aufgaben.“ So begründet das Direktorium des Internationalen Karlspreises, dass seine Wahl in diesem Jahr auf Frau von der Leyen gefallen ist. Die 66-Jährige wird dann eine Urkunde, die dazugehörige Medaille mit dem Bildnis Karls des Großen sowie ein Preisgeld von erstmals einer Million Euro erhalten. Dieses Preisgeld soll in Abstimmung mit der Preisträgerin europäische Projekte (nein, nein, nein, nicht den Kauf von Pfizer-Vakzinen!) finanzieren. Möglich macht diese finanzielle Ausstattung des angeblich „bedeutendsten politischen und gesellschaftlichen Preises in Deutschland“ das Engagement der privaten DSA Schäfer-Schulz-Stiftung. „DSA“ heißt übrigens nicht Digital Service Act (DSA) wie das neue EU-Bespitzelungsprogramm, sondern „Daten- und Systemtechnik GmbH“.
Ja, ja, so ehrt man sich als Spender selbst mit. Ebensolches tun ja auch die 19 Damen und Herren, die zum Direktorium des Karlspreises zählen: etwa die Oberbürgermeisterin von Aachen Sibylle Keupen (parteilos-grün), Ex-NRW-Ministerpräsident und Aachen-MdB Armin Laschet (CDU) sowie Vertreter von fünf der zehn Stadtratsfraktionen. Früher wurden mit dem Karlspreis schon auch mal wichtige Leute ausgezeichnet: Jean Monnet (1953), Václav Havel (1991), die Päpste Johannes Paul II (2004) und Franziskus (2016). Wiederholt aber war der Karlspreis ein Flop. Es bekamen ihn so illustre Leute wie 2006 Jean-Claude Juncker (Vorgänger von der Leyens als Präsident der EU-Kommission). Das ist der, der schon auch mal sagte: „Wenn es ernst wird, muss man lügen.“ Oder 2019 der UN-Obersozialist António Guterres. Und 2008 natürlich Angela Merkel. 2008: Da war allerdings noch nicht erkennbar, dass sie zur Spalterin Europas werden würde.
Als Ehrengäste sammeln sich diesmal in Aachen einige ehemalige Karlspreisträger wie Jean-Claude Juncker (siehe oben). Und Martin Schulz (SPD, Ex-Präsident des „Europäischen Parlaments“). Das ist der, dessen einziger, aber wahrlich ehrlicher und erinnerungswürdiger Satz nach wie vor Bestand hat: „Wäre die EU ein Staat und würde sie einen Antrag zum Beitritt zur EU stellen, so würde dieser wegen sichtlicher demokratischer Defizite abgelehnt“ (1. Juli 2013, Tagesgespräch „Phoenix vor Ort“).
Dazu kommt alles nach Aachen, was geopolitisch von Bedeutung ist: Robert Abela (Premierminister von Malta), Luc Frieden (Ministerpräsident von Luxemburg), Albin Kurti (Premierminister des Kosovo) und Edi Rama (Premierminister von Albanien). Ferner Hendrik Wüst, NRW-Ministerpräsident. Nee, nee, nee, Trump, Putin und Papst Leo XIV. kommen nicht. Haben wohl keine Zeit. Ursula wird zumindest zwei davon zu gegebener Zeit ohnehin heimsuchen.
Das hätten wir beinahe vergessen: Der spanische König Filipe VI. soll eine Rede halten, der deutsche Kanzler Merz ebenso. Wetten, dass Merz die Lichtgestalt und Parteigenossin Ursula von der Leyen nach allen Seiten ausleuchten wird!? Wir setzen mindestens ein Sixpack darauf.
Eines wird Merz nicht tun: Er wird sich nicht an das jüngste Urteil des Europäischen Gerichtshofs erinnern. Dieser hatte am 14. Mai 2025 festgehalten: Von der Leyen muss endlich ihre SMS-Kommunikation offenlegen, mit der sie 2021 mutmaßlich einen Milliarden-Deal mit Pfizer-Chef Albert Bourla einfädelte. Weil die Firma AstraZeneca Lieferprobleme hatte, bestellte vdL bei Pfizer für den Preis von mehr als 30 Milliarden Euro einige Millionen Anti-Corona-Impfdosen. Wie das zustandekam, soll niemand wissen. Wie damals 2019, als das Diensthandy der Verteidigungsministerin von der Leyen nicht zur Verfügung stand, um die 200 Millionen teuren, von der Ministerin initiierten Beraterverträge aufzuklären. Nun, Rettung kam damals durch die Übersiedlung nach Brüssel.
Apropos Pfizer-CEO Albert Bourla und von der Leyen: Die beiden bekamen am 10. November 2021 in Washington zusammen den „Atlantic Council’s 2021 Distinguished Leadership Awards.” In ihrer Dankesrede legte von der Leyen schon mal dar, was da läuft. Sie sagte (Übersetzung): „…. ich habe vor zehn Monaten zum ersten Mal mit Albert Bourla gesprochen. Als die Pandemie die Welt traf, beschloss Albert, ein Risiko einzugehen. Gemeinsam mit Präsident Ugur Sahin und Dr. Özlem Türeci beschloss er, Milliarden in eine vielversprechende, aber noch unerprobte Technologie zu investieren. So begann die Erfolgsgeschichte des BioNTech-Pfizer-Impfstoffs. Ein auf mRNA-Technologie basierender Impfstoff war zuvor weder zugelassen noch in Massenproduktion hergestellt worden. Aber Sie, Albert, vertrauten Ihrer Arbeit, und wir vertrauten einander. (Hört, hört!) Und nachdem Sie Ihren Impfstoff gegen COVID-19 entwickelt hatten, starteten Sie sofort die Massenproduktion, ohne die Zulassung abzuwarten – eine Entscheidung, die als riskant und unorthodox beschrieben wurde. Sie entschieden sich, Milliarden von Dollar aufs Spiel zu setzen, denn wenn Sie es nicht versuchten, würde die ganze Welt dafür bezahlen. Und dadurch hätten Sie und Ihr Team möglicherweise Millionen von Leben retten können.“
Nein, nein, nein: Wir wollen in diese Sätze nicht hineingeheimnissen, dass vdL hier am großen Rad mitgedreht hat. Aber wir können auch nicht ausschließen, dass es nach solchen Live-Begegnungen keiner SMS-Kommunikation mehr bedurfte.