Ann-Katrin Kaufhold: Eine klimabewegte Kulturmarxistin als Verfassungsrichterin?

vor 4 Tagen

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Bildquelle: Tichys Einblick

Gibt es eine Steigerung von „untragbar“? Eigentlich nicht. Dennoch ist man mittlerweile geneigt, die Frage zu stellen, welche der zwei SPD-Richterkandidatinnen die untragbarere ist.

Die eine, Frauke Brosius-Gersdorf, ist als Verfassungsrichterin unter anderem deshalb untragbar, weil sie die „Würde des Menschen“ für Ungeborene diskutiert,  als Befürworterin eines AfD-Verbots jetzt schon befangen an diese Frage herangeht, und für eine Impflicht ist, weil sie Gesetzestexte inkl. Grundgesetz „gendern“ will, und weil sie Zweifel an der Verfassungswidrigkeit eines Kopftuchverbotes für Lehrerinnen und Rechtsreferendarinnen hat.

Ihr ideologisches Grundgerüst hat Kaufhold in einem 20 Seiten umfassenden Kapitel einer Publikation dargelegt, die 2025 erschienen ist und unter anderem von ihrer Habilitandin Heitzer und drei weiteren Mitarbeitern ihres Münchner Lehrstuhls herausgegeben wurde. Titel des Bandes: „Protestkulturen – Kontroversen um Klima und Umwelt im demokratischen Verfassungsstaat“.

Kaufholds Kapitel ist überschrieben mit: „Protest und Partei – Über das notwendige Zusammenwirken zweier Formen kollektiver politischer Artikulation“. Kaufhold zeigt hier nicht nur viel Sympathie für Protestformen wie „Friday for Future“ und „Letzte Generation“. Sie erweist sich auch als Jüngerin und Epigonin des Mitbegründers der italienischen KP Antonio Gramsci (1891 – 1937). Und dessen Strategie eines marxistischen Kulturkampfes, mit dessen Hilfe man die „kulturelle Hegemonie“ erringen müsse.

Kaufhold scheint eine Freundin von Protest- und Graswurzelbewegungen zu sein. Als „wichtigere“ und “demokratischere“ politische Ausdrucksform. Wichtiger als was? Wichtiger als Parlamentarismus? Muss man dazu folgende zwei Sätze Kaufholds eigentlich noch interpretieren?

So schreibt Kaufhold: „Wer Protest als Indikator, Verstärkung oder Weg aus der Krise politischer Parteien versteht, rückt die Konkurrenz zwischen den beiden Formen kollektiver politischer Artikulation in den Vordergrund und konzipiert sie als Alternativen. Erst und nur diese Grundkonzeption als Konkurrenzverhältnis macht die Anschlussfrage danach sinnvoll, welches die für eine demokratische Gesellschaft einflussreichere, nachhaltigere, „demokratischere“ oder jedenfalls irgendwie „wichtigere“ politische Ausdrucksform ist, die deshalb den Bezugs- und Fluchtpunkt aller Bemühungen um die Stabilisierung der Demokratie bilden sollte.“

Sodann: Sie wolle „vorschlagen, Proteste in tatsächlicher und normativer Hinsicht als Instrument zur Erlangung kulturelle Hegemonie im Sinne von Gramsci, Laclau und Mouffe zu lesen und damit als Bedingung der Möglichkeit fundamentaler gesellschaftlicher Veränderungen zu verstehen. Ökologische Proteste machen es politischen Parteien danach erst möglich, jenen grundlegenden sozial-ökologischen Wandel zu bewirken, den die Jahrhundertaufgabe Klimaschutz erfordert.“

Kaufhold scheint geprägt – und kritiklos begeistert – von „Friday for Future“, teilweise auch von der „Letzten Generation“. Welchen Weg diese beiden Bewegungen genommen haben, blendet die Juristin aus: Die Klimakleberei auf Straßen und Start- und Landebahnen, das Blockieren von Autobahnen, die gewalttätigen Aktionen um Lützerath usw. Auch das Abtriften der vormaligen Klima-Ikone „Greta“ in den aggressiven Antisemitismus kommt bei Kaufhold nicht vor. Sie subsumiert all diese Proteste als „demokratischen Input“, gar als „Bedingung der Möglichkeit fundamentaler gesellschaftlicher Veränderungen.“ Auch das von FfF hochgerühmte Dogma „Follow the Science“ stellt Kaufhold nicht in Frage. Obwohl es „die“ Wissenschaft, auch „die“ einheitliche Klimawissenschaft, freilich nicht gibt.

Zugleich setzt Kaufhold sprachlich die Genderideologie um, ganz im Sinne Brosius-Gersdorfs: Die Pluralbildung des gängigen „generischen Maskulinums“ wischt sie mehrmals mit der Pluralbildung eines „generischen Femininums“ beiseite: „Wahlbewerberinnen, Politikerinnen, Bürgerinnen, Aktivistinnen, Repräsentantinnen, Kandidatinnen, Vertreterinnen.“ Männer sind demgemäß „mitgemeint“.

„Folgt man Gramsci, haben Protestbewegungen, nicht aber Parteien das Potential, eine Neudefinition gesellschaftlicher Grundüberzeugungen zu bewirken, die kulturelle Hegemonie damit zu verschieben und die Möglichkeit grundlegender gesellschaftlicher Veränderungen zu schaffen.“, so Kaufhold.

Dreizehnmal nennt Kaufhold in ihrem Text den marxistischen Philosophen und Politiker. Antonio Gramsci (1891–1937) war Abgeordneter, 1919 Begründer der Zeitschrift L’Ordine Nuovo (Die neue Ordnung), 1921 Mitgründer der Kommunistischen Partei Italiens. 1926 wurde er trotz Immunität verhaftet und 1927 zu 20 Jahren Kerkerhaft verurteilt. Dort schrieb Gramsci 2848 Seiten Tagebuch, veröffentlicht als 32 Bände »Gefängnishefte«. Gesundheitlich angeschlagen starb er 1937 kurz nach seiner Freilassung.

Gramsci gab in seinen »Gefängnisheften« als Ziel an, die kulturelle und politische Hegemonie zu erringen, vor allem in den Bildungsanstalten, in Kulturszenen und in den Medien. Gramscis Ansatz ist ein ähnlicher wie Trotzkis Taktik des »Entrismus«. Trotzki (1879 – 1949) meint damit das Eindringen in eine Organisation, zum Beispiel in die Arbeiterbewegung. Notfalls als »Überwinterungs-Entrismus« auf einem »Langen Marsch« im Sinne Mao Zedongs.

Als eine Art »Kulturguerilla« sind die Neo-Marxisten international denn auch in alle möglichen Institutionen vorgedrungen – bis weit hinein in die kulturmarxistisch ausgerichtete »Zivilgesellschaft« der »non-governmental organizations« (NGO), die sich mittlerweile eine Art halbstaatlicher Institutionalisierung erfahren. Sie müssten also »semi-governmental organizations« (SGO) genannt werden. Nach wie vor begeistert von Gramscis Kulturmarxismus ist die Rosa-Luxemburg-Stiftung, die der Partei »Die Linke« nahesteht. Sie schwärmt von ihm als produktivem Vordenker der Zivilgesellschaft.

Ann-Katrin Kaufhold schickt sich nun mit Hilfe der SPD an, ihre Programmatik ins Bundesverfassungsgericht einzubringen. Wenn das nicht erfolgreicher „Entrismus“ im Sinne Trotzkis ist! Die SPD setzt darauf. Die CDU/CSU-Union aber hat nicht begriffen, welcher Strategie die linken Akteure hier folgen. Sie begnügt sich mit macht- und polittaktischem Geplänkel und übersieht die Folgen der hier versuchten Unterwanderung des Bundesverfassungsgerichts vollkommen.

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