
Vor gut einem Jahr sorgte das Video einer Gruppe junger Erwachsener auf Sylt für bundesweite Furore. Sie sangen einen abgewandelten Liedtext zu dem bekannten 2000er-Partyhit „L’amour toujours“ von Gigi D’Agostino. Die Zeilen „Deutschland den Deutschen, Ausländer raus“ verbreiteten sich rasend schnell in sozialen Netzwerken und lösten bundesweite Empörung aus. In Folge des Videos ermittelte die Staatsanwaltschaft Flensburg gegen die Gruppe. Nun wurden die Ermittlungen wegen des Vorwurfs der Volksverhetzung jedoch eingestellt.
Konkret hat die Staatsanwaltschaft Flensburg die Ermittlungsverfahren gegen vier Beteiligte eingestellt. Nach Informationen der Welt fehlten nach Sichtung des Videomaterials ausreichende Anhaltspunkte für eine strafrechtliche Verfolgung. Der Gesang, so betonte eine mit dem Verfahren vertraute Person gegenüber der Zeitung, bleibe eine „Meinungsäußerung“, die von Artikel 5 des Grundgesetzes geschützt sei.
Die Staatsanwaltschaft erklärte gegenüber der Welt, dass „weder der Inhalt der Parolen noch die Gesamtumstände“ den „zweifelsfreien Rückschluss“ zulassen würden, dass eine „aggressive Missachtung und Feindschaft in der Bevölkerung erzeugt oder gesteigert werden“ sollte.
Das Video, das die Runde machte, zeigt eine junge Frau, die lachend den umgedichteten Refrain mitsingt, während ein Mann mit Sonnenbrille und Weinglas in der Hand einstimmt. Dann schwenkt die Kamera: Ein weiterer Mann, bekleidet mit weißem Hemd, zeigt in rhythmischer Bewegung eine Geste, die an den Hitlergruß erinnert, und formt mit zwei Fingern ein Hitlerbärtchen unter seiner Nase.
Diese Einlage blieb nicht folgenlos. Die Staatsanwaltschaft bewertete die Geste als Verstoß gegen das Verbot verfassungswidriger Kennzeichen, nach Paragraf 86a des Strafgesetzbuchs und erließ gegen den Mann einen Strafbefehl über 2.500 Euro. Sollte der Angeschuldigte die Strafe akzeptieren, bleibt er weiterhin als nicht vorbestraft registriert; auch das Führungszeugnis bliebe unbelastet.
Neben drei im Video direkt sichtbaren Personen wurde auch das Verfahren gegen eine vierte Person, die den Clip auf Social Media verbreitet hatte, eingestellt. Unabhängig von der strafrechtlichen Verfolgung hatte die Aufnahme für die betreffenden Personen jedoch bereits weitreichende Folgen.
Zeitweise plante die Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg, die junge Frau, die in dem Video sichtbar war, zu exmatrikulieren. Ende Mai 2024 kündigte die Universität an, dass der Exmatrikulationsausschuss der HAW ein Ausschlussverfahren gegen die Studentin prüfen würde. Am Ende kam der Ausschuss zu dem Schluss, dass die junge Frau weiter studieren dürfe (Apollo News berichtete). Ihren Job verlor sie trotzdem.
Der umgedichtete Song hat sich schon vor knapp zwei Jahren, im Herbst 2023, zu einer Art Internet-Meme entwickelt – als mehrere Männer bei einer Dorfparty im mecklenburg-vorpommerschen Bergholz die Parole „Ausländer raus, Deutschland den Deutschen“ anstimmten. Schon damals verbreitete sich das Video rasant im Internet – und wurde immer wieder nachgeahmt und veralbert.
Im vergangenen Jahr ermittelten nach Bekanntwerden solcher Fälle Staatsanwaltschaften in ganz Deutschland. Dabei kamen unter anderem die Staatsanwaltschaften Augsburg und Neubrandenburg zu dem Schluss, dass die Gesänge nach ständiger und geltender Rechtsprechung von der Meinungsfreiheit gedeckt seien und damit keine Volksverhetzung im Sinne des Paragraf 130 Strafgesetzbuch darstellen würden (mehr dazu hier).