Keine Stromsteuerentlastung für den Zahlmeister

vor etwa 4 Stunden

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Bildquelle: Tichys Einblick

Woran erkennt man, dass ein Politiker lügt? Er bewegt beim Sprechen die Lippen! Gleich zwei Lippenpaare verkündeten in dieser Woche anlässlich der Vorstellung des Haushaltsentwurfs für das laufende Jahr die harte Realität und mit ihr – selbstverständlich – eine Lüge: Es wird mit dieser Bundesregierung keine Senkung der Stromsteuer für Privathaushalte geben. Pech gehabt, die Kassen sind klamm und wir müssen als Gemeinschaft Verantwortung übernehmen. Immerhin geht es um das große Ganze, die Sanierung der Staatsfinanzen und die Rettung des Weltklimas!

Dass Bundesfinanzminister Lars Klingbeil (SPD) dennoch in der Lage ist, fiskalpolitische Akzente zu setzen, den Sozialetat um sechs Prozent zu expandieren, und dass es ihm gelungen ist, 60 Milliarden Euro weiterer Schulden in einem der boomenden Sondervermögen zu parken, sollte uns aufatmen lassen – es sichert für einige Monate den sozialen Frieden im Land.

Genug der Ironie. Die Lage in Deutschland ist zu ernst. Man sollte sich nicht noch zynisch über das Elend erheben, das sich Tag für Tag in der Wirtschaft und auf den Straßen als Niedergang und vulgärer Verfall der Sitten offenbart. Und das Elend hat einen neuen Namen: Friedrich Merz. Seiner Verantwortung als Bundeskanzler obliegt die Flut der aufgedeckten Politikerlügen in diesen Tagen. Sicherlich: die Spitze des Eisbergs aus Täuschungen und politischen Volten war die von langer Hand vorbereitete Schuldenorgie, in die Merz die Bundesrepublik stürzen wird.

Dass sich ausgerechnet Deutschland, Anker haushaltspolitischer Stabilität der Europäischen Union, an den das Kreditmodell der Eurozone vertäut vor sich hindümpelt, nun mit hunderten Milliarden neuer Schulden in den kommenden Jahren in die Reihe der mediterran-leichtfüßigen Fiskalfatalisten einreiht, ist tragisch, entbehrt nicht einer gewissen komischen Komponente.

Wer erinnert sich nicht an die arrogant-selbstherrliche Attitüde deutscher Politiker während der Griechenland-Krise vor eineinhalb Jahrzehnten? Trat das Land nicht seinerzeit als der personifizierte, erhobene Merz-Zeigefinger auf und zwang nicht die Troika im Berliner Marsch den Süden der Eurozone unter sein Austeritätsdiktat? Doch das sind längst vergangene Zeiten. Deutschland ist heute der woke Moralchampion und Taktgeber auf dem Pfad zur Klimarettung.

Selbstverständlich ist der Sturz Deutschlands in die Schuldenfalle ein dramatisches Ereignis. Dennoch werden die Bürger den Koalitionsbruch im Falle der Stromsteuer lange vor der fiskalischen Klippe als enormen Vertrauensbruch registrieren. Politiker wissen genau, dass Wahlen ganz entscheidend durch monetäre Versprechungen gewonnen werden. Kampagnen setzen folgerichtig dort an, wo es in den Haushaltskassen klamm wird, wie im Falle der explodierenden Stromrechnungen.

Es pfeifen die Spatzen doch auch in Berlin längst von den Dächern, dass die Energiewende sowohl an der Physik als auch an der Logik der Märkte gescheitert ist. Ausdruck des Scheiterns sind die Strompreise, die im Vergleich zu anderen Regionen Europas oder mit Nordamerika biblische Ausmaße angenommen haben.

Der durchschnittliche Haushaltsstrompreis lag 2014 bei 29 Cent/kWh, 2019 bei 30,4 Cent, heute pendelt er bei etwa 42,3 Cent/kWh – ein Plus von 40 Prozent in nur fünf Jahren, obwohl die Preise an der Strombörse fallen. Hauptgrund: Über 75 Prozent des Endpreises sind Steuern, Umlagen und Abgaben. Die Stromsteuer allein – 2,05 Cent/kWh – liegt etwa 20-mal höher als der vorgegebene EU-Mindestwert. Die versprochene Absenkung auf 0,1 Cent wäre ein überfälliges Signal an die Bürger gewesen, dass Politik die Bereitschaft zeigt, die veritablen Existenznöte ernst zu nehmen. Selbstverständlich wäre auch dieser Schritt nicht der große Wurf, lediglich ein symbolischer Schritt zum Rückbau der übermäßigen Belastung durch die gescheiterte Energiewende. Dennoch: Lüge bleibt Lüge.

Es war zu erwarten, dass die Politik der Versuchung erliegen würde, Stimmen genau an diesen neuralgischen Punkt einzukaufen und das Versprechen zu proklamieren, bei den Energiekosten Druck vom Kessel zu nehmen. Mit diesem Versprechen wurde während des Wahlkampfes geworben und es wurde Schwarz auf Weiß im Koalitionsvertrag zwischen Union und SPD festgehalten. Dort heißt es auf Seite 30: „Wir wollen Unternehmen und Verbraucher in Deutschland dauerhaft um mindestens fünf Cent pro kWh mit einem Maßnahmenpaket entlasten. Dafür werden wir als Sofortmaßnahme die Stromsteuer für alle auf das europäische Mindestmaß senken und Umlagen und Netzentgelte reduzieren.“

Wir wollen uns an dieser Stelle den Hinweis und weitere Ausführungen ersparen, dass bereits das Diktat einer Mindeststeuer auf den Verbrauch von Strom durch Brüssel, um es höflich zu formulieren, eine Anmaßung ist. Dass der deutsche Verbraucher seit Jahr und Tag allerdings für das politische Chaos aus ideologischen Subventionen (Windmühlen in Wäldern), Umlagen, EEG und Netzentgelten mit seinem hart erarbeiteten Geld den Kopf hinhalten muss, bleibt eine der großen politischen Sünden unserer Zeit.

Und was wird aus dem Lügenbaron im Kanzleramt? Wer vor der Bundestagswahl auf einen politischen Kurswechsel gesetzt hat, sieht sich heute mit der harten Realität konfrontiert. Merz entpuppt sich als ein Beschleuniger grüner Politik, als ein Prätorianer Brüssels, das in den Hauptstädten der Europäischen Union nichts anderes erkennt als Filialstellen seines ideologischen Klimakults.

Merz-Wähler, die auf eine politische Wende hofften, mussten, um eine tatsächliche Wende zu initiieren, davon ausgehen, dass ihr favorisierter Kandidat die Axt an das Herzstück der Brüsseler Machtzentrale legen würde – an den Green Deal. Politische Strafaktionen wie die Stromsteuer, die CO2-Abgabe oder die weiter steigenden Mautabgaben sind Derivate des Green Deal. Sie sollen Verhaltensänderungen herbeiführen und zugleich die Kassen des wuchernden Bürokratenstaates füllen.

Merz-Apologeten müssen sich also die Frage gefallen lassen, wie wahrscheinlich es war, dass einer der Proponenten der Brüsseler Machtpolitik den Konsens brechen würde und der Brüsseler Klimamaschine Sand ins Getriebe streuen würde. Die Union unter Merz ist keine Alternative, sondern der verlängerte Arm eines Systems, das sich zwischen Berlin, Brüssel und der Klimabewegung ideologisch zementiert hat.

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