
Seine letzten Worte bekommt er nicht mehr heraus: Die Schlussworte von Christoph Heusgen, Chef der Münchner Sicherheitskonferenz, versinken in seiner erstickten Stimme. Heusgen ist sichtlich emotional, als er seine Ansprache beendet – die letzte als Chef der renommierten Sicherheitskonferenz.
Viele Kommentatoren meinen, dass seine Reaktion auch mit der historischen Rede von US-Vizepräsident Vance zu tun haben könnte. Seine Ansprache war sicherlich vor allem gemeint, als Heusgen die Konferenz als einen „europäischen Albtraum“ bezeichnete. Aber die Europäer träumen nicht – sie sind nur unsanft aufgewacht. Und mit ihnen Christoph Heusgen.
Heusgen war, bevor er Chef der Münchner Sicherheitskonferenz wurde, Deutschlands Botschafter bei den Vereinten Nationen – dort bekleckerte er sich ebenso wenig mit Ruhm wie in seinem vorigen Job als außenpolitischer Chefberater Angela Merkels. Von 2005 bis 2017 war Heusgen somit Architekt der merkelschen Außenpolitik.
Nun wäre es bei einem Architekten, dessen Konstruktionen krachend in sich zusammengestürzt sind, doch höchst seltsam, ihn zu einer Art Grande der architektonischen Welt zu machen, zum Vorsitzenden des internationalen Architektur-Kongresses. Christoph Heusgen ist jedoch genau das passiert – die Außenpolitik, die er konstruierte, ist längst zusammengebrochen. Dennoch durfte Heusgen über Jahre noch in München der Sicherheitskonferenz vorsitzen und quasi Außenpolitik-Papst spielen. Er war schon lange nicht viel mehr als ein Relikt einer zurecht vergangenen Ära – gleichzeitig mit seinem Abgang wird durch US-Vize Vance eine neue Ära eingeleitet.
Die alte Ära trug Heusgens Handschrift – und hinterließ Ruinen. Heusgen war als Merkels außenpolitischer Guru eine treibende Kraft hinter dem Iran-Atomabkommen, hinter den Minsker Verträgen mit der Ukraine und Russland und hinter Deutschlands fataler Gas-Politik. Auf jedem der fatalen Merkel-Irrtümer in der deutschen Außenpolitik steht im Grunde neben ihrem auch Heusgens Name.
Das Iran-Atomabkommen ist nicht nur Geschichte, es hat das islamistische Regime in Teheran sogar noch gestärkt. Inzwischen hat der Iran auch Mengen an gefährlich angereichertem Uran angehäuft, die auch die Internationale Atomenergiebehörde IAEA die Sorgenfalten ins Gesicht treibt. Der Politikansatz hinter dem Abkommen – auf ganzer Linie gescheitert.
Als Deutschlands Chefdiplomat bei den Vereinten Nationen machte Heusgen sich als „Israelkritiker“ einen Namen. Unter seiner Führung machte Deutschland bei beschämenden und in der Sache falschen Anti-Israel-Abstimmungen mit, und zwar so oft, dass das Simon-Wiesenthal-Center Heusgen in seiner Top 10 der schlimmsten Antisemiten des Jahres aufnahm. Auch aktuell argumentiert er für die Festnahme Benjamin Netanjahus durch deutsche Behörden – für ihn wäre das der richtige Schluss aus der deutschen Geschichte, bekennt er.
Heusgen ist das Gesicht ungefähr jeder außenpolitischen Fehlannahme der letzten Jahrzehnte – dass er Chef der Münchner Sicherheitskonferenz sein und auf dem Stuhl Wolfgang Ischingers Platz nehmen durfte, war eine unverdiente Belobigung. Sein tränenreicher Abgang ist symbolisch, seine Worte über einen „europäischen Albtraum“ entlarven die versammelte außen- und sicherheitspolitische „Elite“ des Kontinents als Schlafmützen. Sie träumen nicht – in Wahrheit haben sie die letzten Jahre im Tiefschlaf verbracht.
Auf Trump und seine Sicht auf die transatlantischen Beziehungen hätte man sich einstellen können – das hat man verpennt, weil man lieber von Harris träumte. Jetzt wurde man eben von JD Vance unsanft geweckt. Dass Begreifen durch Empören ersetzt wird, offenbart derweil, wie bräsig, unfähig und selbstverliebt die sogenannten Eliten der Außen- und Sicherheitspolitik geworden sind, die sich schon sicher waren mit dem „Ende der Geschichte“, der friedlichen Freundschaft Wladimir Putins, dem romantisch-verklärten Multilateralismus und anderen, krassen Fehlannahmen.
Heusgen war ihr Tribun – sein Abgang markiert hoffentlich das Ende eines außenpolitischen Establishments, das in den Fragen der Zeit historisch fatal falsch gelegen hat. Ihr „Albtraum“ ist die Realität, die sie viel zu lange verschlafen haben – die klopft jetzt an.