
Der Verfassungsschutz stufte die AfD als „gesichert rechtsextremistische Bestrebung“ ein – eine Bewertung, die auf einem über 1.100 Seiten langen internen Gutachten basiert. Die Einstufung wurde mittlerweile vorerst zurückgenommen. Die AfD hat am Freitag juristische Schritte gegen die öffentlich gewordene Einstufung durch das Bundesamt eingeleitet und einen Eilantrag gestellt.
Die Bild hatte vollständigen Einblick in das Dokument und hat entscheidende Teile davon veröffentlicht. Das als vertraulich eingestufte Dokument enthält zahlreiche Zitate, Veröffentlichungen und Aktivitäten von Parteimitgliedern, die als Beleg für verfassungsfeindliche Tendenzen angeführt werden. Apollo News sprach mit dem renommierten Verfassungsrechtler Professor Rupert Scholz über den Inhalt des Gutachtens und die Arbeit des Verfassungsschutzes. Scholz war u.a. Bundesverteidigungsminister und Vorsitzender des Rechtsausschusses des deutschen Bundestages.
Apollo News: Im Zentrum kritisiert der Verfassungsschutz einen „ethnisch-abstammungsmäßigen Volksbegriff“ bei der AfD. Wie sehen Sie das?
Rupert Scholz: Der Nationenbegriff, der im Grunde ja vorverfassungsrechtlich ist, stützt sich auf zwei Dimensionen: zum einen auf den ethnischen Nationenbegriff, bei dem es um Abstammung geht, und zum anderen auf den Bereich der Kulturnation, bei dem es um Einbürgerungen geht. Der ethnische Nationsbegriff ist insofern selbstverständlich mit der Verfassung vereinbar. Problematisch wird es lediglich, wenn dieser ethnische Nationsbegriff als allein gültig dargestellt wird. Doch auch eine solche Auffassung ist nicht per se verfassungswidrig. Bei der AfD lässt sich meines Erachtens auch nicht erkennen, dass insgesamt in diese Richtung gedacht oder argumentiert wird. In ihrem Programm steht ausdrücklich, dass sie jeden, der die deutsche Staatsangehörigkeit hat, gleich behandelt – egal, ob ethnisch oder qua Einbürgerung.
Apollo News: Wie ist dann die Einstufung „gesichert rechtsextremistisch“ anhand dieses Nationenbegriffs zu rechtfertigen?
Rupert Scholz: Eine solche Einschätzung ist dann völliger Unsinn.
Apollo News: Inwieweit kann die Unterscheidung zwischen „Deutschen“ und „Passdeutschen“ als Angriff auf die Menschenwürde gewertet werden?
Rupert Scholz: Es gibt nun mal eben Deutsche, die als solche geboren wurden, und Deutsche, die im Laufe ihres Lebens eingebürgert werden. Rechtlich sind beide absolut gleichgestellt. Ich sehe nicht, dass die AfD die Gleichheit vor dem Gesetz hier grundsätzlich in Frage stellen würde.
Apollo News: Wie schätzen Sie das Gutachten nach dem aktuellen Kenntnisstand in der Gesamtbetrachtung ein?
Rupert Scholz: Die Einstufung ist letztlich nicht schlüssig. Die Interpretation, die der Verfassungsschutz in die Zitate hineinlegt, ist oft nicht in Ordnung. Die AfD als Ganzes ist durch dieses Gutachten meines Erachtens nicht angreifbar und lässt sich auf dieser Grundlage auch nicht verbieten.
Apollo News: Wie stehen Sie dazu, dass der Verfassungsschutz die Einstufung nun erst einmal vorläufig ausgesetzt hat?
Rupert Scholz: Das wird das Gericht angeregt haben. Das Entscheidende hierbei ist, dass der Verfassungsschutz mit dieser neuen Einstufung an die Öffentlichkeit gegangen ist, ohne zuvor den Betroffenen, sprich der AfD, die Gelegenheit zu geben, sich dazu zu äußern. Das war ein eklatanter Rechtsverstoß, der dort begangen wurde. Dieser Rechtsverstoß wurde wohl auch offenkundig vom Gericht zum Anlass genommen, um dem Verfassungsschutz klarzumachen: bis wir entscheiden, kommt das Ding erst einmal vom Tisch.
Apollo News: Wie sehen Sie die Rolle von Nancy Faeser dabei?
Rupert Scholz: Es ist eine Art Abschiedsgeschenk an ihre Genossen – wirklich unerhört. Faeser hat ja zugegeben, dass sie das Gutachten selber gar nicht gelesen oder geprüft hat, obwohl das ihre Aufgabe gewesen wäre. Das ganze Vorgehen ist nicht professionell und politisch getrieben – so geht es nicht.
Apollo News: Vielen Dank für Ihre Einschätzung.