Kevin Kühnert nimmt Abschied von der Politik: Haben ihn die Niederlagen zermürbt?

vor 7 Monaten

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Am Ende blitzt noch einmal das auf, was Kevin Kühnert innerhalb weniger Jahre in die Spitze der SPD gespült hat: „Politik lebt vom Wechsel“, schreibt er in seinem Abschiedsbrief. „Das ist gut so. Eine Partei lebt von der Kraft ihrer Idee – nicht bloß davon, wer die Idee in Talkshows erklärt. Die SPD hat alle Chancen, weil sie eine zeitlos richtige Idee vertritt. Wir werden gebraucht. Nur Mut!“

Es sind Sätze wie diese, die eine Partei hören will: „Wechsel“ als Normalität – das klingt bescheiden. Da nimmt sich einer zurück und nicht so wichtig. Es klingt demokratisch und auch ein wenig überlegen, denen gegenüber, die an ihren Sesseln kleben. Und dass sie „eine zeitlos richtige Idee“ vertreten, hören die Genossen ebenfalls gern, obwohl die klügeren unter ihnen wissen, dass es keine zeitlos richtigen Ideen gibt. Die „historische Mission der Arbeiterklasse“ hieß das bei Karl Marx und machte die Genossen zum Teil einer gewissermaßen schicksalhaften Menschheitsbewegung. Und schließlich: Wer hört nicht gern, dass er gebraucht wird!

Der Wähler brauchte Kühnerts SPD in letzter Zeit immer weniger. Die jüngsten Wahlkämpfe – Europa, Sachsen, Thüringen, Brandenburg – liefen für die SPD nicht so wirklich gut. Der Sieg in Brandenburg mit aller Kraft des Spitzenkandidaten und maximaler Abgrenzung vom SPD-Kanzler und Bundes-SPD bescherte ganze 1,7 Prozentpunkte Vorsprung vor der AfD. Und dass ein „Bündnis Sahra Wagenknecht“ (BSW) in acht Monaten unter der feixenden Hintergrund-Regie des Ex-SPD-Chefs Oskar Lafontaine zum Königsmacher in der politischen Arena aufsteigt, kann Kühnert auch nicht als Erfolg für sich verbuchen.

Ist Kevin Kühnert von den Wahlniederlagen der SPD zermürbt? Zugeben will und würde er das nie.

Kevin Kühnert bei einer Pressekonferenz nach der Europawahl.

„Jeder von uns muss und wird in dieser Kampagne über sich hinauswachsen“, schreibt Kühnert und vergisst sogar das Gendern. Welches die konkreten Hintergründe seiner „Krankheit“ sind, darüber hüllt sich sein Umkreis in Schweigen. Klar ist aber schon jetzt, dass Kühnert im Zuge der heraufziehenden Wahlkampfkampagne für die Bundestagswahl zunächst einmal die Abwehrschlacht gegen Vorwürfe hätte führen müssen, für die zurückliegenden Niederlagen verantwortlich zu sein, um sich dann in den Kampf gegen die aktuellen Umfragetiefs zu stürzen. Mit dem amtierenden Kanzler als Frontmann ein Kunststück, an dem man als 35-jähriger Generalsekretär mit Fug und Recht verzweifeln kann.

Denn, und das ist die Kehrseite von Kühnerts unbestreitbarem Rhetorik-Talent: Von vermeintlich „zeitlos richtigen Ideen“ kann man sich im Wahlkampf nichts kaufen, wenn es um zündende Slogans, charismatische Köpfe und Themen geht, deren Lösung sich die Wähler von der SPD erhoffen. Derzeit erhoffen sie eher nichts von der ältesten Partei Deutschland. Um in einer solchen Aufgabe aufzugehen, darf man kein Privatleben im Hinterkopf haben, das man zu versäumen fürchtet. Mögen die Völker Signale hören, Kühnert hört offenbar die seines Körpers und womöglich seiner Seele. In Zukunft sollen an Wahlabenden mal andere lange Gesichter machen.

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