Kinder-Propaganda im TV: Rachid (14) fragt Friedrich Merz, wie er das mit den kleinen Paschas gemeint hat

vor 3 Monaten

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Bildquelle: NiUS

Sat.1 strahlt eine Sendung zur Bundestagswahl aus, in der Kinder die Kanzlerkandidaten Olaf Scholz und Friedrich Merz befragen. Die Fragen werfen neue Fragen auf: Haben die Kinder sie sich selbst ausgedacht? Oder wurden sie ihnen von der Redaktion eingeflüstert? Irgendwas ist da faul.

„Was ist eigentlich der Unterschied zwischen euch beiden?“ Bei „Kannste (nochmal) Kanzler?“ (heute bei Sat.1, 20.15 Uhr) stellen 18 Schulkinder zwischen sieben und 14 Jahren Fragen an Kanzler Olaf Scholz und seinen Herausforderer Friedrich Merz. Schon 2021 hatten sich Scholz, Armin Laschet und Annalena Baerbock im Polit-Docutainment-Format „Kannste Kanzleramt?“ den Fragen von Kindern gestellt.

Und wonach fragen Kinder meistens? Nach Lieblingsessen oder Lieblingstieren? Nicht, wenn der Sender sie „redaktionell betreut“. Die Erwachsenen denken sich etwas dabei, wenn sie die Meinung der Kleinen einholen, die schließlich nicht gefragt wurden, ob sie Maskenzwang und Homeschooling in der Zweizimmerwohnung über Monate toll fanden. Es sind Wahlkampfzeiten, und welche Propaganda wäre verlockender als die mit manipulierbaren Unmündigen? Kindermund tut Wahrheit kund, heißt es, und so sind die Kleinen diesmal nicht Zielgruppe, sondern Mittel der Manipulation.

Kinder fragen Scholz: „Wenn Sie die Zeit als Kanzler zurückdrehen könnten, würden Sie etwas anders machen?“ (Mutmaßliche Antwort: „Nö.“)

Also konfrontiert Rachid den Unionskanzlerkandidaten Friedrich Merz mit dessen Aussage über arabische Schüler, die respektlos gegenüber Lehrerinnen auftreten („kleine Paschas“): „Ich hatte das Gefühl, dass Sie mich mit denen in einen Topf werfen!“ Merz‘ Aussage datiert in den Januar 2023, da war Rachid gerade 12 – fühlte er sich wirklich von dieser Aussage als kleiner Pascha diskriminiert? Höchst zweifelhaft. Hier drängt sich der Eindruck auf, dass die vermeintliche Verfehlung des CDU-Chefs (eine Feststellung, die wohl die meisten Eltern aus Erfahrung bestätigen könnten) noch einmal aufgewärmt werden muss.

Merz soll auch Fragen wie „Muss ich mit 18 in die Bundeswehr?“ und „Findest du eigentlich etwas nett an Olaf Scholz?“ beantworten. Schwierig, vor allem Letzteres. Wahrscheinlich, dass er noch einmal kandidiert. Der Kanzler wiederum wird von Jamilia gefragt: „Warum sind die Döner-Preise so teuer?“ Weil ich die Inflation befeuere und dauernd den Mindestlohn anheben möchte, kann er jetzt schlecht sagen. Ein anderes Kind fragt: „In deiner Regierung gab es ja sehr viel Streit. In meiner Schule gibt es einen Streitschlichter. Warum haben Sie als Chef den Streit nicht lösen können?“Weil er selbst Teilnehmer der Streitereien war. Nächste Frage. Nein, im Ernst: Fragen Kinder hier wirklich nach den Differenzen der zerbrochenen Ampel-Koalition? Denken sie sich solche Fragen tatsächlich selbst aus? In den sozialen Medien verbreitete Sat.1 kurze Videoschnipsel der Fragerunde im Klassenzimmer der Tesla Schule in Berlin-Pankow, die stutzig machen. So fragt ein Kind den CDU-Chef nach dem Fachkräftemangel in der Gastronomie. Was er, Merz, denn dagegen unternehmen wolle?

Tja, was macht Friedrich Merz gegen den Fachkräftemangel in der Gastronomie?

„In jeder Schulklasse gibt es Rollen. Ich sag’ Ihnen jetzt mal vier Beispiele: den Mädchenschwarm, den Klassenclown, der Streber und der Chaot. Wie würden Sie sich bezeichnen und als wen würden Sie Olaf Scholz bezeichnen?“, fragt der siebenjährige Finn. Als den, der von den anderen Kindern in den Papierkorb gesetzt und in der Pause in die Hecke geschubst wurde, könnte die Antwort lauten. Man darf gespannt sein, was Merz dazu eingefallen ist.

Sicher ist: Die Kinder waren nicht alle zufällig anwesend. So wurde der elfjährige Schüler Anton aus Amtzell von der Redaktion eingeladen, um das Allgäu und Kinder mit einer Behinderung zu vertreten, er reiste extra für die Sendung nach Berlin an. Anton interessiert sich persönlich für Krieg und Außenpolitik sowie für Umwelt und „Erderwärmung“. Alles klar. Laut der Schwäbischen Zeitung berichteten die Eltern des Fünftklässlers, den Produzenten sei es auch darum gegangen, eine möglichst vielseitige Gruppe zusammenzustellen (!). Im Vorfeld der Aufzeichnung erhielten die Schüler dann über mehrere Tage einen Crash-Kurs über die anstehende Bundestagswahl und die beiden Kanzlerkandidaten. Man habe sich dann gemeinsam Fragen überlegt und entwickelt und schließlich festgelegt, wer wann welche Frage stellt.

Wie viele und welche Fragen den Kindern auf den Nägeln brannten und welche ihnen von ihren redaktionellen Betreuern sanft in den Mund gelegt wurden, ist unklar. Verdreckte Schultoiletten, Unterrichtsausfall, Mobbing auf dem Schulhof und andere Missstände werden wohl eher nicht adressiert, dafür stehen neben dem Ukraine-Krieg etwa Klimaschutz, drohende Arbeitslosigkeit und Migration auf der Agenda.

Kinder im Dienste der TV-Propaganda: die Klasse in der Tesla Schule.

Noch dreister ging ProSieben (dieselbe Sendergruppe) vor der letzten Bundestagswahl vor: Klaas Heufer-Umlauf (die eine Hälfte von Joko & Klaas) ließ für seine Show „Late Night Berlin“ zwei Kinder mit Fragen auf die Kanzlerkandidaten Armin Laschet und Olaf Scholz los. Die interessierten sich überraschend für den Wirecard-Skandal und „ertrinkende Kinder im Mittelmeer“ sowie das Vorgehen der Polizei gegen radikale Aktivisten im Hambacher Forst.

Highlight war Romeos Frage an Laschet: „Ist Maaßen ein Nazi?“, gefolgt von „Ist Hans-Georg Maaßen ein Rechter?". Was Kinder eben so fragen, wenn jemand aus der Redaktion über den „Knopf im Ohr“ souffliert. Wie die Welt berichtete, ging der damalige Unionskanzlerkandidat davon aus, dass die Fragen nicht frei von den Kindern gestellt wurden. Mitarbeiter der Sendung sollen sie während des laufenden Interviews gebrieft haben. ProSieben-Pressesprecher Christoph Körfer sagte später der WAZ: „Selbstverständlich wurden die beiden Nachwuchs-Journalist*innen vor, während und nach ihren Interviews mit den Kanzlerkandidat*innen redaktionell betreut.“ Während. Keine weiteren Fragen, Euer Ehren.

Im Deutschlandfunk sagte Autor Tim Wiese, der im Deutschlandfunk Kultur die Kindersendung „Kakadu“ moderiert: „Ich hatte sofort das Gefühl, da kann irgendwas nicht stimmen“. „Abwegig ist, dass ein Kind in aller Ausführlichkeit wissen will, wer Hans-Georg Maaßen ist. Eine andere Frage war ja, ob man Putin als Mörder bezeichnen darf. Das wirkte alles schon sehr ferngesteuert. Ich hatte gleich das ungute Gefühl, die Kinder werden da benutzt. Mir war da ziemlich klar, da muss ein Knopf im Ohr sein.“ Die Kinder seien „ferngesteuert“ und „benutzt“ worden: „Das kommt mir sehr unlauter vor, weil die eben gar nicht wissen, worauf sie sich da einlassen. Sie fungieren dann als eine Art Marionette.“

Man darf getrost davon ausgehen, dass auch die meisten Fragen an Scholz und Merz eher den Oberstübchen der Sat.1-Redaktion als denen der Kinder entsprungen sind. Man kann ja gar nicht früh genug anfangen mit der Indoktrination. Und was die Öffentlich-Rechtlichen können, kann man im Privatfernsehen auch.

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