Kirchenasyl in Bremen: Menschenkette verhindert Abschiebung eines Somaliers – Polizei kapituliert

vor 5 Monaten

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Etwa hundert Aktivisten und ein Pastor haben verhindert, dass die Bremer Polizei einen nicht asylberechtigten Somalier aus dem Kirchenasyl holen und nach Finnland abschieben konnte. Die Beamten zogen unverrichteter Dinge wieder ab.

Zum ersten Mal sollte in Bremen ein Kirchenasyl geräumt werden – und die Aktion scheiterte kläglich: Rund hundert teilweise vermummte Aktivisten erwarteten die Polizisten, die um kurz nach 3.00 Uhr nachts mit drei Mannschaftswagen vor der Zionskirche in der Neustadt eingetroffen waren, um Ayoub I. mitzunehmen.

Der 25-jährige Somalier sollte nach Finnland rücküberstellt werden, wo er, aus Russland kommend, zuerst registriert worden war. Nach den Dublin-Regeln ist daher das Erstaufnahmeland Finnland für sein Asylverfahren zuständig. Dort aber habe man gedroht, ihn wieder über die finnisch-russische Grenze zu schaffen, daher sei er nach Deutschland weitergereist und habe hier einen Asylantrag gestellt.

Für Pro Asyl ist es „Unrecht“, Ayoub I. nach Finnland abzuschieben.

Nach intensiver Prüfung entschied das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) jedoch, dass der Somalier nach den Dublin-Regeln zurückkehren müsse – und blieb auch nach einer von der Kirche geforderten Überprüfung dabei. Es handele sich bei Ayoub I. nicht um einen Härtefall, in Finnland werde dem Mann nichts passieren. Eine Entscheidung, die die Gemeinde von Pastor Thomas Lieberum nicht akzeptieren wollte, obwohl Gemeinden oder Orden Kirchenasyl eigentlich nur gewähren, wenn im Falle einer Abschiebung ihrer Auffassung nach für den Geflüchteten eine Bedrohung für Leib und Leben besteht. Was aber in Finnland ebenso wenig der Fall ist wie in Russland.

Wie auch immer: Dass die Polizei den Somalier aus dem Gemeindehaus holen wollte, scheint durchgestochen worden zu sein. Jedenfalls hätten sich etwa hundert „Gemeindemitglieder, Flüchtlingshelfer und Anwohner“ im Gemeindezentrum eingefunden. Man habe die Kirchenbänke weggeräumt, die Aktivisten hätten „auf Isomatten und Schlafsäcken übernachtet.

Die Zionskirche in Bremen-Neustadt. Hier ließ der Pastor in der Nacht die Glocken läuten.

Als dann die Mannschaftswagen der Polizei eintrafen, versammelten sich die Leute auf der Treppe und vor dem Eingang, bildeten eine Menschenkette und hinderten die Beamten daran, die Kirchenräume zu betreten. „Und ich habe dazu ordentlich die Glocken läuten lassen, bis die Polizei abgezogen ist“, fügt Pastor Lieberum stolz hinzu – eine Aktion, so der Bremer Innensenator Ulrich Mäurer (SPD), die „an Zynismus nicht zu übertreffen“ sei. Mäurer kritisiert die Kirche dafür, die Durchsetzung des Bundesrechts zu verhindern. Die Entscheidung des BAMF hätten auch die Kirchen zu akzeptieren, sonst stellten sie den Rechtsstaat grundsätzlich infrage.

Pastor Bernd Kuschnerus von der Bremischen Evangelischen Kirche meint, die Menschen, die die Abschiebung verhinderten, hätten „friedlich zivilen Ungehorsam geleistet“. Sein Kollege Lieberum findet, dass der 25-Jährige in Deutschland deutlich besser aufgehoben sei: „Er hat hier Freunde und Familie, fühlt sich sicher“ (dagegen war aus der Innenbehörde zu hören, der Somalier habe erklärt, keine Familie in Deutschland zu haben). Die versuchte Räumung des Kirchenasyls wertete er als „Tabubruch“: „Wir hoffen, dass die Behörden keinen weiteren Versuch unternehmen werden, das Asyl zu brechen.“

Indessen bahnt sich über den Vorfall ein Streit in der rot-grün-roten Regierung der Hansestadt an – und auch innerhalb der SPD. Während Innensenator Mäurer sagte, dass mit der Aktion gegen eine gültige Vereinbarung verstoßen wurde, worüber Staat und Kirchen dringend reden müssten, und ankündigte, in Zukunft genauso wieder zu handeln, ging jüngeren Genossen der Hut hoch: Aus den Reihen der Bremer Jusos hieß es, die SPD sei „treibende Kraft einer unmenschlichen Migrationspolitik geworden“, der Juso-Co-Vorsitzende Aaron Thatje nannte den nächtlichen Polizeieinsatz „beschämend“.

Kirchenasyl-Aktivisten fordern den Rechtsstaat heraus.

Die Grünen in der Bremer Bürgerschaft machten sich Pastor Lieberums Wortwahl zu eigen: „Dieser Tabubruch darf nicht zum Dammbruch werden“, sagte die Fraktionsvorsitzende Henrike Müller. Daniel Breitenstein, Landessprecher der Grünen Jugend Bremen, meinte sogar, „das einzig richtige, was Ulrich Mäurer jetzt noch tun kann, ist, sich zu entschuldigen und zurückzutreten“.

Mäurer hat angekündigt, dass das BAMF nächste Woche wahrscheinlich die Abschiebung einer Person aus Bremer Kirchenasyl nach Spanien beantragen werde. Dann wird es wohl zu einem erneuten Kräftemessen mit der Asylindustrie kommen. Dass der Rechtsstaat im aktuellen Fall wieder einmal kapitulierte, lässt befürchten, dass über den Umweg des Kirchenasyls noch oft Recht und Gesetz ausgehebelt werden. Ayoub I. dürfte ohnehin bleiben, das Zeitspiel wird eng für die Behörden: Bis zum 7.12. muss der Somalier abgeschoben werden, dann endet die Überstellungsfrist und er könnte legal in Deutschland Asyl beantragen.

Lesen Sie dazu auch:Um Gottes willen: Wie die Kirche die illegale Migration unterstützt

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