
Dass Angela Merkel auf dem Evangelischen Kirchentag, der eigentlich ein Fest grüner Ideologie ist und ein Exorzismus christlichen Glaubens geworden wäre, wenn in der evangelischen Kirche noch Restbestände christlichen Glaubens angetroffen werden könnten, auftrat, erstaunt nicht. Denn in dreierlei Hinsicht sind sich Merkel und das EKD-Establishment sehr nahe. Erstens scheint Merkel und der EKD das Christentum fremd, die christliche Trinität ohnehin ein rechtes Ärgernis zu sein. Zweitens taten und tun sie nicht wenig, um Deutschland zu schaden, und drittens sind sie die besten Prediger grüner Gesinnung.
Angela Merkel benutzte von jeher ihre Biographie mehr als jeder andere als Requisitenkiste, aus der sie gerade die Requisiten in der Öffentlichkeit präsentierte, die die jeweilige Merkel repräsentieren und beglaubigen sollten, die gewünscht war. Die meisten, allen voran die ihr zugetanen Medien – ganz vorn in der ersten Reihe der FAZ-Redakteur Ralph Bollmann, Autor einer dickleibigen Merkel-Hagiographie – fragte dann auch nicht nach der Authentizität der Merkelschen Kuriosa.
Der Grund dafür bestand nicht im Desinteresse, sondern einzig und allein darin, dass Merkel ihre Vergangenheit hütete – sie wusste warum. Sie war nicht die Frau ohne Eigenschaften, sondern die Frau mit den jeweils opportunen Eigenschaften.
Als sie im Jahr 2013 in den Wahlkampf mit dem autoritären Slogan „Sie kennen mich“ zog, wurde deutlich, dass niemand sie kannte. So sah sich Angela Merkel gezwungen, einen Avatar von sich zu erfinden, der Öffentlichkeit die Biographie zu präsentieren, die eine Politikerin aus dem Osten darstellte, so wie sich das westdeutsche Juste Milieu den guten Ostdeutschen vorstellte.
Merkel, die den Osten immer in insularer Situation erlebt und das wiedervereinigte Deutschland nur aus der Perspektive des Dienstwagens und bald schon der Aristokratie Neu-Versailles von Berlin-Mitte kannte, war in Ostdeutschland nicht allzu beliebt, weil man dort die Künstlichkeit der öffentlichen Figur durchschaute. Die Abneigung bestand und besteht übrigens gegenseitig, denn die Ostdeutschen nannte sie 1991 eine „manchmal verkommene und verkorkste Gesellschaft“.
Diese Beschreibung kam in einem bestimmten Milieu im Westen gut an, denn 2017, beschimpfte Bollmann die Ostdeutschen in einem Artikel zum Tag der deutschen Einheit aus der Höhe westdeutscher Arroganz mit den Worten: „Sie sind schon lange im Land, aber noch immer unterscheiden sich die neu Hinzugekommenen deutlich von denen, die bereits länger dabei sind. Sie haben weniger Erfolg im Beruf und verdienen weniger Geld. Sie sind mit ihrer Lebenssituation im Schnitt weniger zufrieden und schimpfen über die Republik, die sie aufgenommen hat. Sie neigen politisch häufiger autoritären Ideen zu und pflegen oft auch kulturell die Gebräuche ihres Herkunftsstaates, teilweise in regelrechten Parallelgesellschaften … Die Rede ist nicht von den Deutschtürken, die einst als Arbeitskräfte ins Land kamen. Auch nicht von den russlanddeutschen Einwanderern der neunziger Jahre oder von den syrischen Flüchtlingen des Jahres 2015. Es geht um die damals rund 17 Millionen Ostdeutschen, die am 3. Oktober 1990 der Bundesrepublik beitraten, alle an einem Tag. Es war eine der größten und plötzlichsten Einwanderungswellen der Geschichte“, und, um gegen die vor allem undankbaren Ostdeutschen das Vorbild der Bundeskanzlerin Angela Merkel zu stellen, fügte der Merkel-Fan hinzu, dass Merkel „im Osten auch deshalb so viel Hass auf sich zieht, weil sie ihren Landsleuten den Spiegel vorhält: Seht her, wer sich anstrengt, der schafft es auch.“ Wer gegen Merkel war, war also faul. Wer nicht mindestens Bundeskanzler wurde, ohnehin.
Selbst Merkel Wohlwollende würden wohl kaum bei Merkel Vertrauen in die Menschen entdecken können. Wie sagte sie doch eins zu der Fotografin Herlind Koelbl: „Ein Mensch wird nicht dadurch gläubig, dass er im Pfarrhaus aufwächst.“ Theologie kam für sie jedenfalls nicht in Frage, von der Physik trieb es sie, sobald es ging, fort, denn eigentlich wollte sie Politikerin werden, was sie ja dann auch wurde, Politikerin im Sinne einer Funktionärin.
Aber sie fuhr ja auch nicht zu einem evangelischen Kirchentag, sondern zu einer grünen Glaubensmesse. Zwischen so wichtigen Themen wie „Queere Tiere auf der Arche. Ein interaktiver Gottesdienst unterm Regenbogen“ oder „Gott ist queer“, fand auch Angela Merkel einen Platz, um über queer Moleküle in der Atmosphäre, möchte man spotten, über den Klimawandel zu sprechen. Dass sie nicht mehr erreicht hatte im Endkampf gegen den Klimawandel, das lastet, so Merkel auf dem Grünen-Tag in Hannover, bis heute schwer auf Merkel. „Gerecht werden wir dieser Menschheitsaufgabe bis heute nicht“, behauptete Merkel.
Wie in der kritischen Biographie beschrieben, hat Merkel vier Sargnägel für Deutschland eingeschlagen, die sogenannte Euro-Rettung, die Energiewende, die mit der Ideologie des vom Menschen verursachten Klimawandels begründet wurde, die Turbomigration in die deutschen Sozialsysteme und schließlich die Spaltung des Landes sowie die Einschränkung von Recht, Demokratie und Freiheit in der Pandemie-Diktatur, in der sich ihr Herrschaftsstil am reinsten zeigte. Auf der EKD-Sause feierte sie zumindest zwei ihrer Sargnägel: die Energiewende und die Turbomigration.
Apropos Christentum. Merkels Humanität und Merkels Christentum lässt sich am reinsten nachvollziehen, wenn man sich ihren Umgang mit den Opfern und den Angehörigen des Terrorakts vom 19. Dezember 2016 auf dem Breitscheidplatz in Berlin anschaut.
Ein Jahr nach dem Terroranschlag, im Dezember 2017, schrieben die Angehörigen der Opfer an die Bundeskanzlerin Angela Merkel:
„Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin, am 19. Dezember 2016 erschoss ein islamistischer Terrorist in Berlin einen polnischen LKW-Fahrer, raubte das Fahrzeug und steuerte es in den Berliner Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz. Er ermordete dabei weitere elf Menschen aus Israel, Italien, Tschechien, der Ukraine und Deutschland. Mehr als 70 Personen wurden – teilweise sehr schwer – verletzt. Wir, die Verfasser dieses Briefes, sind Familienangehörige aller zwölf Todesopfer. Einige von uns gehören auch selbst zu den Verletzten und Nothelfern am Breitscheidplatz. (…) Wir nehmen in den Monaten seit dem Anschlag vielfältige Missstände wahr und haben uns nun entschieden, uns mit diesem Brief direkt an Sie, Frau Bundeskanzlerin, zu wenden. Die Missstände betreffen sowohl die mangelhafte Anti-Terror-Arbeit in Deutschland als auch den Umgang mit uns als Opfer und Hinterbliebene. (…) Der Terrorist, der den Anschlag am Breitscheidplatz verübt hat, ist unter vielen Migranten zu Beginn der Flüchtlingskrise nach Deutschland gekommen, hat vielfach Asyl beantragt, war als einer der Top-Gefährder bekannt und ist auch vor dem Anschlag bereits mehrfach straffällig geworden. Seine Fingerabdrücke zur elektronischen Identifizierung wurden – wie die der meisten Flüchtlinge – mehrfach gar nicht oder erst mit großer Verzögerung ausgewertet. Als Top-Gefährder in der Bundeshauptstadt wurde er nur gelegentlich und nur an Werktagen und nie nachts observiert, obwohl bekannt war, dass er gewerbsmäßigen Drogenhandel betrieb. Möglichkeiten zur Abschiebung wurden verpasst. (…) Frau Bundeskanzlerin, der Anschlag am Breitscheidplatz ist auch eine tragische Folge der politischen Untätigkeit Ihrer Bundesregierung. (…) Wir fordern Sie dringend auf, die vorhandenen Defizite so schnell wie möglich zu beseitigen. (…) In Bezug auf den Umgang mit uns Hinterbliebenen müssen wir zur Kenntnis nehmen, Frau Bundeskanzlerin, dass Sie uns auch fast ein Jahr nach dem Anschlag weder persönlich noch schriftlich kondoliert haben. Wir sind der Auffassung, dass Sie damit Ihrem Amt nicht gerecht werden. Der Anschlag galt nicht den unmittelbar betroffenen Opfern direkt, sondern der Bundesrepublik Deutschland. Es ist eine Frage des Respekts, des Anstands und eigentlich eine Selbstverständlichkeit, dass Sie als Regierungschefin im Namen der Bundesregierung unseren Familien gegenüber den Verlust eines Familienangehörigen durch einen terroristischen Akt anerkennen.“
Aufgeschreckt von dem Brief, besorgt um ihr Bild in der Öffentlichkeit, traf sich ein Jahr nach dem Terrorakt Merkel mit den Opfern. Eine Herzensangelegenheit war es nicht, auch nicht ein Akt christlicher Ethik. Für die Christin Merkel waren diese Opfer die falschen Opfer.
Es ist ja auch der Kirchentag einer falschen Kirche, auf dem sie jetzt sprach.