
Die Union hat keine Bedenken gegen eine Verfassungsrichterin Ann-Kathrin Kaufhold. Aber warum? Der Bundestag muss drei neue Richter benennen. Über die Personalie Frauke Brosius-Gersdorf gerieten sich CDU, CSU und SPD in die Haare. Die links-aktivistische Agenda von Brosius-Gersdorf sorgt bei Unionsabgeordneten für Bauchschmerzen und für Gewissensbisse.
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Sollten CDU und CSU nicht ebenso streng auf Kaufholds Agenda schauen? Auch dort findet sich ein ganzes Bündel unvereinbarer Punkte. Beim Klimaschutz, beim Gesellschaftsbild, bei Marktwirtschaft und Kulturkampf. Der Blankoscheck, den die Union Kaufhold ausstellt, zeigt: Die Union hat den Ernst der Lage nicht begriffen.
Die Unterschiede zwischen Brosius-Gersdorf und Kaufhold sind auf den ersten Blick gewaltig. Anders als die Potsdamer Professorin für öffentliches Recht tritt Kaufhold leise auf und verschmitzt. Sie gesteht sich Zweifel zu und argumentiert, wo Brosius-Gersdorf selbstgerecht doziert. Ist das der Grund, warum CSU-Chef Markus Söder Kaufhold für unstrittig, also unumstritten erklärt? Aus Sicht der Union, wohlgemerkt.
Die Union hat sich also für einen pragmatischen Weg entschieden. Jetzt bloß kein neues Fass aufmachen, jetzt bloß nicht auch am zweiten SPD-Personalvorschlag herummäkeln. Nach einem endgültigen Scheitern Brosius-Gersdorfs aber würde das Verfahren neu starten.
Es gäbe für die Union gute Gründe, Kaufhold ebenso entschieden abzulehnen wie Brosius-Gersdorf – mindestens ebenso gute Gründe.
Der Münchner Professorin geht nichts über Klimaschutz. Sie fordert einen Umbau der gesamten Gesellschaft – modisch heißt das: Transformation. Die transformierte, die neue Gesellschaft soll, wie sie in einem Vortrag Ende 2021 sagte, den „Kampf um die Begrenzung der Erderwärmung“ gewinnen.
Im selben Vortrag sagte sie auch, „alle“, ja alle staatlichen und gesellschaftlichen Akteure müssten sich dem Klimaschutz verschreiben – auch und besonders die Gerichte, namentlich das Bundesverfassungsgericht.
Kaufhold hält einen Komplettumbau der Gesellschaft für nötig. Nur so könne Klimaschutz gewährleistet werden. Damit steht sie nicht allein. Die Grünen reden auch so. Am Bundesverfassungsgericht aber würde sie die Neigung zu Urteilen verstärken, die in die Gesellschaft und die Wirtschaft massiv eingreifen.
Die Karlsruher Urteile, legt Kaufhold dar, beeinflussen schließlich die gesamte „Politikgestaltung“ von Bundestag und Bundesrat. Die zaghaften Versuche der Union, der Energiewende eine Wende zu verpassen, hätten es bei Urteilen aus diesem Geist noch schwerer.
Schwer könnte es unter einer Verfassungsrichterin Kaufhold auch die Eigentumsfreiheit haben. Kaufhold gehörte einer Kommission an, die im Auftrag der damaligen rot-rot-grünen Berliner Landesregierung zu dem Schluss kam: Große Wohnungsgesellschaften dürfen vom Staat vergesellschaftet werden.
Die Initiative „Deutsche Wohnen und Co. enteignen“ jubelte danach: „Die Kommission stellt ein für allemal klar: Die Enteignung von Immobilienkonzernen ist rechtssicher, finanzierbar und das beste Mittel, um den Mietenwahnsinn zu stoppen!“
Die neue Berliner Landesregierung will das daraufhin geplante Vergesellschaftungsgesetz in Karlsruhe überprüfen lassen. Kaufhold könnte also über die Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes mitentscheiden, dessen juristische Grundlage sie selbst entwickelt hat. Wäre sie da unbefangen?
Viel mehr Klimaschutz von allen bitte, gerne auch Enteignungen – und der „Kampf gegen rechts“ endet nie: So lautet der programmatische Dreiklang Kaufholds. Wie Brosius-Gersdorf befürwortet sie ein AfD-Verbotsverfahren.
Mit einer Verfassungsrichterin Kaufhold würde sich die Union in das wenige verbliebene eigene Fleisch schneiden. Ein AfD-Verbot würde eine linke parlamentarische Mehrheit zementieren. Weitere Eingriffe in die unternehmerische Freiheit würden jeden Aufschwung behindern. Und ein Komplettumbau der Gesellschaft sorgte für Unfrieden und Wohlstandsverluste.
Warum also, Herr Söder, ist Ann-Kathrin Kaufhold unumstritten?