
Dreht sich die Erde noch? Ist Deutschland noch eine Demokratie? Mit allem musste man rechnen nach dem Gespräch von Alice Weidel mit Elon Musk. Eine kollektive Hysterie war ausgebrochen. Die Europäische Kommission gab sich ebenso alarmiert wie die Bundestagsverwaltung.
Die aktuelle Folge von „Kissler Kompakt“ sehen Sie hier:
Es schien, als stünde Alice Weidel nur dieses eine Gespräch entfernt von der Kanzlerschaft. Nun sind wir klüger und wissen: Die Hysterie war unangebracht. Das vereinigte Panikorchester hätte nicht aufspielen müssen. Das Gespräch war ein Schritt hin zu normalen demokratischen Gepflogenheiten, nicht mehr, nicht weniger. Es ist gut, dass es stattfand.
Die AfD-Chefin und der reichste Mann der Erde gaben sich wie ein Herz und eine Seele. Es wurde viel gelacht. Die Innigkeit gipfelte in einer Wahlempfehlung Musks für die AfD. Er, Musk, empfehle den Deutschen eindringlich, die AfD zu wählen. Die AfD verkörpere den gesunden Menschenverstand.
Elon Musk und Alice Weidel (Fotomontage)
Zweimal wiederholte er, was er zuvor bei seinem Netzwerk X und in einem Gastbeitrag geschrieben hatte. Nur die AfD könne Deutschland retten: Dieser Satz wird bis zur Wahl auf allen Kanälen der AfD zu hören sein. Musk lieferte den Soundtrack zur Wahlkampagne. Insofern hat sich das auf Englisch geführte Gespräch für Weidel gelohnt. Musk zeigte sich als Fan der AfD, Weidel als Fan von Musk. Ach, Liebe kann so schön sein.
Weidel hatte zuvor in einem Interview mit einer amerikanischen Zeitschrift behauptet – oder zumindest in ihrem Namen formulieren lassen: Deutschland sei ein „besiegtes Volk“ und ein „Sklave“ im Verhältnis zu den Vereinigten Staaten. Saß sie nun mit dem US-amerikanischen Staatsbürger Musk ihrem Sklavenhalter gegenüber?
Musk ging nicht auf dieses Interview ein. So blieb die Heiterkeit ungetrübt, etwa an einer besonders prägnanten Stelle: Weidel zufolge lernen die jungen Menschen an deutschen Schulen und Universitäten nichts außer „Gender Studies“, nichts also außer wissenschaftlich aufgehübschten Verhaltenslehren linker Geschlechter- und Kulturkämpfer.
Weidel überzieht an dieser Stelle gewaltig. Ganz so schlimm ist es dann doch nicht um das deutsche Bildungssystem bestellt. Musks Diagnose aber stimmt: Deutschland ist an vielen Stellen vom woken Virus befallen.
Warum jedoch soll eine Oppositionspolitikerin im Wahlkampf die Lage nicht überzeichnen dürfen? Regierungsvertreter sind Schönredner, die Opposition dramatisiert: so lautet die Rollenverteilung. Jeder Bürger weiß das.
Alice Weidel kurz vor dem Gespräch mit Elon Musk in ihrem Berliner Büro.
An der Zustandsbeschreibung von Weidel gibt es nichts zu deuteln: Deutschland hat sich durch den gleichzeitigen Ausstieg aus Kern- und Kohlekraft ein energiepolitisches Grab geschaufelt, die Regierung kann nicht mit dem Geld umgehen, eine laxe Migrationspolitik schwächt den Standort.
Warum Weidel hinabstieg in die Untiefen deutscher Geschichte und sich dabei nicht immer als treffsicher erwies? Das weiß ich nicht. Und begreift die AfD sich als ganzes so, wie Weidel sie präsentierte, als konservativ-libertäre Partei? Diese Frage muss die AfD selbst beantworten und rasch beantworten. Der Parteitag am Wochenende in Riesa bietet die Gelegenheit.
Halten wir fest: Das vereinigte Panikorchester spielte zu schrill, als dass man die Warnungen hätte ernst nehmen müssen. Nun fallen sie in sich zusammen. Was wir sahen, war kein Durchbruch – kein Durchbruch hin zur erhofften Kanzlerschaft, kein Durchbruch hin zur befürchteten Machtübernahme. Und es war auch keine illegitime Wahlbeeinflussung.
Wir wissen nun, dass Elon Musk mit Alice Weidel genauso nett plaudern kann wie Caren Miosga mit Annalena Baerbock. Doch nur beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk gilt die Simulation von Objektivität als Journalismus. Unter diesem Gesichtspunkt war das freundliche Gespräch von Musk mit Weidel die ehrlichere Veranstaltung. Gut, dass sie stattfand.
Lesen Sie auch:150 zensurwütige EU-Bürokraten lauschen einem harmlosen Kamingespräch