Kleiner Lichtblick im Steuer-Irrsinn: Gastwirte jubeln über sinkende Mehrwertsteuer auf Speisen

vor 18 Tagen

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Der Satz steht unscheinbar und einsam in Zeile 1498 des Koalitionsvertrags: „Die Umsatzsteuer für Speisen in der Gastronomie wird zum 01.01.2026 dauerhaft auf sieben Prozent reduziert.“

Es ist eines der wenigen wirklich konkreten Versprechen der neuen Bundesregierung und eine tatsächliche Steuersenkung noch dazu: die Absenkung der Mehrwertsteuer auf Speisen in der Gastronomie. Etwas weiter hinten will man sich dann noch im Kapitel „Vertrauen statt Kontrolle und Regulierung“ dafür einsetzen, dass die Dokumentationspflichten in der Gastronomie reduziert werden, aber das ist dann wieder so eine wolkige Bemühenszusage, dass niemand sicher sein kann, was da am Ende wirklich kommt und ob überhaupt.

Mit der Absenkung der Mehrwertsteuer auf Speisen in der Gastronomie haben Merz und Klingbeil die Dehoga erfreut.

„Das ist ein mega-wichtiges Signal zur Stärkung unserer Branche“, sagt Stefanie Heckel vom Bundesverband Hotel und Gaststätten (Dehoga) zu NIUS. „Diese Maßnahme sorgt endlich für fairen Wettbewerb und beendet die steuerliche Benachteiligung unserer Branche gegenüber anderen Anbietern von Essen“, betont Dehoga-Präsident Guido Zöllick. „Es geht um die Zukunftssicherung unserer häufig familiengeführten Cafés, Wirtshäuser und Restaurants. Dafür haben wir jahrzehntelang gekämpft und gute Argumente für die einheitliche Besteuerung von Essen mit 7 Prozent vorgebracht.“

Dass durch die Mehrwertsteuersenkung künftig das Essen in Gaststätten billiger wird, ist allerdings wenig wahrscheinlich. Viele Gastwirte werden die Preise schlichtweg stabil halten und bekommen durch den geringeren Steuersatz lediglich etwas Luft zum Atmen, weil die Preise für Lebensmittel in den zurückliegenden Monaten ohnehin massiv gestiegen sind. Auflagen für Landwirtschaft, höhere Energiepreise für Lagerung und Transport schlagen da ebenso zu Buch wie der weiter steigende Mindestlohn. Schon bisher gab es die unterschiedlichen Sätze etwa bei Schnellrestaurants, wo am Auto-Schalter sieben Prozent und beim Aufenthalt im Lokal 19 Prozent fällig wurden. Die Preise waren in der Regel in beiden Fällen identisch.

Mit der sieben-Prozent-Regel gleicht die Politik lediglich einen Nachteil der Gastronomie gegenüber anderen Anbietern aus. So galt etwa ein abgepackter Salat mit Dressing im Supermarkt als Lebensmittelverkauf (7 Prozent), im Restaurant als eine Art Luxusartikel (19 Prozent). Ähnlich verhält es sich bei belegten Brötchen beim Bäcker und im Imbiss. Schulspeisung wurde mit 19 Prozent belegt, Gulasch to-go mit sieben Prozent ...

So froh die Gastwirte über die künftige Erleichterung sind, so tief ist der Mehrwertsteuer-Irrsinn aber trotzdem noch immer in der Branche verwurzelt: Stellt der Wirt Sitzmöglichkeiten zur Verfügung, gilt seit dem 1. Januar 2024 der gesetzliche Mehrwertsteuersatz von 19 Prozent. Sind dagegen nur Stehtische vorhanden oder überhaupt keine Möbel, bleibt es bei 7 Prozent. Benutzt man Porzellangeschirr in Imbissbuden fällt der volle Satz von 19 Prozent an, weil es im Anschluss gereinigt werden muss, was als zusätzliche Dienstleistung gilt. Einweggeschirr kann einfach weggeworfen werden, daher gilt hier der ermäßigte Steuersatz von 7 Prozent.

Die Steuersenkung gilt ausschließlich für Speisen – Getränke sind leider nicht betroffen.

Und: Die geplante Regel gilt nur für „Speisen“, nicht für Getränke. Hier wird es aber noch irrer: Milch bzw. Milchmischgetränke, die unterwegs getrunken werden, gelten als Grundnahrungsmittel (7 Prozent). Bestellt ein Gast etwa einen Kaffee To Go mit einem Milchanteil von über 75 Prozent (z.B. Cappuccino oder Latte Macchiato), wird dieser mit nur 7 Prozent Mehrwertsteuer belegt. Aber Achtung: Das gilt nur für Kuhmilch. Soja-, Hafer- oder Kokosmilch müssen mit 19 Prozent besteuert werden, weil sie nicht als Grundnahrungsmittel gelten. Für schwarzen Kaffee dagegen werden 19 Prozent fällig. Auch für Fruchtgetränke gilt eine Ausnahmeregelung: Frisch gepresster Saft wird immer mit 19 Prozent abgerechnet, für einen herkömmlichen Smoothie gilt dagegen der ermäßigte Steuersatz von 7 Prozent – falls er an einem Stehtisch oder außer Haus getrunken wird.

Mit anderen Worten: Der Buchhaltungsirrsinn für die Gastwirte wird nur minimal einfacher, wie Star-Koch Christian Rach im Interview bei „Schuler! Fragen, was ist“ eindrucksvoll erklärt, weil die Zutaten im Einkauf ebenfalls unterschiedlich besteuert werden. Von einer wirklichen Reform der Mehrwertsteuer ist Deutschland also noch meilenweit entfernt.

Schauen Sie hier das ganze Interview: Restaurant-Tester Christian Rach über Steuer-Wahnsinn für Gastronomen: „Versteht kein Mensch mehr. Der Aufwand ist erstickend!“

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