Lars Klingbeil: Alle Ministerien müssen sparen

vor 27 Tagen

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Bildquelle: Tichys Einblick

Vor zwei Wochen haben SPD und Union Friedrich Merz zum Kanzler gewählt. Wenn auch erst im zweiten Anlauf. Nach zwei Wochen sind die Flitterwochen vorbei. Frisch Vermählte kennen das: Der Strauß ist verwelkt. Das Zimmer auf der Hochzeitsreise war kleiner als es im Internet aussah, und der Kocher, der so hübsch auf dem Geschenketisch wirkte, braucht 20 Minuten für jedes Frühstücksei. Kurzum: Die Mühen der Ebene haben begonnen.

Das Gefühl durchlebt jetzt auch Lars Klingbeil. In zwei Monaten erlebte er den rauschhaften Aufstieg vom SPD-Wahlverlierer zum Vizekanzler und Finanzminister. Zwei Wochen konnte er feiern, dass er der Hoffnungsträger ist. Aber halt nur für die SPD. Das ist wie beim Olympiateilnehmer aus Birma. Man darf zwar zu den Olympischen Spielen, ist dort aber bestenfalls eine nette Anekdote. Klingbeil hat jetzt mal nachgerechnet, wie das Land finanziell dasteht nach 23 von 27 Jahren SPD-Regierungsbeteiligung. Mit einem Wort: verheert.

Zwar haben sich Merz und Klingbeil noch vor der Trauung selbst ein Billionen-Geschenk gemacht und die Schuldenbremse gelöst: Allein für „Investitionen in die Infrastruktur” haben sich CDU, CSU und SPD eine halbe Billion Euro genehmigt. Für Verteidigung wollen sie künftig ausgeben, “whatever it takes”. Da klang Merz wie ein wohlhabender Mann, der seiner Braut eine sorgenlose Zukunft verspricht: Was immer es kostet, wir können es bezahlen. Doch nach dem Kassensturz ist klar. Nein. Das kann die frisch vermählte Regierung eben nicht. Schon jetzt kommt sie an die Grenze, die den Mitgliedsstaaten durch die EU gesetzt ist: Die gesamte staatliche Verschuldung darf 60 Prozent des Bruttoinlandproduktes nicht überschreiten.

Deswegen hat Klingbeil jetzt eine Warnung ausgesprochen. Dass tut die SPD bevorzugt über hauseigene Medien oder über das “Redaktionsnetzwerk Deutschland” (RND). Die Regierung könne sich jetzt nicht zurücklehnen, verkündet der Finanzminister. Auf die “Sondervermögen” könne sich der Bund nicht verlassen. Jedes Ministerium müsse sparen. Die Flitterwochen sind vorbei, die Rechnung für die Hochzeitsreise lastet schwer auf dem Küchentisch.

Ein Beispiel: Die Beiträge für die Krankenkassen explodieren. Sie sind im Januar rasant gestiegen, trotzdem verfügen die Kassen kaum noch über die von der Verfassung vorgeschriebenen Reserven. Deswegen droht die nächste Erhöhungswelle noch dieses Jahr. Das würde genau das Gegenteil von dem bedeuten, was die Regierung beteuert und auch Experten sagen: Eigentlich muss der Staat Betriebe und Beschäftigte entlasten. Höhere Kassenbeiträge würden Arbeit noch stärker verteuern – spürbar stärker.

Klingbeil und die neue Gesundheitsministerin Nina Warken (CDU) könnten zu einem weiteren Hilfskonstrukt greifen: Sie könnten das Gesundheitswesen zu den Faktoren erklären, die im Kriegsfall von entscheidender Bedeutung wären. Dann würden Ausgaben für das Gesundheitswesen als Ausgaben für die Verteidigung gewertet. Die Höhe wäre dann egal – “whatever it takes”. Das ist nur ein Beispiel. Bei 470 Milliarden Euro regulärem Haushalt, 500 Milliarden Euro Schulden, “Sondervermögen” genannt, und einem Freibrief für die Verteidigungm müssten Merz und Klingbeil nun ständig zu solchen Gedankenkonstruktionen greifen. Sie bräuchten mehr Ausreden als ein Bräutigam, der mit Lippenstift am Hemd nach Hause kommt.

Wobei es Merz mit dem Zuhause eh nicht so hat. Der Kanzler hat in den ersten zwei Wochen seiner Ehe mit der SPD gezeigt, dass er eher das Auswärtige bevorzugt. Das bestimmt die Nachrichtenlage des Montags. Kostproben: Die USA gibt künftig kein Geld mehr für die umstrittene Gesundheitsorganisation der Vereinten Nationen aus. Also springt Deutschland ein, zahlt freiwillig mehr. Für den Anfang weitere zehn Millionen Euro. “Whatever it takes”. Am Tag, an dem Klingbeil am heimischen Küchentisch Sparsamkeit predigt.

Zeitgleich verhandeln die Spitzen der EU und des Vereinigten Königreichs. Die britische Regierung will sich nach der “Brexit” genannten Scheidung wieder der EU nähern. Sie schielt auf Rüstungsaufträge vom Festland. Allein aus Deutschland fließt das Geld dafür künftig ungebremst. “Whatever it takes”.

Derzeit hat der Bund keinen Haushalt. Der Entwurf war die Scheidungsursache für die Ampel. Jetzt müssen ihn Merz und Klingbeil als Altlast abarbeiten. In fünf Wochen will der Finanzminister den neuen Entwurf dem Kabinett vorlegen. Bis dahin müssen also die anderen Minister ihre Sparvorschläge vorlegen. Nach einem Wahlkampf, in dem Einsparungen des Staates kein Thema waren. Nach einer Eheschließung der Regierung, die mit großtönigen Worten begann: “Whatever it takes”. Und dem damit ausgelösten Gefühl, jetzt könne sich der Staat alles leisten.

Der Satz “Sie prügeln sich ums Geld” dürfte bis Ende Juni den Ehealltag zwischen Union und SPD am besten beschreiben.

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