
Wie verstrickt ist die SPD in den NGO-Komplex? Zahlreiche Sozialdemokraten verfügen über beste Kontakte zu linken Lobbygruppen. Nachdem die Union 551 Fragen zum NGO-Komplex an die Bundesregierung gerichtet hatte, ist die Empörung groß.
SPD-Chef Lars Klingbeil hatte die Anfrage der Union als Belastung für anstehende Koalitionsgespräche scharf kritisiert: „Ich kann mir keine Situation vorstellen, wo wir morgens in Arbeitsgruppen zusammensitzen und über die Investitionen in die Bundeswehr, in die Bahn oder Infrastruktur diskutieren und nachmittags erlebe ich, dass die Union solche Anfragen rausschickt und Organisationen, die unsere Demokratie schützen, an den Pranger stellt.“
Schon einen Tag später kam heraus: Klingbeils Frau ist im NGO-Komplex tätig und profitiert von staatlichen Zahlungen. Seit 2014 leitet Lena-Sophie Müller als Geschäftsführerin den gemeinnützigen Verein Initiative D21, der sich selbst als „Deutschlands größtes gemeinnütziges Netzwerk für die Digitale Gesellschaft, bestehend aus Wirtschaft, Politik, Wissenschaft und Zivilgesellschaft“ beschreibt. Von 2020 bis 2025 erhielt der Lobbyverband aus drei verschiedenen Bundesministerien Gelder in Höhe von mindestens 565.000 Euro, wie eine Anfrage von NIUS offenbart. Lena-Sophie Müller rief im Januar öffentlich zu Demos „gegen Rechts“ auf. Der 1999 gegründete Verein fasste zudem 2018 einen Unvereinbarkeitsbeschluss zur AfD. Mitglieder der Partei konnten nicht Mitglied bei der Initiative D21 werden. Man wolle „Hass, Hetze, Intoleranz, Populismus oder Extremismus keine Bühne bieten“.
Lars Klingbeil startete am Freitag in die Sondierungsgespräche.
SPD-Chef Lars Klingbeil saß lange Zeit auch im Kuratorium des Vereins Liquid Democracy, der „mehr und flexiblere Beteiligungsmöglichkeiten für alle Bürger*innen“ schaffen will. Dieser erhielt Fördermittel über das Bundesprogramm „Zusammenhalt durch Teilhabe“ aus dem Innenministerium. Von Januar 2020 bis zum Januar 2025 flossen 654.980,08 Euro aus dem Ministerium von Nancy Faeser. Auch über das Bundesprogramm „Demokratie leben!“ aus dem Familienministerium gingen von 2020 bis 2024 rund 650.000 Euro an den Verein. In diesem Jahr soll er 143.086,46 Euro aus der Paus-Behörde erhalten. Die staatlichen Fördermittel summieren sich also auf über 1,4 Millionen Euro.
Doch auch andere Unterhändler am Tisch besitzen enge Verbindungen ins NGO-Netzwerk. Da wäre etwa Manuela Schwesig, die als Familienministerin 2014 das Bundesprogramm „Demokratie leben!“ aufgesetzt hatte, über das heute zahlreiche NGOs üppig finanziert werden. Schwesig ging es um eine Verstetigung der Finanzierung zahlreicher Lobbygruppen, das stellte sie schon bei der Vorstellung des Programms im Juli 2014 klar: „Ich möchte die Projekteritis beenden und mit unseren Programmpartnern eine Partnerschaft des Vertrauens auf Augenhöhe aufbauen. Die Organisationen, Vereine und Träger brauchen Vertrauen und Planungssicherheit“, betonte Manuela Schwesig. „Das ist mit dem neuen Bundesprogramm ‚Demokratie leben!‘ gewährleistet.“ Warum soll eine Unterhändlerin für eine mögliche Koalition nun Kritik an einem NGO-Komplex akzeptieren, dass sie selbst mit erschaffen hatte?
Dazu gibt es zahlreiche weitere Vertreter mit Verbindungen in das NGO-Milieu. Saskia Esken ist Mitglied der Kampagnenplattform Campact, die in der Vergangenheit zahlreiche „Demos gegen Rechts“ angemeldet hatte und zu 50 Prozent Teilhaber des linken Vereins „HateAid“ ist. In ihrer Biografie auf der Seite des Deutschen Bundestags wird Esken zudem als Mitglied vom BUND, Greenpeace, den Naturfreunden, ver.di, der IG Metall und weiteren Organisationen aufgeführt, die sich über Steuermittel finanzieren.
Saskia Esken nimmt ebenfalls an den Gesprächen mit der Union teil.
Zugleich ist Saskia Esken Mitglied der Gesellschaft für Freiheitsrechte. Der Verein ist derzeit Teil einer NGO-Justizposse in Berlin: Ein Richter hatte X dazu verpflichtet, zwei Lobbygruppen, der Gesellschaft für Freiheitsrechte und Democracy Reporting International, uneingeschränkten Zugang zu seinen Daten zu ermöglichen. Angeblich wollten sie diesen aus Forschungszwecken. Doch dann kam heraus: Der Richter war zuvor für die Gesellschaft für Freiheitsrechte tätig. X reichte deshalb beim Landgericht Berlin einen Befangenheitsantrag ein. NIUS erfuhr exklusiv: Das Ablehnungsgesuch gegen den jungen Richter Piet A. war erfolgreich. Das Verfahren muss nun mit einem anderen Richter fortgeführt werden. Der Termin für die mündliche Verhandlung wurde vertagt.
Schon seit längerem machen die Politiker der SPD gar keinen Hehl mehr daraus, dass der NGO-Komplex mittlerweile direkt an den Staat angeschlossen ist. Angesichts der unsicheren Haushaltssituation des Bundes für 2025 warnte beispielsweise die Antirassismusbeauftragte und SPD-Bundestagsabgeordnete Reem Alabali-Radovan vor Kürzungen an den falschen Stellen. „Viele machen sich Sorgen um die gesellschaftliche Stimmung und auch um ihre Arbeit, gerade die vielen Aktiven in unserer Zivilgesellschaft, die sich engagieren, in Vereinen und Organisationen arbeiten, andere ‚empowern‘ und sich für unsere Demokratie und Zusammenhalt starkmachen.“ Dennoch versprach sie: „Unsere Projekte laufen weiter – auch 2025.“ Die Stelle von Reem Alabali-Radovan, die im Kanzleramt angesiedelt ist, soll laut vorläufiger Haushaltsplanung in diesem Jahr rund 28 Millionen Euro erhalten. Über die Staatsministerin werden zahlreiche linke Lobbygruppen finanziert.
Auch Karl Lauterbachs Umfeld ist direkt im NGO-Milieu tätig. Seine Partnerin Elisabeth Niejahr ist in der Geschäftsführung der Hertie Stiftung tätig, die zahlreiche NGOs mit Geld versorgt. Gleichzeitig finanziert sie auch die Hertie School, die mittlerweile einer der Dreh- und Angelpunkte der antirassistischen Szene geworden ist. Aus der privaten Hochschule stammen zahlreiche politikwissenschaftliche Absolventen, die im linken bis linksliberalen Milieu netzwerken. Der Anspruch der Hertie School ist es „herausragende Studenten auf Führungspositionen in Regierung, Wirtschaft und Zivilgesellschaft vorzubereiten“.
Eine zentrale Rolle im NGO-Komplex nimmt auch die Bundestagsvizepräsidentin Aydan Özoğuz (SPD) ein, die von 2013 bis 2018 als Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration tätig war. In einem Gastbeitrag im Tagesspiegel erklärte die Bundesbeauftragte 2017, dass „eine spezifisch deutsche Kultur [...], jenseits der Sprache, schlicht nicht identifizierbar“ sei. „Schon historisch haben eher regionale Kulturen, haben Einwanderung und Vielfalt unsere Geschichte geprägt.“
Özoğuz vernetzt Politik und Zivilgesellschaft seit Jahren.
Özoğuz vernetzte die Politik mit linken Lobbygruppen und Migrantenvereinen, immer unter dem Deckmantel des „Kampfes gegen Rechts“. So versammelte Özoğuz gemeinsam mit Familienministerin Schwesig im Dezember 2015 rund 130 Politiker, Verwaltungsmitarbeiter, Bürgermeister und Vertreter der „Zivilgesellschaft“ im Kanzleramt, um „über Strategien und Maßnahmen im Umgang mit rechten Anfeindungen“ zu sprechen. „Mit zusätzlichen Mitteln aus unserem Bundesprogramm ‚Demokratie leben!‘ wollen wir den Menschen vor Ort den Rücken stärken“, versprach Schwesig auf der Veranstaltung.
Somit ist es kaum wahrscheinlich, dass die SPD bei den Sondierungsgesprächen mit der Union darauf eingehen wird, über die Streichung von Fördermitteln zu diskutieren. Ganz im Gegenteil: Sollte sich die Union bei diesem Thema weiter aus dem Fenster lehnen, droht sogar ein Abbruch der Gespräche.
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