
Mit einer Zahl möchte Lars Klingbeil (SPD) das Beiwort Schuldenmacher verhindern. 115 Milliarden Euro an Investitionen sieht der neue Bundeshaushalt vor. So viel wie noch nie. Deswegen solle künftig, so wünscht sich das Klingbeil, nicht mehr vom Finanzministerium, sondern vom “Investitionsministerium” gesprochen werden. Was ihn zum Investitionsminister machen würde, was wiederum so viel besser klingen würde als Schuldenmacher. Das sagt der Minister, als er seinen Entwurf für den Haushalt in den Bundestag einbringt. Der wird über diesen voraussichtlich nach der Sommerpause final entscheiden.
143,1 Milliarden neuer Schulden sieht also der offizielle Haushaltsentwurf aus dem Haus von Lars Klingbeil vor, das der so gerne Investitionsministerium genannt wissen würde. Doch Investitionen darunter sind eben nur 115 Milliarden Euro. Das hat Klingbeil selbst gesagt. Um sich als Investitionsminister zu verkaufen. Das ist er aber nur ohne Kontext. Die Investitionen liegen unter der Neuverschuldung. Diese dient also auch dazu, bisherige Löcher einfach nur zu stopfen. In klarerem Licht ist Klingbeil halt einfach nur ein Schuldenmacher: 850 Milliarden Euro in nur einer Wahlperiode – die Hälfte von dem, was sich über 20 Wahlperioden insgesamt angesammelt hat.
Mit einem Mix aus Kernhaushalt, “Sondervermögen Bundeswehr”, “Sondervermögen Infrastruktur und Klimaneutralität” sowie weiteren Nebenhaushalten hat sich Klingbeil ein Konstrukt geschaffen, mit dem es zur Detektivarbeit wird, nachzuprüfen, ob es was taugt, was der Finanzminister so erzählt. Spoiler-Alarm: Meist tut es das nicht. Wie jetzt die Industrie- und Handelskammer Köln nachgewiesen hat.
Drei übergeordnete Punkte wolle die schwarz-rote Regierung angehen, sagt Klingbeil: Investitionen, Reformen und Konsolidierung. Was Klingbeil zum Thema Investitionen sagt, klingt – mit Verlaub – nach staatlichem Größenwahn. Das Geld fließe nicht nur in die Infrastruktur. Wobei schon neue Duschen für Schwimmbäder in den Augen des Sozialdemokraten unter Infrastruktur fallen. Mit den Schulden schaffe der Staat “Gerechtigkeit”, verspricht Klingbeil: bezahlbare Wohnungen, faire Löhne oder pünktliche Busse und Bahnen, auch im ländlichen Raum. Dort soll das Internet bald so gut (schlecht) sein wie in den Städten. Familie und Beruf ließen sich künftig problemlos miteinander verbinden. All das, weil Klingbeil aus dem Finanzministerium ein Investitionsministerium machen will.
In diesem Moment erinnert Klingbeil an die Comic-Figur Homer Simpson. Der gilt den Bürgern als inkompetent, will aber von ihnen zum Müllbeauftragten der Stadt Springfield gewählt werden. Deswegen verspricht er ihnen im Wahlkampf, dass mit ihm alles möglich sein werde. Sogar, dass die städtischen Müllmänner künftig die Babys der Bürger wickeln. Homer Simpson scheitert gleich am ersten Tag, weil er bereits da das gesamte Budget für den Rest des Jahres ausgegeben hat.
Klingbeil ist bereits genauso gescheitert wie Homer Simpson. Er versucht nur, das hinter pompösen Worten zu verstecken. Die Stromsteuer senken für normale Arbeitnehmer? Sozialversicherungen wie Pflege- oder Krankenkasse sanieren, indem der Bund ihnen das zahlt, was er ihnen eh schuldet? Die Stromsteuer senken für Handwerker und mittelständische Unternehmen? All das ist schon jetzt nicht möglich. Trotz 850 Milliarden Euro neuer Schulden. Noch während Klingbeil eine sorgenfreie Zukunft verspricht, dringen die Sorgen schon durch.
Dabei ist Klingbeil der Mann für das Thema Wirtschaft. Nicht nur in der SPD. Sondern in der gesamten Regierung. Die Kandidaten der Union für dieses Themenfeld, erweisen sich immer mehr als die Schattengestalten des Kabinetts. Katherina Reiche (Wirtschaft) kann sich nicht durchsetzen. Und Karsten Wildberger ist eingesetzt, um den Staat zu verschlanken, ist aber vor allem damit beschäftigt, sein eigenes Ministerium aufzubauen. Kanzler Friedrich Merz (CDU) lässt Klingbeil das Feld der Wirtschaft freiwillig. Er gibt derweil den Bundesaußenkanzler.
Also übernimmt Klingbeil das Thema Wirtschaft: “Wir sehen, dass die wirtschaftliche Stimmung sich verbessert”, feiert er sich selbst. Und macht es wieder nötig, diesen Wortwulst zu zerstechen. Die Stimmung in Umfragen mag sich verbessert haben, die Eckdaten in der tatsächlich existierenden Wirtschaft nicht. Die Stimmung mag sich auch deshalb verbessert haben, weil 850 Milliarden Euro neuer Schulden ja nicht einfach weg sind, nachdem sie eine Regierung ausgegeben hat. Sie sind nur woanders. Oft genug bei denen, die in solchen Umfragen befragt werden.
Offen ist, wie die Verhandlungen um Zölle mit den USA ausgehen werden. Klingbeil, Friedrich Merz‘ eigentlicher Wirtschaftsminister, spricht sich für “Gegenmaßnahmen” zu dem aus, was Donald Trump fordert. Er will also nichts weniger als einen Wirtschaftskrieg mit dem Land, dessen Fracking-Gas Deutschland seit dem Ukraine-Krieg bezieht.
“Ich hoffe, dass wir uns einig sind, dass Energiepreise entscheidend sind für Wettbewerbsfähigkeit eines Landes.” Das sagt Klingbeil. An anderer Stelle. An der Stelle mit den Zöllen scheint er es wieder vergessen zu haben.
Der wirtschaftliche Erfolg Deutschlands wird gerade für den Schuldenmacher Klingbeil wichtig. Daran erinnert ihn dezent sein Koalitionspartner, Mathias Middelberg. Der Haushaltsexperte der Union analysiert, dass Deutschland derzeit noch seine Kredite für günstige 2,5 Prozent Zinsen erhalte. Doch schwächelt die Wirtschaft weiter derart, bei nun auch extrem steigenden Schulden, dann drohen dem Land deutlich höhere Zinssätze. Fast das Doppelte könne möglich sein. Schon bei gleichbleibenden Zinssätzen steigt die jährliche Last des Bundes laut Finanzministerium von 33 auf rund 50 Milliarden Euro im Jahr. Zehn Prozent des gesamten Haushalts. Mit schlechteren Sätzen wäre es entsprechend noch mehr.
Michael Espendiller (AfD) spricht daher von der “Monstrosität dieses Schuldenhaushalts”. Er nennt Klingbeils Entwurf – 503 Milliarden Euro Ausgaben bei 421 Milliarden Euro Einnahmen – einen “finanzpolitischen Amoklauf”. Der Minister verzichte darauf, klar zu analysieren, welche Ausgaben wegfalllen könnten. Grundlegende Strukturreformen gehe die schwarz-rote Regierung eben nicht an. Etwa wenn es darum gehe, die Arbeitsmoral anzuheben, die in Deutschland am Boden läge: “Warum soll man sich anstrengen, wenn einem von der eigenen Arbeit so wenig übrigbleibt, dass man sich fragt, ob sich das noch lohnt.”
In dem Zusammenhang liefert Klingbeil noch ein sprachliches Zuckerl: “Mein Anspruch ist, dass Wachstum bei allen ankommt.” Klingt gut. Nur ist halt unter Kanzler Olaf Scholz (SPD) die Wirtschaft zweimal in Folge geschrumpft. Und so gesehen hat Klingbeil irgendwie recht: Denn das Schrumpfen des Wohlstands ist ja beim Bürger durchaus angekommen. Es ist nicht schön, dem Schuldenmacher zuzuhören. Aber nötig.