Knapp 40 Prozent: Warum es bei den Grenzkontrollen auf die „vulnerablen Gruppen“ ankommt

vor etwa 10 Stunden

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Bildquelle: Apollo News

Am Donnerstag sprach Innenminister Dobrindt in seinem Pressestatement davon, dass in den letzten sieben Tagen 32 von 51 Personen, die ein Asylgesuch gestellt hatten, zurückgewiesen worden waren (Apollo News berichtete). Das entspricht einem Anteil von 62 Prozent. Die anderen Migranten wurden nach Deutschland gelassen, weil sie als „vulnerable Gruppen identifiziert“ wurden. Wie „vulnerable Gruppen“ jedoch definiert werden, ist nicht eindeutig.

Dobrindt führte am Donnerstag weiter aus, dass in der Woche davor 44 Personen ein Asylgesuch gestellt hatten und alle nach Deutschland gelassen worden waren. Bereits in seiner ersten Presseerklärung am 7. Mai hatte er angekündigt, dass mehr Grenzkontrollen durchgeführt werden sollen. Vulnerable Gruppen sollen aber nicht zurückgewiesen werden. Zu den vulnerablen Gruppen gehören unter anderem Schwangere und Kinder sowie Schwerkranke, aber auch „andere vulnerable Gruppen“, wie der Innenminister sagte (mehr dazu hier).

Daraufhin fragte Apollo News beim Bundesinnenministerium an, wie vulnerable Gruppen definiert werden. Ein Sprecher teilte mit: „Eine abschließende Auflistung von vulnerablen Personen gibt es aber ausdrücklich nicht, denn die Gründe, warum eine Person im konkreten Einzelfall besonders schutzbedürftig ist, sind so vielfältig, dass eine Auflistung schlicht nicht möglich ist.“

Weiter heißt es aus dem Innenministerium: „Es wäre nicht sachgerecht, eine Person, die erkennbar vulnerabel ist, an der Grenze zurückzuweisen, weil ihr Fall nicht in einer Auflistung steht. Für die bundesweit einheitliche Anwendung sorgt die Bundespolizei mittels interner Vorschriften bzw. Leitfäden.“ Doch auch die Bundespolizei konnte keine eindeutige Definition geben.

Auf die Frage von Apollo News teilte die Bundespolizei mit: „Eine pauschale Aussage oder gar Definition zu bzw. von möglichen vulnerablen Personen kann nicht getroffen werden, da immer der konkrete Einzelfall betrachtet wird. Beispielsweise können dazu Familien mit Kleinstkindern oder auch Schwerstkranke zählen.“ Zugleich verweist die Polizeibehörde aber auch auf „verbindliche bundeseinheitliche Vorschriften und Leitfäden, die maßgeblich auf nationalen und unionsrechtlichen Bestimmungen basieren“.

Angesichts dieser Leitfäden würde eine „einheitliche Verfahrensweise auch bei kritischen Einzelfällen sichergestellt“. Die Antworten vom Bundesinnenministerium und von der Bundespolizei legen nahe, dass man sich nicht festlegen will. In einem Leitfaden des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge aus dem Juni 2022 werden vulnerable Gruppen sehr umfangreich definiert. Nicht nur Frauen, Kinder und Kranke fallen darunter, sondern auch Folteropfer, „geschlechtsspezifisch Verfolgte“, Opfer von Menschenhandel, psychisch Kranke, Alte oder Analphabeten.

Im Leitfaden heißt es, dass diese Gruppenauflistung nicht abschließend ist. Angesichts dessen, dass vulnerable Gruppen beim Asylgesuch nicht abgewiesen werden sollen, ist die Definition des Begriffs von entscheidender Bedeutung. In den letzten sieben Tagen wurden den obigen Zahlen nach schließlich etwa vierzig Prozent derer, die ein Asylgesuch stellten, nach Deutschland gelassen – obwohl man dazu nicht verpflichtet ist. Wie sich die Zahlen der Zurückweisungen in Zukunft entwickeln werden, ist noch offen und hängt auch davon ab, wie die Bundespolizei den Begriff vulnerable Gruppen in der Praxis auslegt.

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