Koalitionsausschuss: Wie die deutsche Politik an ihr Ende kommt

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Dieser Koalitionsausschuss war nicht der Anfang von etwas. Er ist das Ende. Oberflächlich betrachtet, war es ein Standard-Termin, wie es im politischen Berlin Dutzende gibt. Treffen, Fotos, Pressegespräch. Blickt man tiefer, blickt man in Abgründe. Dieser Koalitionsausschuss zeigt das Ende einer Politik, die hochtourig um sich selbst kreist, nicht liefert und die politischen Ränder stark macht.

Sozialsystem und Haushalt gehören zu den größten Problemen, über die – völlig zu Recht – in den letzten Wochen zwischen Kanzler Friedrich Merz (CDU) und SPD-Sozialministerin Bärbel Bas hart gestritten wurde. Herausgekommen ist beim Koalitionsausschuss (wieder einmal) ein Stillhaltebeschluss bei behaupteter guter Stimmung. Wer den Berliner Politikbetrieb kennt, weiß: Bis zur Kommunalwahl in NRW (14. September, Stichwahlen 28. September) geschieht erst einmal gar nichts, dann wird man eine Kabinettsklausur aufwändig planen, es wird einen „Fahrplan“ geben, dann „Eckpunkte“, man wird „auf den Weg bringen“, „Signale setzen“ und „Weichen stellen“, und wenn es wirklich gut läuft, gibt es einen schmerzfreien Kompromissbeschluss bis zum Jahresende. In Krafttreten: zweites Quartal 2026.

SPD-Sozialministerin Bärbel Bas

Wer in den letzten Jahren einigermaßen aufmerksam die Bundespolitik verfolgt hat, der weiß, dass diese Methode nicht mehr funktioniert. Motto: tausendmal gehört, tausendmal ist nichts passiert.

Das ist nicht nur ineffizient und zu langsam, es ist auch ein Symptom fortschreitender Entkernung und Zerlegung von überfälligen Entscheidungsprozessen und deren Ersatz durch leeres Prozedere. Das zeitliche Zusammenfallen mit der 39-Prozent-Umfrage für die AfD in Sachsen-Anhalt ist längst kein Warnsignal mehr, sondern eine dröhnende Sirene für einen dysfunktionalen Politikbetrieb.

Da treffen sich Ende August hoch bezahlte Vollzeit-Politiker von Union und SPD zu einer Klausur der Fraktionsvorstände in Würzburg, schreiben anschließend auf, was ohnehin schon im Koalitionsvertrag stand, und freuen sich, mehr über die „Zumutbarkeitsgrenzen“ der anderen Seite gelernt zu haben. Im Klartext: Menschen, deren Hauptjob die Politik ist, brauchen eine eigene Klausur, um die politischen Mitbewerber kennenzulernen. Kein Konzernchef überlebt, wenn er die Konkurrenz nicht kennt.

Friedrich Merz (CDU), Bundeskanzler, und Markus Söder, Ministerpräsident von Bayern

Kanzler Friedrich Merz spricht öffentlich von „zehn Prozent“ (etwa fünf Milliarden Euro), die beim Bürgergeld eingespart werden müssten und könnten. Die Wahrheit ist: Er hat keine Ahnung, wo und wie das geschehen soll, hat keinen Plan im Kopf oder in der Schublade, den er für die Umsetzung der SPD auf den Tisch legen könnte und muss beim Koalitionsausschuss schlicht alles, was er vorher markig versprochen hat, wieder einsammeln. Es werde keine Kürzungen beim Sozialstaat geben, sagt er.

Wer, wie die Union, den Reformbedarf des Landes RICHTIG erkannt hat, dann aber nicht liefert, muss sich nicht wundern, wenn er in Umfragen verliert und abgewählt wird. Wer wider besseres Wissen in einer Rezession den Sozialstaat opulent hält, während das wirtschaftliche Fundament der Sozialsysteme wegbricht, fährt das Land frontal an die Wand. Wer eine Energiepolitik fortsetzt, die zur berechtigten Flucht von Investoren und Unternehmen führt, weil das Heruntersubventionieren von Netzentgelten keine dauerhafte Lösung ist, ruiniert das Land.

Wer öffentlich trotz Milliarden-Krediten über Steuererhöhungen zum Schließen von Haushaltslöchern streitet und gleichzeitig der Ukraine neun Milliarden Euro Unterstützung verspricht, der hat ganz offensichtlich jedes Gespür für die Stimmung im Land verloren. Selbst überzeugte Unterstützer Kiews wollen den Krieg gegen Russland nicht mit dem flauen Gefühl des wirtschaftlichen Niedergangs in Deutschland abwägen.

Die Wahrheit ist: Union und SPD haben in der Sozialpolitik so gut wie keine Schnittmengen und wollen in entgegengesetzte Richtungen. Sprecht es aus oder haltet den Mund. Wenn Politiker wie Heidi Reichinnek (Linke) gefeiert werden, dann liegt es daran, dass da jemand einfach, gerade, unverbogen sagt, was er denkt. Das mag Blödsinn sein, aber er verbiegt sich nicht und ist authentisch.

Auftritte wie beim Koalitionsausschuss vom Mittwoch sind die Verkörperung eines versagenden Politikbetriebs und eines Politikstils, den sich die teilnehmenden Politiker bei Strafe des Untergangs völlig zu Recht nicht mehr leisten können. Das Land kann es schon lange nicht mehr.

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