
Im Koalitionsvertrag versprachen Union und SPD: „Nach Afghanistan und Syrien werden wir abschieben – beginnend mit Straftätern und Gefährdern.“ Passiert ist seit Regierungsübernahme jedoch nichts.
Das bestätigt nun auch die Antwort des Innenministeriums auf eine Kleine Anfrage des AfD-Bundestagsabgeordneten Sebastian Münzenmaier. „Nach Kenntnisstand der Bundesregierung sind im Zeitraum vom 1. Januar 2025 bis zum 31. Mai 2025 keine afghanischen oder syrischen Staatsangehörigen nach Afghanistan oder Syrien abgeschoben worden“, heißt es in der Antwort vom 4. Juli, die NIUS exklusiv vorliegt. „Der Bundesregierung liegen nur Zahlen bis zum 31. Mai vor.“
Dass Abschiebungen nach Afghanistan möglich sind, hatte die Vorgängerregierung am 30. August 2024 bewiesen: Damals startete ein Abschiebeflug mit 28 schwerkriminellen Afghanen an Bord, die obendrein noch ein Handgeld von 1.000 Euro erhielten. Möglich machten die Abschiebungen „technische Kontakte“ über ein Büro in Katar, das die Taliban dort unterhält. Anschließend versprach die damalige Innenministerin Nancy Faeser (SPD), dass es „zeitnah“ weitere Abschiebungen nach Afghanistan geben würde. Doch die Ampel-Koalition blieb untätig. Weitere Rückführungen nach Kabul gab es nicht.
Die Abschiebung der afghanischen Straftäter erforderte viel Sicherheitspersonal.
Die Union höhnte von einer „Eintagsfliege“ und einem „Ablenkungsmanöver“ der Innenministerin. Alexander Throm, der innenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, kritisierte bei NIUS: „Es braucht dringend wieder Abschiebungen nach Afghanistan und Syrien und nicht nur von Straftätern. Die einmalige Abschiebung nach Afghanistan zeigt, dass es geht. Aber das war wohl eine Eintagsfliege, kurz vor den Wahlen in Sachsen und Thüringen.“
Nach fast zwei Monaten in der Regierung zeigt sich nun: Auch die Versprechungen der Union sind bislang nicht mehr als heiße Luft. Die Bundesländer schieben auch unter Schwarz-Rot bislang nicht nach Syrien oder Afghanistan ab.
Innenminister Alexander Dobrindt (CSU) verspricht nun, direkt mit den Taliban zu verhandeln, um endlich Abschiebungen vorzunehmen. „Mir schwebt vor, dass wir direkt mit Afghanistan Vereinbarungen treffen, um Rückführungen zu ermöglichen“, sagte er. Bislang liefen Kontakte zu den Taliban ausschließlich über Dritte – für Dobrindt nicht tragbar: „Das muss sich ändern.“
Dobrindt kündigte zudem an, auch mit der syrischen Führung eine Vereinbarung zur Rücknahme von Staatsbürgern treffen zu wollen. Verhandlungen mit den Taliban, die als Terrororganisation eingestuft wird, wären widersprüchlich, meinte am Freitag hingegen der SPD-Innenpolitiker Sebastian Fiedler. Das Thema sei „ein Ritt auf der Rasierklinge“. Die Regierungskoalition ist in der Frage also nicht geeint.
Innenminister Dobrindt möchte nach Afghanistan abschieben und dafür mit den Taliban verhandeln.
Die Bundesregierung steckt in einem Dilemma. Wenn sie mit den Taliban redet, um Abschiebungen zu ermöglichen, gibt es intern Bedenken, somit der Regierung in Kabul Legitimität zu verleihen. „Die Bundesregierung erkennt die de facto Regierung der Taliban politisch nicht als legitime Regierung Afghanistans an“, bestätigte kürzlich Regierungssprecher Stefan Kornelius.
Gleichzeitig verwies er auf den Koalitionsvertrag, laut dem Straftäter nach Syrien und Afghanistan abgeschoben werden sollen. Der Bundeskanzler unterstütze das mit Nachdruck. Das Ziel sei wichtig, aber schwierig. Es gebe „viele Wege, um ans Ziel zu kommen“. Konkreter wurde die Bundesregierung bislang nicht. Klare Antworten vermeidet man.
Nach Angaben des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) lebten zum Stichtag 31. Mai genau 11.423 ausreisepflichtige Afghanen in Deutschland. Rund 9600 von ihnen besitzen eine Duldung – also eine „vorübergehende Aussetzung der Abschiebung“. Wie viele Straftäter unter den Afghanen sind, konnte das BAMF nicht sagen.
AfD-Politiker Münzenmaier fordert die Bundesregierung nun zum Handeln auf: „Wenn Dobrindt mehr als ein Ankündigungsminister sein möchte, muss er endlich liefern. Anstatt darüber zu diskutieren, ob entgegen aller Versprechungen sogar noch weitere Afghanen durch die Bundesregierung eingeflogen werden, müssen endlich Abschiebeflieger in die andere Richtung starten.“
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