Bei der Sicherheitspolitik müssen leere Versprechen genügen

vor 19 Tagen

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Nun ist er also da: CDU/CSU und SPD haben ihren Koalitionsvertrag für die 21. Legislaturperiode vorgelegt. Wie lange auch immer diese Legislaturperiode dauern mag. Der Titel ist gleichermaßen hochtrabend, simpel und langweilig: „Verantwortung für Deutschland“. Auf 144 Seiten gibt es 6 Kapitel mit insgesamt 18 Unterkapiteln auf 4.588 Textzeilen. Nun harrt der Koalitionsvertrag noch der Zustimmung der Parteigremien (CDU und CSU) bzw. des gesamten Parteivolkes (SPD). Anfang Mai 2025 soll dann ein neuer Kanzler gewählt werden, der auch „seine“ endgültige Kabinettsliste vorlegt.

Mit das Spannendste im Koalitionsvertrag hätten angesichts der sicherheitspolitischen Lage in Europa und angesichts volatiler geopolitischer Pläne von US-Präsident Donald Trump die Aussagen der angehenden Koalition zu den Themen Bundeswehr und äußere Sicherheit werden können. Nun, die Koalitionäre haben sich redlich bemüht, aber im Grunde gibt es hier ein „Weiter so“ der verflossenen „Ampel“. Kaum Neues unter der Sonne!

Man findet nichts Konkretes zu folgenden Fragen: Wie groß soll die Bundeswehr (derzeit 180.000 „Mann“) personell wirklich werden? Wie soll der geplante personelle Aufwuchs erfolgen? Was heißt bei der Personalrekrutierung Freiwilligkeit, was heißt „schwedisches Modell“ in concreto? Wie viel Prozent BIP-Anteil soll die Bundeswehr bekommen? Welche Waffensysteme sollen allein oder mit Partnern entwickelt oder gekauft werden? Welche Waffen sollen in welchem Umfang an die Ukraine geliefert werden? Was, wenn die USA sich mehr und mehr aus der NATO zurückziehen sollten?

Beruhigend ist immerhin, dass die „Landes- und Bündnisverteidigung“ als zentrale Aufgabe der Bundeswehr hervorgehoben wird. Das ist implizit eine Absage an große Auslandseinsätze, die in der Vergangenheit nicht nur die Bundeswehr, sondern ganz Deutschland viel gekostet haben: Siehe allein Afghanistan (17,3 Milliarden) oder Mali (4,3 Milliarden).

Aussagen zum Finanzbedarf bzw. zur Finanzausstattung der Bundeswehr bleiben dennoch vage. Wörtlich heißt es im Koalitionsvertrag: „Die Ausgaben für unsere Verteidigung müssen bis zum Ende der Legislaturperiode deutlich und stringent steigen. Die Höhe unserer Verteidigungsausgaben richtet sich nach den in der NATO gemeinsam vereinbarten Fähigkeitszielen … Wir streben deswegen die Einführung eines mehrjährigen Investitionsplans für die Verteidigungsfähigkeit an, der im Einklang mit dem Deutschen Bundestag langfristige finanzielle Planungssicherheit gewährleistet, um damit den Bedarfen der Bundeswehr und den Verpflichtungen gegenüber der NATO sowie ihren Fähigkeitsanforderungen gerecht zu werden.“

An anderer Stelle liest man im Vertrag: „Die beschriebene Bedrohungslage zwingt uns mit dem Ziel der Abschreckung zur Erhöhung unserer Verteidigungsausgaben.“ Mit Bedrohungslage ist gemeint: „Die größte und direkteste Bedrohung geht dabei von Russland aus, das im vierten Jahr einen brutalen und völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen die Ukraine führt und weiter massiv aufrüstet.“

Die Umsetzung der umstrittenen Änderung des Grundgesetzes (in Kraft seit 25. März 2025) zum Zwecke der besseren Finanzausstattung der Bundeswehr bleibt dennoch vage. Zur Erinnerung: Die jüngsten Grundgesetzänderungen sehen eine teilweise Lockerung der Schuldenbremse vor. Ausgaben für Verteidigung, Zivilschutz und Nachrichtendienste werden ab einer bestimmten Höhe nicht mehr auf die Schuldenregel des Grundgesetzes angerechnet. Dies gilt auch für Militärhilfen für angegriffene Staaten wie die Ukraine. Bisher galten diese Ausnahmen nur für Naturkatastrophen und außergewöhnliche Notsituationen. Für diese Aufgabenfelder müssen Ausgaben bis zu einer Höhe von einem Prozent des nominellen Bruttoinlandprodukts durch den Haushalt finanziert werden. Sind höhere Ausgaben erforderlich, könnten diese nach der Grundgesetzänderung über die Aufnahme neuer Schulden gedeckt werden. Ob es schließlich 2,0 oder 2,5 oder 3,5 oder – wie zuletzt von US-Präsident Trump gefordert – 5 Prozent des BIP für Verteidigung sein werden, bleibt offen. (Die USA stehen derzeit bei 3,5 Prozent.)

Das vergleichsweise Konkreteste im Koalitionsvertrag ist die Ankündigung eines „Bundeswehrplanungsgesetzes“ bzw. eines „Bundeswehrinfrastrukturbeschleunigungsgesetz“. Das will die Koalition im ersten Halbjahr der Amtszeit auf die Reihe bringen. Klingt forsch, lässt allerdings schon wieder eine Menge Bürokratismus befürchten. Was da genau kommt, lässt sich noch nicht erahnen. Der vermutlich „alte“ und neue Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) hat hier mit heißer Nadel etwas auf seine „to-do“-Liste geschrieben bekommen.

Ansonsten findet sich im Koalitionsvertrag ein interessantes Detail. Unter der Überschrift „Strategische Forschungsfelder“ wird angekündigt: „Wir bauen die Friedens- und Konfliktforschung sowie Regionalforschung (zum Beispiel zu Osteuropa, China, USA) aus und schaffen eine Förderkulisse für Sicherheits- und Verteidigungsforschung einschließlich Cybersicherheit und sicherer Infrastrukturen, um Kooperation von Hochschulen und außeruniversitärer Forschung mit Bundeswehr und Unternehmen gezielter zu ermöglichen.“ Gerade Letzteres würde endlich die unsinnigen „Zivilklauseln“ beenden, zu denen sich viele Bundesländer und zahlreiche Hochschulen verpflichtet haben, um jede sicherheitspolitisch relevante Forschung zu unterbinden.

Eher nicht konsensfähig, zumindest nicht beim Wahlvolk, dürfte indes folgende Aussage im Koalitionsvertrag sein: „Wir stehen zu der auf dem Washingtoner NATO-Gipfel bekräftigten NATO-Beitrittsperspektive für die Ukraine.“

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