Wie viel Kohl steckt in Trump? Der Kanzler der Einheit würde sich für seine Weichei-Partei wohl schämen

vor etwa 1 Monat

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In unseren Tagen sorgt US-Präsident Donald Trump mit seinem unkonventionellen Kommunikationsstil für Furore – dabei ist das seine Reaktion auf den Hass, den Journalisten über ihn ausgießen. Ganz ähnlich wie bei Helmut Kohl, der als Bundeskanzler 16 Jahre lang geschmäht wurde – und seine medialen Gegner links liegen ließ oder zurückblaffte. Kohl hatte noch Überzeugungen, die seine Partei gegenwärtig über Bord wirft, wozu vor allem eine klare Abgrenzung auch zum linken Extremismus gehörte.

Helmut Kohl war der letzte deutsche Politiker, der nicht mithilfe, sondern gegen den Widerstand der Medien erfolgreich war. Anders als der mediengewandte Gerhard Schröder, der glaubte, mit „Bild, BamS und Glotze“ regieren zu können, oder Angela Merkel, die von der Selbstgleichschaltung der Mainstream-Medien profitierte, pfiff der CDU-Kanzler auf das, was die Presse über ihn schrieb. Spätestens seit er Parteichef wurde und erst recht als Kanzler hatte er sie gegen sich, wurde als „Oggersheimer“, als Provinzler verlacht, als „Birne“ geschmäht.

Er war das Gegenstück zum weltmännischen Hamburger Helmut Schmidt, ein Pfälzer, der Dialekt sprach, eher nicht telegen war, jedes Jahr Urlaub am Wolfgangsee machte und am liebsten Saumagen aß. Kohl stammte aus Ludwigshafen, „Oggersheim hingegen klang dörflich und vertrottelt. So wurde ich in der Propaganda der Linken der Mann aus Oggersheim“, meinte Kohl in einem Interview. Die übliche Masche sei gewesen, ihn als „der tumbe Tor aus Oggersheim, ungebildet, kaum der deutschen Sprache mächtig“ darzustellen.

Das Satire-Magazin Titanic machte sich ständig über Kohl lustig.

Karikaturisten und Kabarettisten arbeiteten sich an ihm ab, und vor allem Spiegel, Spiegel TV, Stern und Zeit ließen kaum ein gutes Haar an ihm. Die Abneigung beruhte auf Gegenseitigkeit. Kohl brachte der Presse grundsätzlich Misstrauen entgegen, insbesondere den erwähnten Hamburger Medien. „Ich brauch’ die alle nicht“, so Kohl über sein Verhältnis zur Presse. Er warf ihr Bosheit und üble Nachrede, Hohn und Häme, Verleumdung und Diffamierung vor, hielt sie allesamt für Gesinnungsjournalisten und sagte ihnen das auch ins Gesicht. Am liebsten Spiegel-Reportern:„Von allen Ihren Kollegen stellen Sie in Deutschland die dümmsten Fragen! Aber ich gewinne trotzdem die Wahl, was immer Sie ...“ – „Sie kommen hierher mit einer vorgefassten Meinung. Mich interessiert Ihre Frage jetzt wirklich überhaupt nicht!“ –„Interview mach‘ ich ganz gewiss jetzt keines. Mach‘ ich sonst nicht, warum soll ich’s heute machen?“ – „Lesen Sie Ihr Magazin am Montag, da haben Sie für den Rest der Woche zu tun!“ Über den Spiegel sagte er 1996: „Warum ich diesem Magazin keine Interviews gebe? Es muss in Bonn eine Kläranlage geben. Aber niemand kann mich zwingen, in ihr zu baden.“

Einen derart robusten Umgang mit der „vierten Gewalt“ traute sich sonst keiner. „Er sagte nur: Na ja, ihn würde ja mal interessieren, welche Giftspritze jetzt bald wieder in die Chefredaktion des Spiegel einziehen würde.“, meinte Rene Pfister einmal, räumte aber ein: „Man muss zugegebenermaßen sagen, der Spiegel hat sehr, sehr schlecht über Helmut Kohl geschrieben.“

Kohl spottete über „journalistische Prachtexemplare“, die ihm auflauerten, um ihm das Wort im Munde herumzudrehen. „Sie wollen doch ‘ne Verleumdung starten, das seh’ ich Ihrem Gesicht an. Deswegen hab‘ ich keine Absicht, mich mit Ihnen zu unterhalten.“ Lästige Reporter schüttelte er ab wie ein Pferd die Fliegen: „Ich geh’ jetzt gemütlich rüber und Ihr geht gemütlich weg.“

Drei Dialoge verdeutlichen Kohls Umgang mit seinen Kritikern aus Presse, Funk und Fernsehen:

„Wiederholen Sie doch, dass ich mich freue, dass wir die Wahl gewinnen, dass ich mich freue, dass Ihnen das keine Freude macht, und deswegen macht mir das eine doppelte Freude. Ist doch ‘n schönes Interview. Für wen machen Sie’s denn?“„Spiegel TV.“Kohl (lacht): „Na gut, das kann man vergessen… Hörn‘se mal, wenn Sie von Spiegel TV sind, warum fragen Sie dann überhaupt?“

„Von welchem Sender sind Sie denn?“„Vom Norddeutschen Rundfunk.“„Ja, so sehen Sie auch aus. So sehen Sie aus und so sind Sie auch. Sie sind ein erbärmlicher Journalist…“

Journalist: „Der Herr Hinze kuckt so traurig, haben Sie mit ihm geschimpft, Herr Bundeskanzler?Hinze: „Hohoho, unverschämt…“Kohl: „Lass dich doch nicht provozieren. Er weiß ganz genau, dass du net traurig kuckst, er braucht aber jetzt ‘n Bericht, die Kamera läuft schon, um diesen Schafkäse abzusetzen.“

Auch ohne Gegenöffentlichkeit, wie Donald Trump sie heute nutzt – wie Social Media im Internet, Influenzier, Blogger oder reichweitenstarke Podcasts – schaffte Kohl es, trotz heftigen medialen Gegenwinds 16 Jahre Kanzler zu bleiben. Das lag auch an seiner unerschütterlichen Art, sich als Mann der Mitte zu inszenieren, der Kurs hielt, dessen Karawane weiterzog, auch wenn links und rechts des Weges die Hunde bellten. Heute würde man ihn „umstritten“ nennen, aber das wäre Kohl egal.

Auf die Frage, ob er in den eigenen Reihen politische Feinde habe, sagt er schon im Jahr 1966: „Oh ja. Jeder Politiker, der agiert, der handelt, der notwendigerweise dann Entscheidungen herbeiführt oder erzwingt, hat Gegner. Vielleicht ist Feinde nicht das richtige Wort, obwohl es in der Politik, auch in den eigenen Reihen, Feinde gibt, ich habe sicher derer in nicht unerheblicher Zahl.“

In seiner Dauer-Auseinandersetzung mit den etablierten Medien, die er für „tot“ hält, geht Trump sin die Vollen, fragt bei Pressekonferenzen – wie Kohl gern nach –, für wen der Journalist arbeitet, und lässt dann ein süffisantes „Ach, ich dachte, die gibt’s gar nicht mehr“ fallen. Wie Kohl macht er keinen Hehl aus seiner Verachtung für einen Großteil der Zunft, unterstellt frank und frei, dass Journalisten oft voreingenommen sind und er auf ihre Berichterstattung über ihn nichts gibt. Beide, Kohl und Trump, wussten und wissen, dass der Bedeutungsverlust linker Meinungsmacher die Zunft hart trifft.

Wie Kohl sagt auch Trump feindseligen Journalisten ins Gesicht, was er von ihnen hält – nämlich nichts.

Hätte Kohl länger gelebt und die Lockerungsübungen seiner Partei in Richtung der umbenannten SED mitansehen müssen – was würde er gesagt haben und heute sagen? Als Merkel 2020 die Wahl des FDP-Mannes Thomas Kemmerich „rückgängig machen“ ließ, um einem kommunistischen Ministerpräsidenten wieder ins Amt zu verhelfen? Als die CDU in Thüringen mit dem Bündnis Sahra Wagenknecht eine Koalition einging und die Linke mit ins Boot nahm, Unvereinbarkeitsbeschluss hin oder her? Als sich in Sachsen Michael Kretschmer von der Linken ins Amt verhelfen ließ? Als dieser Tage Schleswig-Holsteins CDU-Landesvater Daniel Günther seine Partei dazu drängte, mit der Linken zu kooperieren, um per Grundgesetzänderung die Schuldenbremse abzuschaffen?

Als Machtmensch war Kohl nicht zimperlich, doch hätte er sich wie Friedrich Merz (den er zu dessen Zeit als Fraktionsvorsitzender einmal ein „politisches Kleinkind“ genannt haben soll) vom Junior-Partner komplett über den Koalitionstisch ziehen lassen? Für seine aktuelle CDU, an der nichts Konservatives mehr ist und die aus Machtkalkül sogar mit den Kommunisten paktiert, würde er sich, diese Spekulation ist wohl nicht zu gewagt, wohl schämen. Wie Trump und seine Regierung, die den Sozialismus offen ablehnen, war Kohl ein entschiedener Gegner der Linken, auch wenn er sich deren Erfolg damit erklären konnte, dass „ihre Ideologie eine gewisse Anziehungskraft hat“, weswegen es sie „immer geben“ werde. In gewissen Kreisen gelte es als chic, links zu sein. Dabei richte sich das linke Menschenbild nach einer Ideologie aus, was in der Geschichte „noch nie funktioniert“ habe.

Über die „Sozen“ spottete er gern mal, brachte aber als Historiker der SPD als Partei mit geschichtlicher Bedeutung großen Respekt entgegen. Helmut Schmidt hielt er eher für einen treuen Sozialdemokraten, „kein Linker im sozialistischen Sinn“. Er habe „wertkonservative Vorstellungen“ gehabt, „die von meinen nicht weit entfernt waren“. Deswegen hätten viele Linke Schmidt nicht gemocht. Ob Kohl beinharten Genossinnen wie Saskia Esken oder Nancy Faeser ähnlichen Respekt entgegengebracht hätte?

Mit Ideologie hatte Kohl nichts am Hut, seine Politik war eher von Pragmatismus gekennzeichnet: „Unsere Mitbürger interessieren keine ideologischen Luftschlösser, interessieren keine sozialistischen Heilslehren.“, sagte Kohl schon im Jahr 1976, und: „Wir wollen keinen Sozialismus und keine sozialistische Misswirtschaft, wir wollen nicht mehr Bürokratie und keine sozialistische Gleichmacherei. Wir wollen im besten Sinne des Wortes mehr Freiheit statt mehr Sozialismus in der Bundesrepublik.“Aus der von Kohl bei seinem Amtsantritt 1982 geforderten „geistig-moralischen Wende“ wurde zwar nichts, im Gegenteil bildete sich gerade in den 80ern ein linksliberaler Mainstream heraus, und die Grünen stiegen mit ihrer Dauerpanikmache vom drohenden Dritten Weltkrieg über Atomtod, Waldsterben und Umweltvergiftung bis zum Ozonloch politisch auf. Aber Kohl lag es fern, sich den Grünen anzubiedern.

trickjackenträger Kohl und Gorbatschow 1990 im Kaukasus.

Als Pragmatiker war Kohl mitunter auch in der Lage, falsche Einschätzungen zu korrigieren. Hatte er noch 1986 über den sowjetischen Parteichef Michail Gorbatschow gesagt, dieser sei „ein moderner kommunistischer Führer, der sich auf Public Relations versteht“, so wie auch Goebbels sich auf PR verstanden habe, fiel sein Urteil über Gorbatschow von Treffen zu Treffen positiver aus – bis hin zum legendären Treffen im Juli 1990 im Kaukasus, wo die beiden in vertrautem Umgang (Stichwort „Strickjackendiplomatie“) die Einheit gemeinsam vorantrieben. Trump hat zwar eine deutlich direktere Art, weiß aber wie Kohl, dass ein gutes persönliches Verhältnis und gegenseitiger Respekt für einen Deal erfolgversprechender sind als ein mutwilliger Konfrontationskurs.

Auch die Skepsis der Briten und Franzosen hinsichtlich eines wiedervereinigten Deutschlands nahm Kohl ernst und räumte die Ängste vor einer gesamtdeutschen Macht im Herzen Europas diplomatisch geschickt aus – an eine Außenministerin, die Russland mal en passant den Krieg erklärt, oder an einen Bundespräsidenten, der einen US-Präsidenten „Hassprediger“ schimpft, war noch nicht zu denken.

Halle, 1991: Wütend geht Kohl auf den Eierwerfer los.

Gleichwohl teilte Kohl gern aus, wenn es gegen linke politische Gegner und linke Journalisten ging („Ich hoffe, Ihre Frage ist nicht wieder länger als meine Antwort“). Und einmal war er sogar drauf und dran, handgreiflich zu werden: Als 1991 in Halle an der Saale jemand aus der Menge ein rohes Ei auf ihn warf, stürmte Kohl auf den Übeltäter zu und konnte nur schwer davon abgehalten werden, dem Mann an den Kragen zu gehen. Kohl später: „Ich bin nie davongelaufen. Wenn ich den gekriegt hätte, dann hätte er auch ‘ne Tracht bezogen. Ich weiß, dass das heutzutage auch alles pädagogisch ganz falsch ist, aber hier ging’s mir nicht um Pädagogik, sondern was ich mir gefallen lasse und was ich mir nicht gefallen lasse.“

In unseren Zeiten, wo hochempfindliche Politiker Gerichte und NGOs bemühen, um Kritiker anzuschwärzen und stummzuschalten, sehnen sich nicht wenige Bürger nach deutlichen Worten à la Trump – oder wünschen sich eben einen Kohl zurück. Lesen Sie dazu auch:Warum Trump den Kampf um die Bilder gewinnt – und auch deutsche Medien das Fürchten lehrt

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