
Uwe Lühr gehört zu den Helden im Pantheon der FDP. 1990 gewann er für die Liberalen in der Bundestagswahl den Wahlkreis Halle-Altstadt. Das hatte allerdings mehr mit Hans-Dietrich Genscher zu tun als mit Lühr. Halle war die Heimat des damaligen Außenministers und als Held von Prag war er in der ehemaligen DDR entsprechend beliebt. Prominenz aus der Bundespolitik kann bei lokalen Entscheidungen eine entscheidende Rolle spielen.
Wie jeder weiß, kommt der Vorsitzende der Grünen, Felix Banaszak, aus Duisburg. Das weiß deshalb jeder, weil Banaszak es jeden wissen ließ. So unbekannt wie er war, hat Banaszak (36) versucht, sich als der Horst Schimanski der Bundespolitik zu inszenieren. Er stamme aus einer Dynastie von Stahlarbeitern, verbreitete Robert Habecks Nachfolger. Auf Nachfrage blieb davon übrig, dass einer seiner Großväter im Stahlwerk gearbeitet haben soll.
Dann sollten Fotografen sicherstellen, dass Banaszak als einer der harten Hunde aus der Duisburger Schule rüberkommt. Sie zeigten ihn bei einer Bahnfahrt. Wie er auf dem Boden sitzt. Für einen, der das Leben nur aus Kreißsaal, Hörsaal und Plenarsaal kennt, die maximale Eskalation eines Lebens am Abgrund. Diese Inszenierung wäre schon erbärmlich genug, wenn sich davor nicht ein halbes Dutzend anderer Grüner an ihr versucht hätte, darunter Robert Habeck. Und der Steuerzahler Abgeordnete wie Banaszak mit einem Rundumsorglos-Ticket der Bahn versorgt, erste Klasse de luxe – so dass der Polit-Schimanski gar nicht auf dem Boden sitzen müsste, wenn es nicht für die Kamera wäre.
Ein Helikopter-Kind des Politbetriebs, das auf harten Hund macht. Ein Parteivorsitzender, der inhaltlich vor allem für höhere Steuern, mehr Verbote im Namen des Klimaschutzes und Ausschalten der größten Oppositionspartei durch ein Verbotsverfahren steht… Wie beliebt kann so einer sein? Ist er wie einst Hans Dietrich Genscher in der Lage, seine Partei in seiner Heimat über die Maßen nach vorne zu bringen? Nun… Nein.
Im Durchschnitt erreichten die Grünen in der Kommunalwahl in Nordrhein-Westfalen 13,5 Prozent. Im Duisburger Stadtparlament waren es 9,1 Prozent. Trotz Partei-Prominenz aus Berlin – oder halt wegen ihr – schneiden die Duisburger Grünen also unterm Schnitt der Partei ab. Kann man Banaszak daran die Schuld geben? Ja. Durchaus. Vor fünf Jahren, als Habeck noch der Vorsitzende der Bundespartei war, erreichten die Duisburger Grünen 17,7 Prozent. Landesweit haben die Grünen im Schnitt 6,5 Prozentpunkte verloren, in Duisburg 8,6 Prozent. Mit einem Genscher im Rücken erreicht eine Partei sensationelle Erfolge, mit einem Banaszak besonders brutale Niederlagen.
Die Duisburger SPD hat ein Ergebnis oberhalb ihres Landesschnitts erreicht. Der lag bei 22,1 Prozent. In Duisburg schafften die Sozialdemokraten 32,6 Prozent. Entgegen dem Landestrend konnten sie in der Heimat Schimanskis und Banaszaks ihr Ergebnis damit im Vergleich zu 2020 um etwa zwei Prozentpunkte verbessern. Das dürfte vor allem am beliebten Oberbürgermeister Sören Link liegen, der die Probleme der Einwanderung deutlich benennt und Razzien veranlasst, die gegen systematischen Sozialbetrug durch Einwanderer gerichtet sind. Mit 46 Prozent ist Link ein starkes Ergebnis in der Direktwahl ums Bürgermeisteramt gelungen. Es wäre also unredlich, wenn sich Bärbel Bas seinen Erfolg an ihre Brust heftet, nur weil sie auch aus Duisburg kommt. Das wird die Arbeitsministerin und SPD-Bundesvorsitzende aber kaum davon abhalten.
Eigentlich müssten die Grünen glänzend dastehen. Zumindest müssten sie bei lokalen Wahlen wie jetzt in Nordrhein-Westfalen mit Rückenwind aus Berlin rechnen können. Die schwarz-rote Regierung wackelt. Sie hat eine Schuldenorgie gestartet und von Anfang an ihr Versprechen gebrochen, diese Schulden vor allem für Investitionen, statt für Konsum verwenden zu wollen. In Sachen Reformen zeigt die Regierung Friedrich Merz (CDU) sich handlungsunfähig – und so zerstritten wie die Ampel in ihrer Schlussphase.
Doch die Grünen können als Opposition davon nicht profitieren. Zum einen, weil sie als Reserve-Regierungspartei eher wie ein verlängerter Arm der schwarz-roten Regierung wirken – als wie eine glaubhafte Alternative zu ihr. Zum anderen, weil es ihrem Führungspersonal an jeglicher Art von Charisma fehlt. Banaszak versucht wenigstens dieses Manko mit seiner Schimanski-Inszenierung zu beheben. Franziska Brantner, Katharina Dröge und Britta Haßelmann tun so, als ob sie die Maßeinheit werden wollten, in der Farblosigkeit künftig gemessen wird.
Allen vier gemein ist, dass sie für die unsympathischsten Eigenschaften der Grünen stehen: deren Arroganz und ihren Hang zu Doppelmaßstäben. Schuld an ihrer Niederlage in Nordrhein-Westfalen ist laut Banaszak eine “Folge einer grundsätzlichen politischen Verschiebung”. Die Grünen haben also alles richtig gemacht. Nur die Welt um sie herum hat sich zu ihrem schlechten verändert. Es liegt jetzt an der Welt, wieder so zu werden, dass die Grünen in ihr erfolgreich sind.
Wie zu erwarten ist auch der böse “Rechtsruck” Teil von Banaszaks Analyse. Gegen den wollen sich die Grünen stellen. Als seien sie der zentrale Teil der Lösung – statt der Ursache. Als ob es nicht Habecks Politik gewesen wäre, die ein nie gekanntes Schrumpfen der Wirtschaft der Bundesrepublik ausgelöst hätte. Als ob es nicht Annalena Baerbocks Politik gewesen wäre, die Deutschland international isoliert hätte. Als ob die beiden nicht über 1300 mal auf Staatskosen Bürger verklagt hätten, weil diese ihnen nicht so huldigen wollten, wie es die grüne Obrigkeit erwartet. Der Wähler geht nicht zur AfD, weil regierende Parteien wie die Grünen so agieren wie sie agieren. Sie verlassen die Grünen, weil die Welt sich zum Schlechten verändert und es in Deutschland einen Rechtsruck in der Mitte gegeben hat. So zumindest das Selbstbild der Grünen.
Hans Dietrich Genscher konnte in der ehemaligen DDR helfen, demokratische Wahlen zu gewinnen, weil er als einer der Akteure zu erkennen war, die davor das Regime der Einheitspartei zu überwinden halfen. Felix Banaszak ist einer, der hilft, das Land auf die Linie dieser ehemaligen Einheitspartei zu bringen. Aktuell stehen die Grünen unter Banaszak vor allem für die Forderung die größte Oppositionspartei verbieten zu wollen. Was zumindest aus der Sicht von Little Schimanski Sinn macht: Nur eine gleichgeschaltete Presse kommt auf die Idee, in ihm einen Spross des Stahlarbeiter-Proletariats zu sehen – nur eine Einheitsliste kann Banaszak ein Ergebnis bringen, das seinem Selbstbild gerecht wird.