
In England steht die Reform-Party vor ihrem ersten großen Wahlsieg: Am Donnerstag wählen die Bürger von 23 Kreisen ihre Lokalvertretungen. In sechs Kreisen wird zudem der Kreisbürgermeister gewählt. Die Partei von Nigel Farage hat laut Umfragen gute Chancen, bei diesen Wahlen in den Lokalvertretungen zur stärksten Kraft zu werden. In zwei der vier Bürgermeisterwahlen, zu denen es Umfragen gibt, liegen die Kandidaten von Reform zudem ganz vorne.
Sollte sich der Erfolg von Reform am Wahlabend bestätigen, wäre es das erste Mal, dass die Partei nennenswerte politische Macht gewinnen würde. Besonders im Vergleich zur letzten Unterhauswahl im Juli 2024 hat sich die politische Stimmung im Land radikal verändert. Damals holte Labour unter der Führung des heutigen Premierministers Keir Starmer noch eine der größten Mehrheiten in der Nachkriegsgeschichte – Reform konnte zwar nach Stimmen mit rund 14 Prozent drittstärkste Kraft werden, gewann aufgrund des Mehrheitswahlrechts jedoch nur fünf der 650 Sitze im Unterhaus.
Doch Labour droht bei den Wahlen, die vor allem in der für die Partei traditionell schwachen Region Südenglands stattfinden, ein Absturz – ebenso wie den Konservativen, die, als in den Gebieten im Jahr 2021 zuletzt gewählt wurde, auf der Höhe ihrer Popularität waren. Reform, das bisher in ganz Großbritannien nur etwas mehr als 100 Kommunalabgeordnete besitzt, könnte seine Zahl von Kommunalabgeordneten versechsfachen.
Anders als erhofft, konnte die Labour-Regierung die Hoffnungen der Briten bislang noch nicht erfüllen: Für das laufende Jahr wird nur ein Wirtschaftswachstum von einem Prozent erwartet. Die Zahl der ankommenden Migranten konnte die Regierung auch noch nicht senken: Dieses Jahr kamen bis Ende April rund 10.000 Migranten mit „kleinen Booten“ nach Großbritannien – 40 Prozent mehr als im gleichen Vorjahreszeitraum.
Anders als in den Jahren wenden sich die Bürger des Landes jedoch nicht mehr zu der anderen der beiden traditionell großen Parteien – den Konservativen. Nach fast 15 Jahren konservativer Führung bis 2024, scheint bei den Menschen auch die Unzufriedenheit über diese Partei immer noch zu groß zu sein. Stattdessen suchen sich immer mehr Menschen eine Alternative: Reform.
In der neuesten Umfrage zur Unterhauswahl von „Find Out Now“ steht die Partei von Farage bei 29 Prozent – und hätte sich so praktisch verdoppelt. Labour büßt unterdessen rund 13 Prozent ein und liegt mit nur 21 Prozent weit hinter Reform. Auch die Konservativen verlieren gegenüber der letzten Wahl und stehen nur noch bei 19 Prozent.
Die nationalen Umfragewerte werden sich freilich auch auf die Kommunalwahlen auswirken. Gleichzeitig steht auch eine Wahl für den Unterhaussitz „Runcorn and Helsby“ an. Der Sitz wurde 2024 durch einen Labour-Abgeordneten gewonnen – sollte Reform gewinnen, könnte das ein weiteres Ausrufezeichen für das sich verändernde politische Klima im Land sein.
Reform hat zuletzt seinen Migrationskurs deutlich verschärft. Nachdem Farage sich in den Wochen nach der Wahl von US-Präsident Donald Trump gegen Massenabschiebungen in Großbritannien ausgesprochen hatte, revidierte er das kürzlich bei einer Wahlkampfrede. Dabei kündigte er an, 1,2 Millionen illegale Migranten aus dem Land abschieben zu wollen. Außerdem verspricht Reform nun, im Falle dessen, dass die Partei an die Regierung kommt, ein Abschiebeministerium einrichten zu lassen.
Nun blickt ganz England auf die Bezirke, in denen gewählt wird. Auch wenn das Land vor allem von der Hauptstadt London aus regiert wird, wäre die Signalwirkung, wenn Reform plötzlich die Mehrheit in mehreren Kommunalparlamenten stellen würde, immens.