
In einigen Bundesländern ist es Polizeibeamten inzwischen erlaubt, religiöse Kopfbedeckungen wie einen Turban oder ein Kopftuch zu tragen.
Gerade Polizeibeamte sollten im Dienst besonders darauf achten, als objektive Instanz zu agieren. In ihrem Arbeitsalltag müssen sie Konflikte schlichten, zwischen verfeindeten Parteien vermitteln und als neutrale Autorität des demokratischen Rechtsstaates wahrgenommen und respektiert werden.
Das Neutralitätsgesetz legt fest, dass weder politische noch religiöse Überzeugungen zur Schau gestellt werden sollten. Doch in puncto „religiöse Überzeugungen“ werden zunehmend Abstriche gemacht.
Vor kurzem zeigte die Sendung „Buten un Binnen“ von Radio Bremen, einer öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt und Mitglied der ARD, einen Beitrag über neue Polizeianwärter in Bremen. Darin zu sehen: ein junger, freundlich lächelnder Polizist mit einem Turban. Doch: Ist diese Kopfbedeckung mit dem Neutralitätsgebot vereinbar?
Eine Sprecherin des Innensenators bestätigte auf NIUS-Anfrage: Ja, das Tragen des Turbans ist Polizisten grundsätzlich erlaubt. Ebenso ist das Tragen eines religiösen Kopftuchs gestattet.
In der Antwort heißt es weiter: „Wir haben erstmals eine Situation in unserer Polizeiausbildung, die sowohl die Religionsfreiheit als auch die Grundsätze staatlicher Neutralität betrifft. Derzeit absolviert ein Anwärter bei der Polizei Bremen seine Ausbildung, der aus religiösen Gründen einen Turban trägt. Diese Kopfbedeckung ist Ausdruck seiner religiösen Überzeugung und wird von ihm auch während der praktischen Ausbildung getragen. Wir respektieren die Religionsfreiheit aller unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und stehen für eine vielfältige Polizei, die unsere Gesellschaft widerspiegelt.“
Demonstranten und Polizisten stehen vor einer Propalästinensischen Demonstration auf dem Königsplatz.
Gleichzeitig, so heißt es weiter, sei das Tragen religiöser Kopfbedeckungen „aus praktischen Gründen und zum Schutz der eigenen Sicherheit bereits jetzt in verschiedenen Einsatzsituationen nicht möglich, etwa, wenn Helm oder Atemschutz getragen werden müssen.“ Aktuell befinde sich eine Rechtsverordnung des Senators für Inneres und Sport in der Abstimmung, die das Tragen religiöser Kopfbedeckungen im Polizeidienst künftig regeln soll.
NIUS hat auch bei den Innenministerien der restlichen 15 Bundesländer nachgefragt: Dürfen die dortigen Beamten im Dienst religiöse Kopfbedeckungen tragen?
Von folgenden Ministerien haben wir Antwort erhalten.
Saarland:„Ob religiöse Symbole im Dienst getragen werden dürfen, hängt im Einzelfall insbesondere davon ab, in welcher Form bzw. Ausgestaltung die religiösen Symbole getragen werden. Handelt es sich bei den religiösen Symbolen um Bekleidungsstücke (z. B. Turban/Dastar, Kippa, Kopftuch), sind diese – sofern nicht das Gesicht verdeckt wird – grundsätzlich zulässig. Handelt es sich bei den religiösen Symbolen um eine Art Schmuck, ist Ziffer 5.3.1 der Dienstkleidungsvorschrift zu beachten. Danach soll zur Uniform grundsätzlich kein sichtbarer Körperschmuck getragen werden. Gegen dezenten Schmuck ist grundsätzlich dann nichts einzuwenden, wenn das Tragen nicht zu einer erhöhten Eigen- oder Fremdgefährdung führen kann und die Ausgestaltung und das Motiv des Schmucks einem angemessenen äußeren Erscheinungsbild der Polizistin bzw. des Polizisten nicht entgegenstehen. Handelt es sich um Hautzeichnungen (z. B. Tätowierungen, Tilaka), dürfen diese nach Ziffer 5.3.3 der Dienstkleidungsvorschrift unabhängig von einem religiösen Kontext im Dienst nicht sichtbar sein.“
Schleswig-Holstein: Hier gibt es laut Sprecherin bislang keine Regelungen, die ausschließlich für den Polizeivollzugsdienst gelten. Allgemein gelte für Beamte des Landes Schleswig-Holstein, dass „religiös oder weltanschaulich konnotierte Merkmale des Erscheinungsbilds eingeschränkt oder untersagt werden können, wenn sie objektiv geeignet sind, das Vertrauen in die neutrale Amtsführung der Beamtin oder des Beamten zu beeinträchtigen.“ Allerdings heißt es weiter: „Diese Regelungen enthalten kein grundsätzliches Pauschalverbot für religiöse oder weltanschauliche Symbole, sondern lassen Einzelfallentscheidungen zu, in denen die Dienstbehörde danach differenzieren kann, in welcher Funktion und in welchem Aufgabenbereich die Beamtin oder der Beamte auftritt.“
Rheinland-Pfalz:„Ein generelles Verbot des Tragens eines Kopftuchs besteht bei der Polizei Rheinland-Pfalz nicht. Vielmehr ist im Einzelfall insbesondere mit Blick auf die konkrete Verwendung der Mitarbeitenden eine Abwägung zwischen dem Neutralitätsgebot, den sicherheitsrelevanten Erfordernissen und den individuellen Grundrechten der Bewerberinnen und Bewerber vorzunehmen. Der Zugang zum öffentlichen Dienst in Rheinland-Pfalz erfolgt diskriminierungsfrei und im Einklang mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben.“
Allerdings stünden dem Tragen eines Kopftuchs im Außendienst sicherheitsrelevante Aspekte entgegen: „Ein Kopftuch könnte bspw. vom polizeilichen Gegenüber dafür genutzt werden, um einen Würgegriff anzusetzen. So werden bei der Uniform auch sog. Clip-Krawatten verwendet, um Eigensicherungsrisiken – wie etwa das Strangulieren an einer herkömmlichen Krawatte – zu vermeiden. Das Kopftuch kann sowohl die erforderliche einheitliche Wirkung der Polizeiuniform beeinträchtigen als auch im Einsatz eine erhöhte Individualisierungswirkung entfalten. Gerade bei eskalativen Einsätzen besteht die Gefahr, dass eine Polizeibeamtin mit Kopftuch aufgrund dieser Individualisierung verstärkt in den Fokus von Störern gerät und somit einem erhöhten Risiko ausgesetzt ist.“
Nordrhein-Westfalen:„Grundsätzlich ist es möglich, dass Musliminnen in Polizeibehörden im Dienst mit Kopftuch tätig sind, jedoch nicht in der Aufgabe als Polizeivollzugsbeamtinnen.“
Sachsen-Anhalt:„Die Bestimmungen über den Dienstanzug der Polizei regeln, welche Bekleidungsstücke zur Uniform gehören. Eine Ergänzung um individuelle bzw. private Kleidung, die die Einheitlichkeit und den Zweck der Uniform (Legitimation, Neutralität, Sicherheit) infrage stellt, ist grundsätzlich nicht vorgesehen und kann nach Maßgabe des § 34 Abs. 2 Beamtenstatusgesetz (BeamtStG) unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls eingeschränkt oder untersagt werden.“
Berlin:„Alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Polizei Berlin dürfen ausschließlich dienstlich zur Verfügung gestellte Kopfbedeckungen tragen. Diese sind die Schirmmütze, das Barett, das Base-Cap, die Wintermütze oder die entsprechenden Einsatzhelme.“
Baden-Württemberg: „Die Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten des Landes Baden-Württemberg sind verpflichtet, im Dienst ein neutrales äußeres Erscheinungsbild zu wahren. Durch das Neutralitätsgebot, das im Beamtenstatusgesetz geregelt ist, dürfen Polizistinnen und Polizisten keine religiösen Symbole sichtbar im Dienst tragen.“
Hessen:„Das Tragen von religiösen Symbolen während des Dienstes ist nicht gestattet. Polizeibedienstete haben sich im Dienst politisch, weltanschaulich und religiös neutral zu verhalten.“
Hamburg: „Momentan ist es nicht möglich, während der Dienstausübung eine religiöse Kopfbedeckung zu tragen.“
Für den uniformierten Dienst gelten in Bayern strenge Anzugsbestimmungen als Dienstvorschrift.
Bayern: „Das Tragen eines Kopftuchs ist objektiv geeignet, das Vertrauen in die neutrale Amtsführung der Beamtin oder des Beamten zu beeinträchtigen, da dies Zweifel an der Unabhängigkeit, Neutralität oder ausschließlichen Bindung an Recht und Gesetz hervorrufen könnte. Dies würde der Pflicht des Staates zu weltanschaulich religiöser Neutralität widersprechen. Diese Neutralitätspflicht lässt sich aus dem Beamtenstatusgesetz ableiten. Ferner gelten bei der Bayerischen Polizei für den uniformierten Dienst die ‚Anzugsbestimmungen für die Bayerischen Polizei‘ als Dienstvorschrift. Danach ist im Außendienst grundsätzlich eine Kopfbedeckung zu tragen. Die Uniformteile sind aber abschließend aufgezählt. Damit ist das Tragen einer religiösen Kopfbedeckung im uniformierten Dienst nicht erlaubt.“
Niedersachsen: „Aufgrund der bestehenden Regelungen zum Tragen von Dienstkleidung ist es in Niedersachsen für Beamtinnen der Schutz- und Wasserschutzpolizei grundsätzlich nicht möglich, den Dienst mit privaten Kopfbedeckungen/ Kopftüchern zu versehen, dies gilt auch, wenn sie der Religionsausübung dienen.“
Sachsen: „Beamten der Sächsischen Polizei sind im Dienst nur dienstlich gelieferte Kleidungsstücke nach VwV Erscheinungsbild Polizei Sachsen gestattet. Grundlage dafür ist § 74 Sächsisches Beamtengesetz, womit der Gesetzgeber den Zweck verfolgt, die Neutralität der Amtsträger zu gewährleisten.“
Mecklenburg-Vorpommern:In Mecklenburg-Vorpommern ist das Tragen einer religiösen Kopfbedeckung nicht gestattet.
Mehr NIUS: Polizeigewerkschafts-Boss Wendt zur Regenbogenflagge: „Vertrauen in die Polizei wird als politische Bühne missbraucht“