
Die Vergütung einer Abgeordnetentätigkeit war schon immer strittig. Einerseits sollen die Mandatsträger wirtschaftlich unabhängig sein, andererseits spiegeln ihre Leistung und ihr Arbeitsergebnis ein fünfstelliges Gehalt plus Aufwandsentschädigung und Privilegien oft nicht wider. Jedenfalls nicht im vierten Jahr einer bisher in der Bundesrepublik unbekannten Rezession.
Zum 1. Juli 2025 werden die Diäten der 630 Bundestagsabgeordneten (MdB) wieder steigen. Beschlossen wurde am 5. Juni, zu beschließen war nur, ob erhöht wird oder nicht. Das Maß der Steigerung richtet sich nach der Nominallohnentwicklung und der Besoldung von Richtern an obersten Bundesgerichten. Es ist sozusagen eine Halbautomatik, der unweigerlich der Ruch der Selbstbedienung anhaftet.
Die neue „Diät“ steigt um 606 Euro pro Monat auf dann 11.833 Euro (brutto), eine Summe, die den Normalverdiener beeindruckt. Für Geringverdiener, die meist am Ende des Geldes noch viel Monat vor sich haben, ist die Summe kaum vorstellbar. Hinzu kommt eine monatliche steuerfreie Aufwandsentschädigung in Höhe von 5.350 Euro für den Unterhalt eines Wahlkreisbüros inklusive Mitarbeitern sowie Reisen und Material. Weiterhin werden Sachkosten in Höhe von 12.000 Euro jährlich erstattet, zum Beispiel für die Büroausstattung.
Was wird in anderen Ländern in den höchsten Parlamenten gezahlt? Teils weniger als in deutschen Landtagen. Beispiele (erstellt mit Hilfe von ChatGPT):
Frankreich: 577 Abgeordnete, 7.637 Euro (brutto), steuerfreie Pauschale für Amtsausgaben in Höhe von 5.373 Euro monatlich, kostenlose Bahnreisen, zeitweise Dienstwagennutzung Österreich: 183 Abgeordnete, 9.375 Euro (brutto), 14 Zahlungen und Budget für Mitarbeiter 4.950 Euro pro Monat, Pflichtversicherung in der staatlichen Pensionsversicherung Polen: 460 Abgeordnete, 2.560 Euro (brutto) Grunddiät (nur für Abgeordnete ohne Nebeneinkünfte), 800 Euro (netto) parlamentarische Diät, monatliches Pauschalbudget zur Finanzierung des Wahlkreisbüros: ca. 4.000 – 4.450 Euro, kostenfreie Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel Spanien: 350 Abgeordnete, Grundgehalt 3.127 Euro (brutto), 14 Zahlungen, Diäten (netto): 935 – 2.008 Euro je nach Wohnort, Taxi-Guthaben bis 3.000 Euro pro Jahr, Reisegeld 120 Euro pro Tag (Inland), 150 bei Auslandsreisen
Nebeneinkünfte sind im Bundestag übrigens unbegrenzt erlaubt, sie mindern die Diät nicht, sie müssen nur angezeigt werden. Bei Arbeitnehmern ist das schwieriger, sie müssen nachweisen, dass die Nebentätigkeit nicht die Leistung im Hauptberuf schmälert. Bundesminister hingegen können in den Ländern als Ministerpräsidenten kandidieren, dort wahlkämpfen und ihren Bundesministerjob in Teilzeit ausüben, so wie seinerzeit Norbert Röttgen (CDU) beim Landtagswahlkampf in NRW oder jüngst Nancy Faeser (SPD) in Hessen. Röttgen wurde damals wenigstens gefeuert.
Ein paar Privilegien werden traditionell gern genommen und beibehalten, so die Bahncard 100 erster Klasse, Flugkosten werden oft als Dienstreise vom Bundestag direkt oder indirekt der Fraktion erstattet. Abgeordnete und Regierungsmitarbeiter (die den Wanderzirkus Berlin-Bonn betreiben) sind die Vielflieger des Landes. Dennoch erheben einige den grünen Zeigefinger, wenn Max Mustermann aus Bottrop den einzigen Urlaub im Jahr am Ballermann verbringt und nicht mit Lastenrad und Fähre reist. Innerdeutsche Flugverbote, auch von einigen MdB schon gefordert, wären zu begrüßen. Die Eigenfinanzierung solcher Flüge wäre ein erster Schritt dahin.
Die Fahrbereitschaft des Bundestages erleichtert das Reisen innerhalb Berlins und vermeidet lästigen Bevölkerungskontakt im ÖPNV. Die Fahrten zahlt der Bundestag, nebenbei lassen sich auch Parteiarbeit und Privates erledigen.
Optional gibt es einen Krankenversicherungszuschuss. Ein üppiger Altersversorgungsbeitrag in Höhe von 2,5 Prozent der Diät pro Jahr ist ein schönes Extra. Für diese ihre staatliche Altersversorgung zahlen sie nichts ein, obwohl die Diät weit über der Beitragsbemessungsgrenze der Rentenversicherung (8.050 Euro pro Monat) liegt, also die Abgeordneten auch selbst vorsorgen könnten. Zwei Legislaturperioden, also acht Jahre, reichen für mindestens 2.000 Euro monatlicher Pension aus, das erreichen viele Rentner nach 45 Arbeitsjahren nicht. Dazu kommen Renten- oder Pensionsansprüche aus Zeiten vor und nach dem Mandat. Fraktionsvorsitzende und ihre Stellvertreter, Ausschussvorsitzende (24) und ihre Stellvertreter und 37 parlamentarische Staatssekretäre bekommen natürlich höhere Diäten.
Das als Hinweis, wo die Reichen im Land vor allem zu suchen sind. Es sind nicht die Mittelständler, Gewerbetreibenden und Handwerksmeister, es sind Politiker, selbst die auf der Hinterbank, die mit Erringung eines Mandats und genug Sitzfleisch-Kondition finanziell für den Rest des Lebens oft ausgesorgt haben.
Nach dem Ende der Abgeordnetentätigkeit wird ein Übergangsgeld gezahlt, das die Rückkehr ins Arbeitsleben erleichtern soll. Es fällt sich weich aus dem Bundestag. Dazu kommt die Angeordneten-Immunität, die eine Hürde für die Bearbeitung auch berechtigter Strafanzeigen darstellt. Selbst wer hunderte Millionen Euro aus dem Staatshaushalt verschwendet, wie Ex-Minister Habeck, wird durch die Immunität geschützt.
Automatisierte Diätenerhöhungen stehen im krassen Gegensatz zur Lohnentwicklung im Land, die erwirtschaftet werden muss, oft hart erstritten in Tarifverhandlungen, manchmal mit Streiks und dem Risiko von Aussperrungen. Die Diät soll Unabhängigkeit sichern, aber wer als Abgeordneter draußen im Land nicht annähernd so viel verdienen könnte wie im Bundestag, der wird sich hüten, unabhängig und kritisch gegen die eigene Fraktion aufzutreten, Partei- und Fraktionsvorsitzenden zu widersprechen. Generell ist eine angemessene Vergütung der Abgeordneten nötig und zu respektieren, regelmäßige Diätenerhöhungen sollten allerdings nicht im krassen Gegensatz zu schlechter Regierungs- und Parlamentsarbeit stehen. In einer tiefgreifenden Rezession wie derzeit ist jegliche Diätenerhöhung einfach ungerecht gegenüber den Bürgern, die als Folge schlechter Politik ihre Kaufkraft verlieren, ihren Wohlstand und zum Teil sogar ihre Jobs. Diese Diätenerhöhung spricht jedem Leistungsprinzip Hohn.
Übrigens: Putin ist nicht schuld an unserem wirtschaftlichen Sinkflug. Was er in der Ukraine macht – Energieversorgung und Infrastruktur zerstören – das machen wir bei uns selbst. Kraftwerke zerstören, Brücken, Straßen, Schienen unzureichend in Stand halten, Bürokratie und Planwirtschaft vorantreiben, Mangel erzeugen und Inflation anheizen.
Das jetzige System der Abgeordnetenvergütung setzt die falschen Anreize. Die fünfstelligen Diäten plus Zulagen, Privilegien und Altersversorgung sind ein Magnet vor allem für Funktionäre in den Parteiapparaten, die im zivilen Berufsleben kein annähernd adäquates Einkommen erzielen würden. Hätte sich Claudia Roth weiter als Bandmanagerin durchschlagen müssen, wäre sie jetzt wohl auf Bürgergeld. Das Parlament solle einen Querschnitt der Bevölkerung abbilden, heißt es. Das stimmt insofern, dass sich der sinkende Bildungsstand der Bevölkerung auch im höchsten Parlament auswirkt. Ausnahmen gibt es natürlich. Annalena Baerbock, ehemalige Abgeordnete und Außenministerin, spricht fünf Sprachen, manchmal sogar in einem einzigen Satz. Arbeitnehmer und Unternehmer aus der freien Wirtschaft sind im Bundestag deutlich unterrepräsentiert, was das Zustandekommen einiger wirtschaftsfeindlicher Gesetze wie zum Beispiel des Energieeffizienzgesetzes erklärt.
Das System hält Gutverdiener aus Wirtschaft und Wissenschaft, Spezialisten und die hochintelligente Elite der Gesellschaft vom Wechsel in die Politik ab, da sie finanziell zum Teil einbüßen würden und selbständig denken. So hat sich ein System etabliert, das Markus Krall in seinem Buch „Wenn schwarze Schwäne Junge kriegen“ als „feindliche Übernahme der Parteien durch minderbegabte Karrieristen“ beschreibt. Vorrangig junge Parteifunktionäre treiben die in Aussicht stehende hohe Diät und die Zusatzleistungen in den Kandidatenstand, den sie sich im Listenkampf der Parteien hart erstreiten müssen.
Dabei sind fachliche Qualifikationen weniger gefragt, eher ein stromlinienförmiges Einfügen in die Parteistrukturen, gutes Netzwerken, intrigieren und der Gebrauch der Ellenbogen. Diese Chance auf ein fünfstelliges Gehalt, das sie in einem normalen Arbeitsleben zumeist nicht erreichen würden, ist ein großer Magnet, um die Ochsentour durch die Parteigremien aufzunehmen.
Die Karriereleiter eines zunehmenden Anteils von Bundestagsabgeordneten (Kreißsaal – Hörsaal – Plenarsaal) führt dazu, dass immer mehr Abgeordnete mit mangelnder Kenntnis der Lebenswirklichkeit und teils zweifelhaften Bildungsverläufen im Bundestag sitzen, oft ohne jeden Berufs- und Studienabschluss. Eine Parteikarriere eröffnet den direkten und schnellsten Weg über die Liste zum großen Geld.
Es gibt mit einiger Sicherheit keine Entgeltlösung für Abgeordnete, die vollständig gerecht und der Qualifikation und Persönlichkeit des jeweiligen Abgeordneten angemessen ist. Eine permanente Pro- und Kontradiskussion wird bleiben, egal wie eine Neuregelung aussähe. Ex-Familienministerin Kristina Schröder hat Recht, wenn sie die Unabhängigkeit der Abgeordneten auch in finanzieller Hinsicht in den Vordergrund stellt. Aber ihre Aussage „ein Abgeordneter zählt qua Amt (!) zur Elite unseres Landes – und sollte den anderen Eliten auch in finanzieller Hinsicht zumindest einigermaßen auf Augenhöhe begegnen können“, unterschlägt, dass viele Abgeordnete in ihrer Persönlichkeit mit einer Elite nichts zu tun haben.
Es gäbe in einer Demokratie keine höhere Legitimation als die Wahl durch den Souverän. Das ist mit Blick auf die Listenkandidaten zu bezweifeln. Das geltende Wahlrecht führte dazu, dass eine Drei-Prozent-Göring-Eckhardt im Bundestag sitzt, aber 23 direkt gewählte Abgeordnete nicht in diesen einzogen.
Näher an der Lebenswirklichkeit neu gewählter Abgeordneter wäre ein Vergütungssystem, dass der Entlohnungsregelung freigestellter Betriebsräte ähnelt. Das bisher erzielte Gehalt würde weitergezahlt analog der Regelung im Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) Paragraf 37, einschließlich eines Rückkehrrechts auf den alten Arbeitsplatz nach Beendigung des Mandats, sofern es sich um einen mitbestimmten Betrieb oder den Öffentlichen Dienst oder eine Behörde handelt. Hinzu kämen natürlich die Aufwandsentschädigung und die Sachkostenerstattung, die den Betrieb eines Abgeordneten- und Wahlkreisbüros erst möglich machen.
Zugestehen müsste man eine auch einkommensmäßige Weiterentwicklung, die erfolgt wäre, wenn der oder die Abgeordnete im Beruf geblieben wäre. Dies kann durch eine angemessene Dynamisierung der dann individuellen Diät erfolgen. Die Vorteile wären die finanzielle Sicherheit für die Abgeordneten, ihr Leben auf bisherigem Niveau weiterführen zu können und für abhängig Beschäftigte, nach dem Mandat beruflich gesichert zu sein.
Fach- und Führungskräfte und Spezialisten mit fünfstelligen Gehältern würden einen Übergang in die Politik erwägen können, sie würden mit Intelligenz, Fachwissen und Ehrgeiz das Parlament bereichern. Externe Beratung würde angesichts der Kompetenz der Abgeordneten weniger nötig sein, Ergebnis wäre eine Politik mit mehr sachlicher Logik und weniger Ideologie.
Parteikader, die in den Jugendorganisationen wie Grüne Jugend, Jusos und Junge Union heranwachsen, hätten wenig Anlass, mit ihren Praktikanten-, Projekt- oder Referentengehältern in den Bundestag zu gehen. Sie würden sich erst im realen Leben entwickeln und beweisen müssen.
Führungskräfte und Spezialisten aus der Wirtschaft mit gutem Gehalt und entsprechender Lebens- und Berufserfahrung hingegen könnten einen solchen Schritt in Erwägung ziehen. Insgesamt würde der Bundestag preiswerter, da im Durchschnitt die Ausgangseinkommen selten im fünfstelligen Bereich liegen dürften.
Eine weitere Option zu Einsparungen wäre die Abschaffung des Fahrdienstes. Es ist den MdB zuzumuten, innerhalb Berlins Taxi zu fahren oder den ÖPNV zu nutzen. Funktionsträger haben ohnehin Dienstwagen. Innerdeutsche Flugreisen müssten mit Verweis auf die Bahncard 100 selbst finanziert werden.
Zudem können die Parteien aus ihrer üppigen Steuergeld-Finanzierungen die Abgeordneten bei Bedarf unterstützen. Die Altersversorgung kann in der Höhe gedeckelt werden, auch langjährige Abgeordnete brauchen in ihrem Ruhestand kein fünfstelliges Salär. Das mag als ungerecht gelten, aber es folgt hier dem linksgrünen Umverteilungsgedanken.
In der Realität wächst indes der staatliche Wasserkopf weiter. Mehr als 200 neue Stellen will die Regierung aufbauen. Kanzler a.D. Olaf Scholz erhält für ein eigens Büro acht Mitarbeiterstellen, teils spitzenmäßig entlohnt. Eine Chance für verdiente Genossen und Innen, die anderswo nach schlechten Wahlergebnissen nicht mehr unterkommen.
Der Öffentliche Dienst wuchs im vergangenen Jahr um 100.000 Stellen, auch Ergebnis wachsender Bürokratie. Etwa genauso viele Stellen gingen in der Industrie verloren. Eine sinnvolle Neuregelung der Abgeordnetenvergütung, egal in welcher Variante, wird realistisch kaum umzusetzen sein. Wer die Frösche fragt, ob der Verschwendungsteich trockengelegt werden soll, wird kein fröhliches Quaken hören. Der Kostenfaktor Bundestag wird steigen, aber eine öffentliche Diskussion darüber sollte es weiter geben – wie auch die Suche nach anderen Varianten einer Diätenregelung.