Kreta: Bürger drängen Boot zurück ins Meer – Frontex rettet es

vor etwa 3 Stunden

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Bildquelle: Tichys Einblick

Das große Kreta und die kleine vorgelagerte Insel Gavdos verzeichnen erneut Höchstzugangszahlen in diesen Spätsommertagen. Und so manchem auf der Insel, der einfach nur die milde Septembersonne genießen will, geht das gegen den Strich. Laut Migrationsminister Thanos Plevris gab es einen „unvermittelten Anstieg der Migrationsströme“ nach Kreta, als rund 850 Migranten an nur einem Wochenende ankamen. Andernorts liest man: 890 innerhalb von 24 Stunden. Beide Zahlen zeigen, wie dynamisch die Lage ist und sein kann.

Immer wahrscheinlicher wird nun eine weitere Aussetzung des Asylrechts für Migranten auf eben dieser Route von Nordafrika nach Kreta. Die Maßnahme gilt freilich schon seit drei Monaten und hat die Schleuser bisher anscheinend nicht beeindruckt. Ob die neueste Gesetzesänderung zur Bestrafung der illegalen Einreisen das ändern wird? Sobald ein Asylantrag abgelehnt wird, stünde illegal Eingereisten demnach eine mehrjährige Haftstrafe bevor, der sie nur durch die freiwillige Ausreise – ins Herkunfts- oder Transitland – entgehen könnten.

Damit das aber wirklich abschreckend auf Schleuser und Migranten wirkt, müsste Asylminister Plevris daneben an einer Senkung der Anerkennungsquoten arbeiten, die bei vielen Nationalitäten zu hoch sind, etwa auch bei Syrern und Afghanen. Daneben finden sich viele weitere Schlupflöcher. Das einfachste ist die illegale Weiterreise in ein anderes EU-Land, entweder über die altgewohnte Balkanroute oder im Flugzeug. Endpunkt ist meist ein Asylantrag in Deutschland. Damit die Magnetwirkung des Kontinents aufhört, bräuchte es eine Entschlossenheit auch anderer EU- und Schengen-Partner, namentlich Deutschlands, das sich grundlegend Gedanken über die eigene Asylgesetzgebung machen müsste.

Die erste Notwendigkeit für die Athener Regierung ist nun: unschöne Bilder auf den Inseln vermeiden. Kreta ist schlecht mit Aufnahmezentren ausgerüstet, weil es auf dieser gesegneten Insel bisher so gut wie keine illegale Migration gab. Die Bedingungen sind dementsprechend schwierig.

Das Kommentariat linker Zeitungen läuft Sturm gegen den Migrationsminister Plevris, einen Rechtsausleger der regierenden Nea Dimokratia. Die Bedingungen der Migranten in den griechischen Lagern seien elend, und daran sei die Regierung schuld – aber nicht weil sie zu viele hineinließ, sondern weil es noch zu wenige sind, so die verquere Logik der Zeitungskritzler. Durch das aktuelle Chaos erweise sich Plevris’ Gesetzesverschärfung schon jetzt als „Bumerang“ und „leerer Buchstabe“. Das ist kein korrekter Syllogismus.

Aber man kann sagen, dass es noch zu begrenzte und zu wenig konzertierte Maßnahmen auch der EU-Partner sind. Die Regierung Mitsotakis müsste den Partnern eben endlich klar machen, dass sie es leid ist, die Durchgangsstation für die Populationsträume der Mitteleuropäer (vor allem: der deutschen Bundesregierung) zu sein. Sie müsste einen EU-Gipfel fordern und, wie sie die EU-Partner trifft, auf gemeinsame Maßnahmen im Innern aller Mitglieder drängen. Wie auch auf einen konsequenten Außengrenzenschutz, der ja ebenfalls in den Verträgen zu finden ist. Doch hier ducken sich auch Athen, Rom und Warschau zu sehr weg, während Madrid sich derzeit noch an die Spitze der Migrationsbefürworter stellt. Der Karol Nawrocki hat nun allerdings einen guten Vorschlag zur inneren Reform gemacht: Sozialleistungen soll demnach nur noch der erhalten, der auch arbeitet.

Im provisorischen Aufnahmezentrum bei Chania sollen nun 1200 Personen untergebracht sein. Die Einrichtung wäre damit dreifach überbelegt. Als am Dienstag noch einmal 109 Migranten dazukamen, drohte die Stimmung zu kippen. Die Rede ist von ernsthaften Zwischenfällen am Abend. Die Folge: Im Aufnahmelager von Agyia bei Chania geht es laut der griechischen Küstenwache „nicht weiter“. Man will seine Arbeit tun, aber unter Bedingungen, die einem Hafencorps angemessen sind. Die Migranten werden also schnellstmöglich in die Lager von Malakasa (Athen) und Serres (Nordgriechenland) verlegt. Ruhmreich ist das nicht, eher notwendig angesichts der widerspenstigen Insulaner. Am Mittwoch tagte der Nationale Sicherheitsrat der Regierung im Amtssitz des Premierministers, und auch Plevris erstattete dort Bericht zur Lage der illegalen Migration.

Zweite Folge: Die Zentralregierung hat die Kreter nun offenbar ausreichend weichgekocht. Zwei Aufnahmezentren sollen auf der Insel entstehen, wie der Regionalgouverneur Stavros Arnaoutakis nach einem Besuch beim Premierminister mitteilte. Auf Griechenlands größter Insel war die örtliche Verwaltung bisher gegen bleibende Einrichtungen. Ob die Zentren dauerhaft sein werden, ist noch unklar.

Arnaoutakis spricht von einer „Explosion“ der Migrationsströme aus Nordafrika, von „beständigen Spannungen“ auf der Insel. Sein Wunsch: Die Ströme aus Libyen sollen weniger werden. Die Bürgermeisterin der Stadt Chania setzt auf ein paar mehr Beaufort, also mehr Wind, die den Migranten die Überreise schwer machen. Anscheinend müssen die Kreter wieder zum Wettergott Zeus beten, damit etwas geschieht. Die neuen Oberherren aus Athen und Brüssel zeigen sich dagegen schon über Monate hinweg machtlos. Eine Bootsfabrik in Ostlibyen will man nun angeblich geschlossen haben, aber daneben turnt EU-Migrationskommissar Magnus Brunner (ÖVP) folgenlos in der Region herum.

Allerdings fragt man sich auch bei manchen Bildern aus Kreta, ob das Gezeigte wirklich so sinnvoll und nötig ist. Kaum angekommen, werden die Migranten da mit frischen Brotlaiben versorgt. Die Bürgerschaft wird umgehend tätig.

Zuvor zeigt der staatliche Sender ERT einen Fischer, der heldenhaft zur „Rettungsaktion“ eilt, um ein paar Afrikaner mehr ins griechische Inselreich zu bringen. Mit anderen Worten: Auch in Griechenland geht die psychologische Operation zugunsten der „armen“ Bootsmigranten, die man „retten“ müsse, weiter.

Ein kleines Aufsehen inmitten dieser Schwierigkeiten erregte ein Video, das zeigt, wie Badende an einem kretischen Strand ein sehr stabil wirkendes Migrantenboot wieder ins Mittelmeer stoßen. Da laufen sie in ihren Badehosen und stemmen das Boot zurück in die Fluten, als ging es auf zu einem neuen Trojanischen Krieg. Der Autor des Video schreibt dazu an den blauen griechischen Himmel: „Ihr seid umsonst gekommen. Gute Heimreise!“

Allerdings soll später die EU-Grenzschutzagentur Frontex das Boot an sich gezogen und die Insassen nach Kreta gebracht haben. Die EU-Grenzschützer schützen offenbar vor allem ihren Ruf als Helfershelfer von kriminellen Schleusern bei der illegalen Einreise.

Außerdem waren die Migranten auf dem Luxusboot offenbar nicht gut über „ihre Rechte“ laut Dublin-III-Verordnung informiert. Sie hätten ja nur ins Wasser springen und an Land laufen müssen, um direkt ins griechische Asylsystem einzugehen. Man könnte auf der anderen Seite sagen: Da sie so genau über das EU-Asylsystem (samt Frontex) Bescheid wussten, hatten sie es nicht eilig, an einem Strand voller feindseliger Europäer zu landen.

Aber wie dem auch sei, die Gesetzesverschärfungen des Thanos Plevris haben ihre Abschreckungswirkung offenbar noch nicht voll entfaltet. Der Politiker wie auch seine EU-Konterparts sollten schleunigst nachladen. Doch hier enthüllt sich eine weitere Funktion der Dobrindtschen Grenzen-zu-Politik: Sie soll davon ablenken, dass das Migrationsproblem Deutschlands wie der EU noch keineswegs gelöst ist. Es ist, wie von TE vorausgesagt: Dobrindt reichte eine kleine, vorübergehende Verringerung der Zahlen, um das Thema aus der politischen Arena hinauszudrängen. Doch die Freiheit und Sicherheit Deutschlands, so darf man sicher sagen, wird auch im Mittelmeer verteidigt. Und dieses Thema kommt für Dobrindt und Merz ganz gewiss wieder – wie ein echter Bumerang.

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