
Unterstellungen treffen auf Sachverstand. Emotionen prallen an Fakten ab. Am Sonntag beurteilen die Gäste bei Miosga, wie der Nahost-Konflikt eskaliert, seit am Freitag die Angriffe Israels auf den Iran begannen.
„Es hat einen romantischen Beginn gehabt, kann man sagen“, konstatiert Isabel Schayani, und diese Wortwahl wird nicht das einzige seltsame Momentum der Sendung bleiben. Die deutsch-iranische WDR-Journalistin hat viele Kontakte in der alten Heimat, die alle zunächst gedacht hätten, Israel würde sich auf militärische Ziele beschränken. „Am Freitag war das so wie ein Befreiungsschlag“, sagt Schayani, „man hatte so ’ne Naivität.“
Das iranische Volk befinde sich in einer Art Geiselhaft: „Wir haben es zu tun mit einer Autokratie, mit einer Mullahkratie, wo ungefähr 80 Prozent der Bevölkerung gegen dieses Regime sind“, sagt Schayani. Doch wie die beiden folgenden Tage gezeigt hätten, würden die Israelis ganz gezielt auch zivile Ziele attackieren. Und der Grund? Um vom Geschehen im Gazastreifen abzulenken, so Schayani. Nur deshalb seien die Angriffe auf den Iran gerade jetzt und in dieser Härte geschehen.
Ins selbe Horn stößt auch die ARD-Korrespondentin aus Israel, die aus Tel Aviv zugeschaltet ist. Sophie von der Tann spricht von einem Ablenkungsmanöver des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu, „weil er sich jetzt wieder als Mr. Security präsentieren kann“. Das sei schließlich „das Image, das er gern von sich selbst pflegen“ würde.
Für die beiden Geopolitik-Experten am Tisch ist das nicht nachvollziehbar. CNN-Korrespondent Frederik Pleitgen sagt, der Angriff sei eine „hochkomplexe Angelegenheit“ und mit Sicherheit über Jahre vorbereitet worden. Er habe viele Militäroperationen beobachtet, die stets von unzähligen Faktoren abhängten, bis hin zum Wetter. „Die werden dauernd verschoben“, sagt Pleitgen. Deshalb könne Gaza niemals „der alleinige Grund oder Auslöser gewesen sein“.
Bei der Beurteilung der iranischen Militärstärke ist er sich uneins mit dem zweiten Mann am Tisch. Nahost-Experte Guido Steinberg hält die Fähigkeiten des Iran für sehr begrenzt, während Pleitgen aus eigener Erfahrung berichten kann. Er sei persönlich bei den Revolutionsgarden gewesen und habe 750kg schwere Raketen gesehen. Nach seiner Schätzung habe der Iran 2.000 bis 3.000 Raketen, die Israel erreichen können. Darunter sogar Marschflugkörper.
Die Rolle der USA in diesem Konflikt beurteilen beide Männer ähnlich. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Amerikaner jemals Israel nicht unterstützen werden“, sagt Pleitgen. Deshalb werde auch das (von den USA 2018 gekündigte) Atomabkommen mit dem Iran sicher wieder neu angestoßen. „Das ist noch lange nicht gegessen. Ich glaub’ schon, dass diese Verhandlungen wieder stattfinden können.“
Der weitgereiste Pleitgen, der die USA, Russland und den Iran auch von innen kennt, sagt Dinge, die Schayani und Miosga erkennbar gegen den Strich gehen. Beispiel: „Eine Sache ist bei Donald Trump auch wichtig: Ich glaub’, dass Donald Trump keinen Krieg will. Ich glaub’, dass Donald Trump die USA unbedingt aus Krieg raushalten will.“ Miosga wirkt überfordert: „Hat er denn gewusst von den Angriffen?“, fragt sie hilflos. „Natürlich hat er es gewusst“, antwortet Pleitgen, und Steinberg ergänzt, die USA hätten die Angriffe vermutlich „stillschweigend geduldet“.
„Präsident Trump hat es in der Hand, und er will keinen Krieg“, sagt Steinberg. Deswegen glaube er, dass „die Wahrscheinlichkeit recht hoch ist, dass die Israelis frühzeitig abbrechen müssen“. Beide Männer sind sich einig: Auch wenn die Angriffe beider Seiten vermutlich noch eine Weile andauern würden, sei das Ziel am Ende doch, eine Einigung am Verhandlungstisch zu erzielen, um vor allem die Atomgefahr zu bändigen.
Eine Gefahr, die Schayani in Abrede stellt. „Es sehen nicht alle so, und es fällt auch schwer, es neutral zu bewerten“, sagt sie. Das Gerede darüber gebe Netanjahu lediglich „eine Legitimation bei der israelischen Bevölkerung“. Er habe „es immer wieder gesagt“, doch die angebliche Gefahr sei nur eine Vermutung. „Man glaubt es jetzt, und man folgt diesem ganzen Narrativ.“
Steinberg kontert, verweist auf die Erkenntnisse der Internationalen Atomenergie-Organisation IAEO, der westlichen Geheimdienste und vor allem auch auf die Erkenntnisse, die israelische Agenten im Iran zusammengetragen hätten. „Die wissen über alles im Land Bescheid“, sagt Steinberg. „Wenn wir ganz ehrlich sind, wissen die Israelis so gut Bescheid über alles, was sich im Iran abspielt, dass es da aus meiner Sicht überhaupt keinen Zweifel daran gibt.“ Momentan könne der Iran nach eigenen Angaben Uran auf 60 Prozent anreichern. „Von da ist es nur noch ein Schritt bis zur neunzigprozentigen Anreicherung und damit zu waffenfähigem Uran. Diese Anreicherung kann man innerhalb von ein bis zwei Wochen erreichen mit den technischen Mitteln, die die Iraner haben.“
Pleitgen sieht die ganze Debatte eher als Druckmittel des Iran. „Ich bin mir nicht sicher, ob die überhaupt eine Atombombe haben wollen“, sagt er. „Wenn die ’ne Atombombe gehabt haben wollen, dann hätten sie die schon längst gehabt.“ Das Problem sei, das waffenfähige Material in einen Sprengkopf zu bringen“, sagt Steinberg. Denn das dauere „bis zu einem Jahr, es sei denn, man hat russische Hilfe“.
Stichwort Russland. Nun setzt Miosga zu einem Redebeitrag an, der es in sich hat. Weil er exemplarisch zur Kenntlichkeit entstellt, wie überfordert die ehemalige Tagesthemen-Moderatorin als Talkshow-Host ist. Für die Selbstdelegitimierung braucht sie exakt 14 Sekunden. Allein das Vortragen dieses einen Satzes kostet den GEZ-Zwangsgebührenzahler 747 Euro. Für diese Summe erhalten wir im Feinkost-Ersten: „Eine Neuigkeit möchte ich jetzt gern in den Tisch werfen. Ich höre nämlich gerade, dass Donald Trump gerade gesagt hat, er sei offen dafür, dass Wladimir Putin in diesem Konflikt vermittelt.“ Miosga kann kaum an sich halten, sie kiekst und kichert, schaut in die Runde, sucht nach Mitkieksern.
Doch keiner kiekst mit.
Stattdessen zieht ihr Frederik Pleitgen den lustigen Zahn mit genau drei knappen Worten: „Ja, macht Sinn.“ Und weil Miosga so irritiert aus der Bluse schaut, fügt er noch ein paar Sätze nach dem Vorbild der „Tagesschau in einfachen Worten“ an: Trump und Putin „sagen ja auch beide, dass sie ein gutes Verhältnis zueinander haben“. Außerdem seien „Iran und Russland militärisch und auch politisch in den letzten Jahren sehr eng beieinander“ und „füreinander immer wichtiger geworden. Gerade wenn es darum geht, einen direkten Draht zu den Iranern zu haben, ist Wladimir Putin natürlich jemand, der da auch mit verhandeln kann.“
747 Euro sind selten so eindrucksvoll verpufft. Wann verpufft Miosga?