
Es ist Trumps „Letztes Angebot“: Praktisch seit seiner Amtseinführung Ende Januar hat der US-Präsident auf eine schnelle Waffenruhe in der Ukraine gepocht – aber einigen konnten sich beide Seiten bis heute nicht. Zuletzt wies Russland mehrere Deals zurück, bis Putin dann nach Trump-Drohungen überraschend eine recht brüchige Kurzzeit-Waffenruhe über Ostern verkündete.
Jetzt macht ein neues Dokument in Regierungskreisen die Runde, das einen letzten US-Anlauf zu einem Friedensdeal für den Konflikt darstellt, wie unter anderem das US-Portal Axios berichtet. Die Bedingungen für die Ukraine darin sind hart, vor allem folgender Punkt: Eine US-amerikanische Anerkennung der Krim als russisches Staatsgebiet.
Dass die Ukraine militärisch schon seit langem keinerlei Chancen hat, die bereits 2014 von Russland annektierte Halbinsel zurückzubekommen – darüber macht man sich in Kiew und Washington keine Illusionen. Der Plan sieht vor, dass nur die USA die Halbinsel als russisch anerkennen müssten, die Ukraine könnte weiter zumindest diplomatisch ihre Gebietsansprüche beibehalten. Aber dennoch wäre es für das Land äußerst schmerzlich, wenn jetzt ausgerechnet der bisher engste Verbündete auf der anderen Seite des Atlantiks diese weltweit praktisch einhellig als illegal gesehene Landnahme nachträglich legitimiert.
In Washington scheint man jedoch bereit zu sein, diesen Schritt zu gehen, um Frieden zu erreichen. Denn im Gegenzug würde Russland die aktuellen Frontlinien einfrieren. Russisch besetztes Gebiet in der Ostukraine würden weder die USA noch die Ukraine als russisch anerkennen, aber den Frontverlauf eben als Waffenstillstandslinie akzeptieren. Es käme sogar zu leichten Gebietsgewinnen der Ukraine durch den Rückzug einiger russischer Truppen in der Region Charkiw.
So symbolisch schmerzhaft gerade die Krim-Frage wäre, was Gebiete angeht, ist all das eine realistische Option: Beide Seiten behalten mehr oder weniger das, worüber sie jetzt schon militärisch die Kontrolle haben und stellen die Kämpfe ein. Und da eine erfolgreiche ukrainische Offensive sowieso nicht in Sicht ist – im Gegenteil, im Westen fürchtet man eher weitere Vorstöße Russlands – wäre all das rein territorial schmerzhaft, aber in der aktuellen Gesamtlage eine pragmatische Einigung.
Kritisch ist und bleibt aber vor allem ein Punkt: Sicherheitsgarantien. Denn dass die kleine Ukraine gegen das viel größere Russland überhaupt so lange so stark Widerstand leisten konnte und Putin statt seinem ursprünglichen Wunsch, binnen weniger Tage Kiew einzunehmen, nun stattdessen im blutigen Stellungskrieg „nur“ einen Teil der Ostukraine einnehmen konnte, könnte man durchaus als Erfolg verbuchen. Aber nur, wenn klar ist, dass sich all das nicht wiederholt – wenn klar ist, dass es ein einmaliger Versuch Russlands war, die Ukraine zu schlucken und dieser scheiterte.
Wenn Moskau sich aber alle paar Jahre (oder Jahrzehnte) aufs Neue weitere Stücke des Landes schnappen kann, dann wäre es langfristig nur eine Fortsetzung des Konflikts – und die jeweiligen Deals nur eine scheibchenweise, faktische Kapitulation der Ukraine. Gerade daher pocht Kiew bisher immer auf Sicherheitsgarantien.
Und die sind nach bisherigen Berichten über den neuen Entwurf für einen Deal noch recht dünn: Eine NATO-Mitgliedschaft wäre ausgeschlossen. Dieser ukrainische Wunsch, in das nordatlantische Bündnis aufgenommen zu werden, wirkte bereits seit Monaten zunehmend unrealistisch. Einerseits wäre die Aufnahme eines in Teilen besetzten Landes vertraglich schwierig und würde wohl komplizierte Sonderregeln erfordern, andererseits ging auch das Trump-Umfeld schon länger auf Abstand dazu: Zu groß wäre der Widerstand aus Moskau, das doch die Drohkulisse einer NATO-Mitgliedschaft als Rechtfertigung für die Invasion sah – auch wenn diese zuvor alles andere als bevorstand.
Dass man in dem konkreten Punkt Moskau entgegenkommt, war also klar. Aber als Alternative standen dafür andere Garantien im Raum. Aus ukrainischer Sicht wohl ähnlich stark wäre ein klares bilaterales US-Bündnis oder feste US-Präsenz im Land, die so als Abschreckung für einen erneuten russischen Angriff gelten würde. In die in Berlin, Paris und London immer gerne diskutierten „europäischen Friedenstruppen“ hatte Kiew nicht allzu viel Vertrauen. Schließlich sind die USA das militärische Schwergewicht der NATO und waren – trotz allen Trump-Äußerungen – bisher immer der verlässlichere Partner als die zerstrittenen und zögernden Europäer.
Ob jetzt im neuen Friedensvorstoß amerikanische Sicherheitsgarantien enthalten sind, ist bisher noch offen. Entsprechende Formulierungen erscheinen vage. Die benannten „robusten Sicherheitsgarantien“ sollten über eine „Ad-hoc-Gruppe“ europäischer und nicht-europäischer Länder organisiert werden. Diese würden dann Friedenstruppen in die Ukraine entsenden. Konkret soll das wohl heißen: All das findet außerhalb von formellen NATO- oder EU-Strukturen statt. Wahrscheinlich angedacht mit Ländern wie Frankreich, Großbritannien und Deutschland – aber ob die USA auch dabei wären: unklar.
Tendenziell will die USA unter Trump eher Truppen vom europäischen Kontinent zurückziehen. Stattdessen neue Truppen direkt an die noch blutige Frontlinie zwischen ukrainischen und russischen Soldaten zu verlegen, passt da nicht so ganz in die bisherige Denkweise. Zugleich aber erwähnt der Friedensplan den sogenannten „Mineralien-Deal“ der USA mit der Ukraine. Dieser sollte direkt amerikanische Interessen mit ukrainischen verknüpfen, einen Anreiz für eine US-Präsenz rund um Förderanlagen in der Ukraine schaffen und so Russland von weiteren Angriffen abhalten.
Insgesamt bleibt so im entscheidenden Punkt der Sicherheitsgarantien noch weiter viel zur Interpretation offen. Im schlimmsten Fall für die Ukraine müsste man ganz auf US-Unterstützung verzichten – und sich nur auf Europäer verlassen. Ob Kiew das reicht, ist fraglich. Klar ist nur eins: Trump macht jetzt Druck und will am liebsten innerhalb kürzester Zeit, womöglich Tagen, einen Deal erreichen.