
Ob es um den Krieg Israels gegen Hamas, Hisbollah und Iran geht – oder um die Lage in Syrien: Auf allen Kanälen geistert Kristin Helberg als „Nahostexpertin“ herum, ihre Einschätzungen sind gefragt. Schließlich greift sie den jüdischen Staat an und bringt Islamisten wohlwollende Milde entgegen.
Wer Nachrichten oder politische Runden im öffentlich-rechtlichen Fernsehen verfolgt, kann ihr seit Herbst des vergangenen Jahres nicht entkommen: Kristin Helberg heißt die Frau, die als „Nahostexpertin“ von einem Sender zum anderen durchgereicht wird. Mit dem von der Hamas am 7. Oktober begonnenen Nahostkrieg stieg das Bedürfnis nach „israelkritischen“ Einordnungen vermeintlicher Kenner der Region. Für den unvermeidlichen Michael Lüders, der gerade den ersten Listenplatz auf der Landesliste Sachsen-Anhalt des BSW für die Bundestagswahl 2025 besetzt – und mit seiner israelfeindlichen Haltung perfekt zu seiner Chefin Sahra Wagenknecht passt –, musste ein Ersatz gefunden werden.
Was Antisemitismus ist, definieren Kristin Helberg und andere Israelfeinde.
Und hier kommt Kristin Helberg ins Spiel, Jahrgang 1973, Politikwissenschaftlerin und Journalistin, verheiratet mit einem Syrer und von 2001 bis 2008 in Damaskus für deutsche, österreichische und Schweizer Hörfunkprogramme sowie verschiedene Print- und Onlinemedien tätig. Seit dem grausamen Hamas-Überfall auf Israel am 7. Oktober 2023 drehen sich mindestens 90 Prozent ihrer Twitter-Posts um dem jüdischen Staat unterstellte Vergehen, wobei sie beim Reposten nicht wählerisch ist.
Wie die meisten der von den Medien hofierten „Experten“ mag Kristin Helberg nicht von den Schattenseiten der arabischen Welt reden. Ihr Umgang mit Schurkenstaaten und Terrororganisationen, die den jüdischen Staat angreifen, erinnert an den alten Witz von dem Angeklagten, der seine Eltern ermordet hat und dem mildernde Umstände zugestanden werden, weil er Vollwaise ist.
Abu Obeida, der Sprecher der Qassam-Brigaden, dem militanten Arm der Hamas. Zu Extremisten in Palästina schweigt Helberg gerne.
So wurde sie vom Moderator einer Polit-Talkshow bei Servus TV auf die Charta der Hamas angesprochen, die neben der Vernichtung Israels auch die Tötung aller Juden auf der Welt zum Programm erhebt, ignorierte die Frage aber und wich sofort auf ihren liebsten Talking Point aus: die Regierung in Jerusalem, die „eine autoritäre, völkerrechtswidrige und zum Teil faschistische Agenda“ vorantreibe, eine „rechtsradikale Regierung, in Teilen mit faschistischen Positionen“. Dort säßen „rechtsradikale Minister“ und „messianische Siedlerpolitiker“, die den Gazastreifen wiederbesetzen und ein „Groß-Israel“ schaffen wollten.
Israel nimmt sie ausschließlich durch die Linse der Palästinenser, Libanesen und Syrer wahr, was ihr verdächtiges Schweigen zum 7. Oktober erklärt. Zur Hochform lief sie erst auf, als Israel die Offensive im Gazastreifen startete, um die Hamas zu zerschlagen. Seither basht sie das angegriffene Land, was das Zeug hält. „Israel werden Kriegsverbrechen vorgeworfen, manche Experten sprechen von Genozid, viele von ethnischer Säuberung. So bekämpft man keinen Terror, sondern schafft neuen.“ Statt den Terror militärisch zu bekämpfen, empfiehlt sie, die „Besatzung“ zu beenden und einen palästinensischen Staat zu ermöglichen, ein Versuch allerdings, der mehrfach unternommen wurde, was nur noch immer mehr Terror zur Folge hatte.
Die antisemitischen Demonstrationen in Deutschland, auf denen die Hamas gefeiert und Israel der Tod gewünscht wird, ordnet Helberg, wenig überraschend, als verständliche Reaktion ein, sie seien Ausdruck von „Verzweiflung und Wut, die der seit mehr als einem Jahr andauernde zerstörerische Krieg in Gaza auslöst“. Auch sei „From the river to the sea (vom Fluss Jordan bis zum Meer)“ kein Aufruf zur Vernichtung Israels, sondern nur die Forderung nach gleichen Rechten. Und der 7. Oktober „war Auslöser, hat eine Vorgeschichte und ist nicht vorbei“.
Israelische Soldaten in der Altstadt von Hebron
Deutschland ist Kristin Helberg noch nicht israelkritisch genug, sie beklagt die – in Wahrheit kaum noch vorhandene – Unterstützung als Beihilfe zum Genozid und greint, hierzulande versuche man, „mit dem Vorwurf des Antisemitismus kritische Stimmen zum Schweigen zu bringen, Kunst- und Wissenschaftsfreiheit einzuschränken, die Medien indirekt zu zensieren und muslimische wie migrantische Communities zu diskriminieren“.
Letztere stehen, wenn sie zum Boykott israelischer Produkte aufrufen, für Helberg natürlich keinesfalls in der Tradition der „Kauft nicht bei Juden“-Aktion der Nationalsozialisten, die historische Parallele sei vielmehr der Boykott gegen Südafrika zur Überwindung des Apartheid-Regimes. Apartheid, Völkermord, ethnische Säuberung, Kriegsverbrechen, das wirft Helberg dem jüdischen Staat lustvoll und immer wieder vor – und noch lieber lässt sie vorwerfen, idealerweise von Anklägern wie Omer Bartov oder Amos Goldberg, jüdischen Kronzeugen.
Im „Presseclub“ sorgt Helberg dafür, dass der Genozid-Vorwurf an den jüdischen Staat salonfähig gemacht wird: „In dem Moment, wo Völkerrechtler weltweit, Holocaust-Forscher & Genozid-Forscher darüber diskutieren, ob in Gaza schon ein Völkermord stattfindet, können wir den Begriff Genozid nicht einfach verbieten. Man muss ihn auf völkerrechtlicher Grundlage diskutieren können.“
Auf der Plattform X vergibt sie ein Herzchen für den Account @SuppressedNws, der die von der Hamas verübten Vergewaltigungen vom 7. Oktober leugnet, und repostet Beiträge, in denen das schändliche Pogrom von Amsterdam Fußball-Hooligans aus Tel Aviv in die Schuhe geschoben wird. Zur Weiterverbreitung von vehement antiisraelischen Beiträgen sagt sie, sie stünde nicht automatisch dahinter, vielmehr erachte sie solche Texte als „lesenswert“.
Ein Herzchen für Suppressed News: Frau Helberg gefällt das.
Die gängigen Antisemitismus-Definitionen verwirft die „Nahostexpertin“, letztlich sind die Juden – in Gestalt der Regierung Netanjahu – selbst schuld, wenn man sie nicht ausstehen kann. Es sind immer die Israelis, an denen eine friedliche Lösung des Nahostkonflikts scheitert, selbst die Verhandlungen zur Freilassung der Geiseln im Gazastreifen seien von Israel hintertrieben worden, und einer der Vorschläge, wimmerte Helberg bei X, „enthält jetzt wieder die von Hamas befürchtete ‚Hintertür‘“. Schön, wenn man sich so in Geiselnehmer, Mörder und Vergewaltiger hineinversetzen kann. Derart offen eingestellt, darf man auch für die Böll-Stiftung einen Essay zur „Versachlichung“ der Debatte über den Nahostkonflikt schreiben.
In ihrem Furor über den Krieg, der „keine Selbstverteidigung mehr“ sei, vergaß die Syrien-Expertin Kristin Helberg ganz, über Syrien zu informieren. Auf ihrem Twitter-Account muss man lange scrollen, um auf einen einschlägigen Beitrag zu stoßen: Im Juli war da mal einer, es ging um die Sicherheitslage in Syrien. Eine Ausnahme. Über den Krieg, der eine halbe Million Menschenleben forderte, die im Westen aber kaum jemanden juckten, erfuhr man nichts. Erst am 29. November, eine Woche vor dem Sturz des Assad-Regimes, äußerte sich die Expertin erstmals, nachdem die islamistischen „Rebellen“ ihre Offensive schon längst gestartet hatten.
Seither übt sich Helberg in Einschätzungen der Lage im Land, wobei sie den Triumph der Islamisten wohlwollend kommentiert. Für HTS-Führer al-Jolani findet sie lobende Worte, schließlich habe er sich von Al-Qaida getrennt: „Für einen nationalreligiösen Extremisten sind die versöhnlichen Botschaften erstaunlich, erfreulich und zugleich mit Skepsis zu verfolgen.“ In den tagesthemen behauptete sie, al-Jolani versuche, „alle Minderheiten mitzunehmen“.
Am 5. Dezember setzte Kristin Helberg diesen Tweet ab: „HTS-Chef Al-Golani landet einen Coup nach dem anderen. Angeblich soll Bischof Hanna Jallouf Gouverneurin von Aleppo werden. Meint der ehem. Al-Qaida-Anführer es ernst mit seinen Botschaften von Vielfalt und Versöhnung? Manche sehen in ihm schon einen muslimischen Che Guevara …“
Bewaffnete HTS-Milizen in Damaskus – Helberg blickt nahezu romantisch auf die Islamisten.
Abgesehen davon, dass der Franziskaner Hanna Jallouf Bischof der lateinischen Katholiken in Syrien ist und sich eher nicht als Frau fühlen dürfte: Wer sind „manche“? Und was hat Che Guevara so gemacht? Egal, „Al-Golani“ habe trotz seines extremistischen Hintergrundes in den letzten zehn Tagen bereits sehr viele gemäßigte Botschaften ausgesendet. Bei Maischberger sagt Helberg: „Die Christen in Aleppo können sich auf Weihnachten vorbereiten, die Weihnachtsbäume sind stehengeblieben, also bisher macht das eher Hoffnung.“
Wer wirkliche Expertise in Sachen Nahost sucht, ist, um es vorsichtig zu sagen, bei Kristin Helberg nicht wirklich gut aufgehoben. Aussagen wie die, die Abschiebung syrischer Gefährder würde Deutschland nicht sicherer machen, wer das Kalifat ablehne, habe antimuslimische Reflexe oder die Lage in Gaza sei „apokalyptisch“ und weder Hamas noch Hisbollah seien militärisch besiegbar, lassen da doch erhebliche Zweifel aufkommen.
In einem Gespräch mit dem Podcaster Tilo Jung stellte sie kürzlich – es ging um die Zerstörung von Kriegsmaterial in Syrien durch Israel – eine besonders wilde These auf, die man im Wortlaut genießen muss:
„Und sie ham auch so ‘ne Geheimdienste-Zentrale glaub’ ich getroffen und noch so’n Verteidigungsministerium-Gebäude. Da fragt man sich dann: Wo ist der militärische Mehrwert? Wenn ich solche Militär aber zivile also ohne Waffen Gebiete, Gebäude bombardiere, und dahin geht jetzt so’n bisschen die Vermutung, dass das im Interesse Russlands passiert. Weil Putin sagt: Könnt ihr mal ‘n paar Beweise vernichten da? Ihr seid doch sowieso gerade dabei, in Syrien nochmal zu bombardieren, und dass sozusagen Israel im Kontakt ist mit Russland und die dort jetzt auch Sachen bombardieren, wo womöglich Beweise lagern für die russische Verantwortung, in dieses, in diesem Krieg für Luftangriffe. Das ist eine Strategie, die ich gehört hab’. Das weiß ich nicht, ob das so stimmt, aber …“
Also: hat sie gehört. Kann auch kalter Kaffee sein, aber egal. Ihre nächsten Auftritte als Expertin werden wegen gestammelter Räuberpistolen gewiss nicht abgesagt.Mehr NIUS: Morgengrauen – Der Terror-Überfall auf Israel vom 7. Oktober