Massive Kritik an Kraftwerksstrategie der Regierung: „Wieder grüne Planwirtschaft, die machen genau da weiter, wo die Ampel aufgehört hat“

vor 26 Tagen

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Die Bundesregierung plant den Bau neuer Gaskraftwerke, um den Wegfall von Kern- und Kohlekraft zu kompensieren. Schon in weniger als fünf Jahren, so steht es im Koalitionsvertrag, will man neue Anlagen mit einer Gesamtleistung von bis zu 20 Gigawatt fertiggestellt haben – das entspricht etwa 40 bis 100 Kraftwerken. Ein „utopisches Vorhaben“, meinen Experten.

„Wir brauchen flexible Gaskraftwerke, die dann Strom liefern, wenn der Wind nicht weht und die Sonne nicht scheint. Und das brauchen wir schnell“, sagte Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) vor einigen Wochen beim Ludwig-Erhard-Gipfel am Tegernsee.

Der Bau der geplanten Gaskraftwerke ist ein dringliches Vorhaben. Denn wegen des geplanten Kohleausstiegs bis 2038, an dem auch die Merz-Regierung nicht rütteln möchte, müssen neue Anlagen zumindest einen Teil an steuerbarer Energie ersetzen, der durch die Abschaltung von Kernkraftwerken und Kohlekraftwerken wegfällt. Bis 2025, soweit der Plan, sollen Kohlekraftwerke mit einer Leistung von rund 30 Gigawatt (GW) stillgelegt werden. Das entspricht in etwa 20 bis 25 durchschnittlich großen Atomkraftwerken. Sie sind nötig, um die politisch gewünschte Erzeugung durch volatile Quellen wie Wind- und Sonne abzusichern.

Katherina Reiche, Bundeswirtschaftsministerin, auf dem Ludwig-Erhard-Gipfel 2025 am Tegernsee.

Im Koalitionsvertrag heißt es unter dem Punkt „Kraftwerkstrategie“: „Den Bau von bis zu 20 GW an Gaskraftwerksleistung bis 2030 wollen wir im Rahmen einer zügig zu überarbeitenden Kraftwerksstrategie technologieoffen anreizen. Die neuen Gaskraftwerke sollen deutschlandweit vorrangig an bestehenden Kraftwerksstandorten entstehen und regional nach Bedarfen gesteuert werden.“

Konkret bedeutet das: Je nach Größe sollen in den nächsten knapp fünf Jahren zwischen 40 und 100 neue Gaskraftwerke entstehen.

Kein realistischer Plan, glaubt man Brancheninsidern. „Das ist eine völlig utopische Formulierung“, sagt ein hochrangiger Wirtschaftsfunktionär, der namentlich nicht genannt werden möchte, zu NIUS. „Das wird in vier Jahren niemals zu schaffen sein. Jeder in der Branche wird Ihnen sagen, dass die Pläne vollkommen unrealistisch sind.“

Fakt ist: Kein einziger Antrag wurde bislang gestellt, kein Genehmigungsverfahren initiiert. Keine Ausschreibung ist in Gange, keine Standorte sind benannt. Auch das entsprechende Gesetz wurde noch nicht verabschiedet.

Dass Reiche, die vor ihrer Rückkehr in die Politik als Managerin im Energiesektor arbeitete, sich durchaus im Klaren darüber ist, dass man die ambitionierten Ziele, die der Koalitionsvertrag in Aussicht stellt, nicht einhalten kann, offenbaren Worte, die sie vor wenigen Tagen im Gespräch mit Table Today äußerte: „Selbst wenn ich es schaffe, mich mit der Kommission sehr schnell auf eine Einigung zu kommen auf die nächsten Ausschreibungen von Gaskraftwerken, sind die ja nicht übermorgen gebaut. Bis 2030 bis zu 20 Gigawatt Kraftwerke – das sind über 40 Gaskraftwerke – installiert zu haben, ist mehr als optimistisch. Also müssen wir wenigstens die erste Welle hinbekommen, um zu jedem Zeitpunkt der Industrie und den Verbrauchern sagen zu können: 'Ihr könnt euch darauf verlassen, dass die Stromversorgung sicher ist'.“

Das Gas- und Dampf-Kombikraftwerk CUNO am Harkortsee beim Herdecke in Nordrhein-Wesfalen.

Dass die Kraftwerke an bereits bestehenden Standorten gebaut werden, soll das Tempo des Vorgangs beschleunigen. Doch vergleicht man den ambitionierten Zeitplan beispielsweise mit der Dauer, die der Bau eines Windrads in Anspruch nimmt, wird klar: Es ist kaum zu schaffen. In Deutschland dauert das Aufstellen einer Windkraftanlage durchschnittlich etwa 5 bis 7 Jahre von der Genehmigung bis zur Inbetriebnahme.

Hinzu kommt ein weiteres Problem: Die Gaskraftwerke sollen Kohlekraftwerke ersetzen, die durch den Kohleausstieg bis 2038 Stück für Stück wegfallen. Im Koalitionsvertrag heißt es dazu: „Der Zeitplan, Kohlekraftwerke vom Netz oder in die Reserve zu nehmen, muss sich danach richten, wie schnell es gelingt, steuerbare Gaskraftwerke tatsächlich zuzubauen.“ Dieser Zeitplan ist aber insbesondere in Nordrhein-Westfalen auf Kante genäht. Dort hat die schwarz-grüne Landesregierung den Kohleausstieg ambitioniert auf 2030 vorgezogen.

Um diese Kosten zu decken, plant die Bundesregierung, eine Umlage einzuführen, ähnlich der früheren EEG-Umlage für erneuerbare Energien. Diese Umlage wird auf die Stromrechnungen von Verbrauchern und Unternehmen erhoben, was den Strompreis erhöht. Die Förderung für die Projekte könnte sich auf eine Summe zwischen 22,2 bis 32,4 Milliarden Euro belaufen, heißt es in einer Studie des Forums Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft.

„Es ist wieder grüne Planwirtschaft“, sagt der Funktionär. „Sie machen genau dort weiter, wo die Ampel zuvor aufgehört hat.“

Bundeskanzler Friedrich Merz

Immerhin ein bisschen Hoffnung auf etwas weniger grüne Ideologie machte Reiche im Gespräch mit Table Today dann aber doch: Einen Ausbau der erneuerbaren Energien werde es nur noch mit Speicher- und Netzausbau und gesicherten Kraftwerken geben. „Der ausschließliche Fokus auf den Zubau der erneuerbaren Energien, die Definition, dass dann Energiewende gelingt, wenn nur genügend Photovoltaik installiert ist, hat den Blick darauf verstellt, dass die Systemkosten in die Höhe geschnellt sind, und dass das System nicht mehr zu jedem Zeitpunkt sicher ist“, sagte die Wirtschaftsministerin.

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