
Die BR-Journalistin Julia Ruhs hat sich in der ersten Folge des neuen öffentlich-rechtlichen Reportageformats Klar kritisch mit dem Thema Migration auseinandergesetzt. Zu Wort kamen dabei unter anderem Michael Kyrath, der seine einzige Tochter 2023 beim Messer-Doppelmord in Brockstedt verlor, ein Jude, der über migrantischen Antisemitismus spricht, und Menschen mit Migrationshintergrund, die in Deutschland arbeiten und kein Verständnis für Migranten haben, die Bürgergeld beziehen, anstatt arbeiten zu gehen.
Neben Personen, die der aktuellen Migrationspolitik kritisch eingestellt sind, kam auch Jette Nietzard von der Grünen Jugend zu Wort, die pro-Migration eingestellt ist. Nietzard wurde gefragt, was sie Angehörigen von Opfern sagen würde, die durch Migranten zu Tode kamen. Sie entgegnete daraufhin, dass sie es „dumm“ fände, „auf die Frage zu antworten“. Im weiteren Verlauf erklärte sie: „Aber Kinder werden nicht mehr von afghanischen Attentätern ermordet als von deutschen Vätern.“
Das neue Format hat wegen seiner für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk er unüblichen, kritischen Berichterstattung zur Migrationspolitik viel Aufmerksamkeit auf sich gezogen – und intern auch Kritik. Nicht jedem scheint der neue, kritische Ton zu dem Thema zu schmecken: Kollegen von Ruhs beschimpfen und verreißen ihre Arbeit gar öffentlich.
Auf der Social-Media-Plattform Threads äußerten zwei freie Mitarbeiter des NDR ihren Unmut über die Produktion. Der Moderator Daniel Broeckerhoff wirft der Sendung vor, „rechtspopulistische Takes normalisiert“ zu haben. „Als freier Mitarbeiter des NDR“ distanziere er sich von „dieser Produktion“, schreibt er weiter.
Frederik Merten, ein für den NDR-arbeitender Cutter, der auch an der Klar-Produktion beteiligt war, schimpft: „Es war mit Abstand die schlimmste Produktion, an der ich jemals mitgearbeitet habe“. Die Arbeit Moderatorin Julia Ruhs beschimpft und kritisiert er – sie hätte unter anderem „zu reißerisch“ formuliert und unjournalistisch gearbeitet. Er „empfinde es als Schande, im Abspann genannt zu werden und bedaure, nicht früher ausgestiegen zu sein“, ätzt er.
Auch ZDF-Moderator Jan Böhmermann hat die Reportage und neuen, kritischen Ton zu Migration beschimpft und kritisiert. In der neuen Folge seiner Late-Night-Show ZDF Neo Magazin Royale widmet er sich rund einer Minute dem Format seiner Kollegin. Dabei erklärt er anhand des neuen Formats, was man machen muss, um „diesen ganzen rechtspopulistischen Quatsch in ihrer Birne als seriösen Journalismus verkaufen“ zu können. Und zwar mit dem Satz „was jetzt kommt, wird vielleicht nicht jedem gefallen“, den Ruhs gleich zu Beginn ihrer ersten Folge sagt. Vor diesem Hintergrund vergleicht er die Sendung gar mit Vergewaltigung.
Auch aus der linken „Zivilgesellschaft“ hagelt es Kritik. Der Verein „Neue deutsche Medienmacher*innen“ nannte das Format einen „Tiefpunkt in der Berichterstattung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks“. Der Verein wirft dem Format vor, „migrationsfeindliche Narrative“ als Meinungsvielfalt zu verkaufen. Sie fordern eine „faktenbasierte, differenzierte und lösungsorientierte Berichterstattung“ und inszenieren eine Kampagne: Der aktivistische Verein ruft dazu auf, den Redaktionen von NDR und BR negative E-Mails zu schreiben.
Interessant ist vor diesem Hintergrund: Die Geschäftsführerin des Vereins, Elena Kountidou, sitzt auf Betreiben der Grünen im Rundfunkrat des rbb. Zu ihrer Berufung erklärte sie noch, ihr Ziel sei es, „die Perspektiven unserer pluralistischen Gesellschaft“ im öffentlich-rechtlichen Rundfunk einzubringen und abzubilden. Eine meinungspluralistische Perspektive auf die Migrationspolitik gehört offenbar nicht dazu.