Kultur gehört den Menschen, nicht den Bürokraten: Die falsche Debatte um Wolfram Weimer

vor 2 Tagen

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Bildquelle: NiUS

Ich hatte ja erst überlegt, diesmal über das Verfassungsschutz-Voodoo und die AfD-Bekämpfungs-Hysterie zu schreiben, aber das war mir dann doch ein zu grässliches Thema. Deshalb soll es heute um etwas Schöneres gehen: um Kultur. Und damit es auch nicht zu erfreulich wird: um Kulturpolitik.

Das dürfte es noch nie gegeben haben. In dem Zeitraum, in dem die Minister und Staatsminister bekannt gegeben werden, erregt ausgerechnet die Personalie des Kulturstaatsministers die meisten Gemüter. Ein Amt, das die meisten Bürger wohl weder kennen noch eine Vorstellung von dessen Inhalt haben. Die gute Nachricht ist, dass es dem Meinungsmacher-Milieu in Deutschland sehr gut gehen muss, wenn in dem Gemenge aus jahrelanger Totalstagnation, gescheiterter Energiewende und ungelöster Migrationskrise ein Mann namens Wolfram Weimer die Schlagzeilen bestimmt. Immerhin eine gute Nachricht.

Merz und Weimer wird ein freundschaftliches Verhältnis nachgesagt.

Wolfram Weimer, konservativer Publizist und Verleger, soll also Kulturstaatsminister werden. Sozusagen als Gegenmodell zu Claudia Roth, die bald – Gott sei Dank – dieses Amt nicht mehr besetzen wird. Die Reaktionen waren aufgeregt. Der FAZ-Herausgeber Jürgen Kaube behauptete: „Weimer ein Interesse an irgendeiner Kunst oder Geist zu unterstellen, wäre spekulativ.“ Die Linken-Chefin Reichinnek nannte die Personalwahl bei Markus Lanz „besonders schockierend“. Prompt entstand aus der Kulturszene heraus eine Petition mit dem Ziel, Weimer noch zu verhindern. Knapp 70.000 Unterschriften hatte sie bereits am vergangenen Samstagabend. Sie wirft dem Konservativen vor, „nicht für eine offene, diverse und kritische Kulturlandschaft zu stehen“.

Natürlich wurde Weimer vom bürgerlichen Lager verteidigt. Ulf Poschardt schrieb in der Welt bestärkend, dass dieser „aufräumen“ solle, die Entscheidung für ihn könne „zum Befreiungsschlag für die Union werden.“ Der geschätzte Alexander Kissler bezeichnete Weimer vergangenen Montag als „gute Wahl“ und sieht ebenfalls einen „Kurswechsel hin zum Bürgerlichen“.

So verständlich und im Debattenkontext auch richtig diese und andere Kommentare aus dem konservativ-liberalen Lager sind, so symptomatisch stehen sie für eine seit Jahrzehnten immer wieder verpasste Chance, bei Gelegenheit grundsätzliche Kritik an den etatistischen Zuständen in Deutschland zu üben.

Quasi nie wurden in der ganzen Weimer-Debatte die folgenden Fragen gestellt: Warum sollte es überhaupt einen Kulturstaatsminister geben? Warum sollte der Staat eigentlich darüber bestimmen dürfen, was Kultur ist, welche Kultur förderungswürdig ist und wie viele Projekte mit Steuergeldern versorgt werden? Warum sollte sich gute Kultur nicht am Markt durchsetzen können, ohne Zwangsfinanzierung? Und die wichtigste Frage: Was bedeutet dieser alles umfassende und fast nie klar definierte Begriff der Kultur, die der Staat mit unseren Steuergeldern großzügigst fördert?

In meinem erfolgreich abgebrochenen Studium der Sozialwissenschaften habe ich gelernt, dass es hunderte Definitionen von Kultur gibt. Was wird gegessen, wie wird sich gekleidet, wie wird sich begrüßt, verabschiedet, sich unterhalten. Welche Musik wird gehört, welche Bücher gelesen, wie sehen die Häuser aus, welche Autos werden gefahren, welches politische System existiert. Wie gehen Männer und Frauen miteinander um, wie gehen Alte und Junge miteinander um, wie werden Menschen beerdigt, wie geboren. Was ist die Hochkultur, die Volkskultur, die Alltagskultur, die Populärkultur. Und so weiter und so fort.

Kurz: Alles ist Kultur, eigentlich ganz einfach. Solange einfach jedenfalls, bis man mit der Abgrenzung beginnt. Zum Beispiel: Ist die Rinderroulade ein kulturell deutsches Gericht? Würden wohl die Meisten bejahen, kommt aber aus Frankreich. Oder: Gehört Goethe mehr zur deutschen Kultur als das Butterbrot? Schwierig.

Ist die Rinderroulade Teil der deutschen Kultur oder der französischen?

Der Staat macht sich diese schwere Abgrenzung allerdings sehr leicht. Er subventioniert fast ausschließlich die Hochkultur, einen winzigen Teilbereich der Kultur. Er fördert nicht das Butterbrot. Er fördert Theater, Museen und Opernhäuser. Veranstaltungen und Orte, die in überragender Mehrheit von Menschen besucht werden, die genug Geld hätten, um ohne Subventionen Goethe und Mozart genießen zu können.

Aber nein, im Staat der angeblichen „sozialen Gerechtigkeit“ bekommt die intellektuelle Oberschicht ihren Opernbesuch von allen Steuerzahlern zu enormen Teilen mitfinanziert.

Das ist so ungerecht, das ist sogar dem Spiegel aufgefallen. 2022 berichtete er, dass der Sitzplatz in einer Oper den Besucher durchschnittlich nur 40 Euro kosten würde, die wahren Kosten aber bei 250 Euro pro Platz lägen. „Bei jeder Vorstellung legt der Staat auf jeden Sitzplatz ein 210 Euro teures Geschenk – finanziert aus Steuermitteln, versteht sich.“

Wohlgemerkt geht es hier nicht um ärgerliche, aber verkraftbare Randerscheinungen, sondern um eine milliardenschwere Branche. 14,9 Milliarden Euro Steuergelder gab der deutsche Staat im Jahr 2021 für Kultur aus. Nein, nicht für Kultur. Nicht für Currywurst, nicht für Kleidungsläden, für eine sehr eng definierte Kulturbranche, die es sich in diesem nie aufhörenden Geldregen sehr gemütlich eingerichtet hat.

Ich möchte dem Irrsinn ein paar Sätze entgegenstellen: Kultur, die sich nicht am freien Markt finanzieren kann, ist offensichtlich keine nachgefragte, demnach keine relevante Kultur. Der Staat hat nicht darüber zu entscheiden, ob nun die Faust-Aufführung oder der Straßenmusiker oder der Rapper förderungswürdig sind. Kultur gehört den Menschen, nicht den Bürokraten. Sie entsteht aus Chaos, nicht aus Verordnungen.

Die freiheitliche Sicht auf die Debatte um Wolfram Weimer kann nur sein, dass es keinen Kulturstaatsminister geben darf, weil es keine Staatskultur geben darf. Wolfram Weimer ist nicht der falsche Kulturstaatsminister, der Posten des Kulturstaatsministers ist generell falsch.

Als ich noch Mitglied bei der FDP und den Jungen Liberalen war, gab es solche Debatten über staatliche Kulturförderung. Und es waren leider hitzige Diskussionen, denn selbst bei den im Selbstbild so forschen Jungen Liberalen war etwa die Hälfte der Mitglieder für Kultursubventionen. In der FDP noch mehr, bei der Union will ich es gar nicht wissen. Auch die AfD möchte natürlich eine eigene Kulturpolitik, anstatt keine Kulturpolitik.

Man mag das für eine politische Nebensächlichkeit halten, aber es stellt sich die Frage: Wenn es rechts der Mitte nicht einmal einen Konsens darüber gibt, die milliardenschweren Kultursubventionen einzustellen, wo soll dann der Mut herkommen, jemals dem restlichen Billionen-Staat die Mittel zu kürzen?

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