
Kann es ein politisch gebildetes Publikum überraschen, dass Friedrich Merz in den ersten vier Wochen seiner Amtszeit dreimal mit Ukraines Selenskyj zusammentraf? Nicht, dass es jede Woche Neues zu besprechen gegeben hätte – aber leichter (nicht billiger!) lässt sich die ungeteilte Aufmerksamkeit einer schnell gelangweilten Presse kaum herstellen.
♦ Mit weiteren fünf Milliarden an die Ukraine und frommen Worten war es natürlich nicht getan für Staatsfunk und Co., da darfs schon etwas mehr sein. Also ließ Fritz, der „eigentlich in der Öffentlichkeit gar nicht über das Thema reden wollte“, seinen Gedanken über die Reichweitenbegrenzung der Taurus-Flugkörper freien Lauf, auch wenn er, wie gehabt, kurze Zeit später versuchte, seine markigen Worte wieder einzufangen. Er habe, so meint Taurus-Fritz nun, lediglich „etwas beschrieben, was schon seit Monaten geschieht“.
♦ Jedenfalls scheint eine selbsternannte deutsche Elite nach zwei verlorenen Kriegen wieder fit für einen dritten, um der Ukraine den Endsieg zu bescheren. Die deutsche Bevölkerung, bei „Endsiegen“ verständlicherweise skeptisch, hält nichts davon, außer Grünenwähler, die anscheinend im Geschichtsunterricht nicht aufgepasst haben. Der Minister für Kriegsertüchtigung, Pistorius, betreibt derweil Aufrüstung auf spezialdemokratische Art und richtet einen Posten für einen zusätzlichen Staatssekretär ein, mit allerlei weiteren Schreibtisch-Soldaten.
♦ Müsste neben Russia Today nicht auch die Financial Times langsam mal in Schland verboten werden? Eine Million Reservisten und damit potenzielle Soldaten (allein 90.000 mit Afghanistan-Erfahrung) können von der Bundeswehr nicht angeschrieben werden, weil jeder Kontakt verloren gegangen ist (Datenschutz!), spotten die Engländer. Wie stehen wir denn jetzt da vor der Welt? Als komplette Idioten! Wehrkraftzersetzend ist das!
♦ Die Villa Größenwahn – das Kanzleramt ist der größte Regierungssitz der Welt – wurde vom reisefreudigen Sauerländer Merz noch gar nicht richtig bezogen. Zu deprimierend der Blick auf sein Heimatland, selbst bei schönem Wetter. Andrea Nahles (SPD; derzeit Arbeitsamtschefin) meldet bei steigender Arbeitslosigkeit einen „Fehlbetrag“ von knapp 5,3 Milliarden Euro in ihren Kassen, und wirklich zuversichtlich, was Beschäftigung und Wachstum anbelangt, sind nur staatsabhängige Wirtschaftsinstitute.
♦ Auch die erneute Ankündigung eines „Sofortprogramms“ mit den altbekannten Versprechungen („Bürokratie-Abbau“, „Investitionsoffensive in Infrastruktur und Klimaschutz“), die nun „Schlag auf Schlag“ umgesetzt würden, verbreitet keine rechte Zuversicht. Vor allem weil die Versprechungen wieder einmal in einem Atemzug mit „geordnete Migration“ verbreitet wurden. Dreieinhalb Millionen sollen es inzwischen sein, die unter diversen Aufenthaltstiteln in Schland vollversorgt werden. In den ersten vier Monaten dieses Jahres gaben 110.077 Neuzugänge ihre Anträge bei den Behörden ab, 90.018 davon wurden abgelehnt, natürlich bleiben alle hier, die sind ja nicht blöd.
♦ Jedenfalls fehlt Geld in der Kasse – auch die „Sondervermögen“ müssen von irgendjemandem zurückgezahlt werden, und dieser jemand heißt „Deutschland“. Dieses Deutschland jedoch arbeite zu wenig, heißt es in Studien, und Staatsfunk-Miosga, die die ganze Woche hart schuftet, um am Sonntag für eine Stunde auf Sendung zu gehen, fragte CDU-General Linnemann: „Wer genau arbeitet denn jetzt zu wenig?“ Linnemann: „Zum Beispiel Rentner in Deutschland.“ Hm. Nun befindet sich der Rentner ja im behördlich genehmigten Ruhestand, aber er soll, so der Plan, wie ein Volksvertreter ermuntert werden, sich noch etwas dazuzuverdienen. Die erneute Arbeitsaufnahme wird dadurch entscheidend begünstigt, dass viele Ruheständler mit der staatlichen Rente nicht auskommen, und damit sie wenigstens auf ein ähnliches Nettogehalt (inkl. Miete, Nebenkosten, Krankenkasse, Staatsfunkbeitrag, etc.) kommen wie unsere Bürgergeldempfänger aus Syrien, Afghanistan, aus dem Irak und der Ukraine, will Linnemann ihnen 2.000 Euro/Monat steuerfrei überlassen.
♦ Rentner, die arbeiten, twittern nicht. Jedenfalls muss ein Ruheständler aus Süddeutschland für 75 Tage ins Gefängnis, weil er die 4.500-Euro-Geldstrafe für die zweimalige Verwendung der Worte „Alles für Deutschland“ nicht gezahlt hatte. Angezeigt wurde der alte Mann von eifrigen Mitarbeitern der Organisation „REspect“, die aus dem „Christlichen Jugenddorfwerk Deutschlands e.V.“ hervorgegangen ist. Schutzpatron Judas, vermuten wir mal.
♦ Unter Arbeit versteht man „etwas, das durch Anstrengung oder die Ausübung von Fähigkeiten hervorgebracht oder erreicht wird“. Arbeitet ein Regierungschef? Und wenn ja, was heißt in dem Zusammenhang „arbeiten“? Gibt es Bilder von Friedrich Merz am Schreibtisch? Sind Diskussionen mit begriffsstutzigen Genossen Arbeit? Lecker Essen mit Selenskyj? Sollte der Psychiater, der die „verwirrte Messerstecherin“ von Hamburg (14 Verletzte) am Tag vor ihrer Tat aus der Klapse entlassen hat, weil es „keinen medizinischen Befund gab, der eine weitere Unterbringung gerechtfertigt hätte“, weiter „arbeiten“?
♦ Bei Thyssenkrupp wird in Zukunft deutlich weniger gearbeitet. Wegen Klima und Rotgrün. Aber warum die Aufregung in der rotgrünen Journaille? Das Geschäftsfeld „grüne Technologien“ bleibt doch erhalten.
♦ Gut, dass es auch in Zeiten, wo alles den Bach runter geht, noch gediegene Veranstaltungen wie die Verleihung des Karlspreises gibt. In Aachen feiert sich das Politgewerbe unbeeindruckt von den Realitäten, und große Kanzler-Worte finden ihre verdiente Anerkennung. „Du gibst Europa in der Welt eine Stimme“, säuselte Bundes-Fritz in Richtung der Preisträgerin, und Parteifreundin Ursula von der Leyen schien geneigt, ihm das tatsächlich zu glauben.
♦ Wer den Anreißer der FAZ liest – „Das besprach Wadephul mit Marco Rubio“ – könnte glatt den Eindruck bekommen, nach Annalena Baerbock spiele deutsche Außenpolitik wieder eine Rolle in der Welt, nur leider hält das Kleingedruckte dem nicht stand. Denn US-Außenminister Rubio nahm sich gerade mal 15 Minuten Zeit für unseren Johann, inklusive Fototermin. Was will man in 15 Minuten besprechen? Auch US-Senatoren (beider Parteien) fanden keinen Platz in ihren Terminkalendern. (t-online)
♦ Wer Politik als Fortsetzung von Unterhaltung (TV-Talkshows) mit anderen Mitteln sieht, kam in Vietnam voll auf seine Kosten, als Monsieur Macron aus dem Regierungsflieger stieg. Sekunden zuvor hatte sich Frankreichs Staatschef offenbar eine Watschn (et voilà) von seiner Brigitte eingefangen. Die Videos der Ohrfeige seien eine Fälschung, so das Élysée, verbreitet von russischen Agitatoren. Dann hieß es, das Video sei echt, aber Emmanuel und Brigitte kabbeln sich immer gern im Flugzeug. Eine Beziehung ist halt auch Arbeit, Arbeit, Arbeit (Evje van Dampen, Beziehungstherapeutin).
Schönen Sonntag!
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