Länderfinanzausgleich läuft aus dem Ruder

vor 4 Tagen

Blog Image
Bildquelle: Tichys Einblick

Die jüngsten Zahlen zum Länderfinanzausgleich aus dem ersten Halbjahr deuten auf wachsende Unwuchten im Verteilungsmechanismus hin. Das Volumen der umverteilten Ländermittel stieg im Vergleich zum Vorjahr um 14 Prozent oder 1,35 Milliarden auf 11,178 Milliarden Euro an. Den mit Abstand größten Transferanteil trug, dies ist inzwischen zur traurigen Tradition geworden, der Freistaat Bayern in Höhe von 6,67 Milliarden Euro, was etwa 60 Prozent des gesamten Volumens entspricht.

Die übrigen Geberländer sind Baden-Württemberg mit einer Zahlung von 2,16 Milliarden Euro und Hessen mit 2,04 Milliarden Euro. Die Hansestadt Hamburg leistete einen Transfer in Höhe von 312 Millionen Euro.

Für Bayern entwickelt sich dieser Solidarbeitrag, der vor fünf Jahren in „Finanzkraftausgleich“ umgetauft wurde, zu einem fiskalpolitischen Desaster. Bei einem Haushaltsvolumen des Freistaats von etwa 77 Milliarden Euro dürfte in diesem Jahr etwa jeder sechste Euro der Münchner Landeskasse an andere Bundesländer umverteilt werden. Größter Profiteur, wie sollte es anders sein, ist der Spitzenreiter unter den Defizitstaaten, Berlin, das im ersten Halbjahr mit einer Summe von 2,03 Milliarden Euro beseelt wurde.

Unter den Empfängerstaaten folgen Sachsen mit 1,9 Milliarden Euro und Thüringen mit 1,16 Milliarden Euro auf den Plätzen zwei und drei.

Kritik an dieser offenkundigen Schieflage kommt naturgemäß vor allem aus München. Bayerns Finanzminister Albert Füracker (CSU) sprach angesichts der Zahlen aus dem ersten Halbjahr von einer „besorgniserregenden Entwicklung“. Der Finanzkraftausgleich liefe immer weiter aus dem Ruder, so Füracker, der eine grundlegende Veränderung der Systematik des Finanzausgleichs forderte und vor der Überforderung der Geberländer warnte. Zudem werde Bayern an seiner Klage vor dem Bundesverfassungsgericht aus dem Juli 2023 festhalten, wo sich inzwischen eine Gruppe von 12 Bundesländern (die Nehmerseite) auf der Gegenseite zusammengeschlossen hat.

Im Koalitionsvertrag hatte sich die Bundesregierung dazu bereit erklärt, den Geberländern mit einer jährlichen Summe in Höhe von 400 Millionen Euro unter die Arme zu greifen. Angesichts der Entwicklung in diesem Jahr ist dies allerdings nur ein Tropfen auf dem heißen Stein und keine strukturelle Lösung für ein systemisches Problem.

In der Institution des Deutschen Länderfinanzausgleichs – wir bleiben aus ästhetischen Gründen bei der alten Bezeichnung – spiegelt sich eine falsch verstandene föderale Solidarität. Eine in Deutschland häufig genutzte politische Formel: „Starke Schultern sollen mehr tragen als schwache“, verfestigt, ähnlich wie auch im deutschen Sozialsystem, fatale Incentive-Strukturen unter den Bundesländern.

Der Ärger der Bayern über die hohen Zahlungen an die Partyhauptstadt Berlin ist verständlich. Berlin leistet sich einen 10 Milliarden Euro teuren Sozialhaushalt, der allein in diesem Jahr um eine Milliarde erhöht wurde und in den kommenden Jahren schneller wachsen soll. Man gibt zwar vor, Sparmaßnahmen einleiten zu wollen, doch ist es so, wie überall in Deutschland in diesen Tagen: Es gilt das gebrochene Wort.

Berlin ist ein Sozialparadies, das die Kosten seines sozialistischen Experiments zu einem nicht unerheblichen Teil auf Dritte abwälzt. Ein Fünftel der Berliner Bevölkerung bezieht Transferleistungen unterschiedlicher Art. Dies sind Zustände sozialer Dekadenz, die mit steigenden Sozialtransfers regelrecht sediert werden, um letzten Endes in den Kollaps der Zivilgesellschaft zu münden.

Die Bundeshauptstadt, in der strukturlinke und kommunistische Gruppen zunehmend die politische Verantwortung unter Kontrolle bringen, wirkt wie ein Brutkasten postmodern-sozialistischer Experimente. Denken Sie an die jüngsten Enteignungsdebatten, die geplante Stillegung des Innenstadtverkehrs oder die woke Präsentation staatlicher Organe wie der Polizei, die im CSD-Rausch die Grenzen des ästhetisch-akzeptablen mit Füßen tritt. Vom Verlust der Staatsautorität wollen wir an dieser Stelle gar nicht erst reden. Dieser Zug hat in Berlin den Bahnhof vor langer Zeit verlassen.

Keine andere Hauptstadt der Europäischen Union ist fiskalisch so abhängig vom Rest des Landes wie die deutsche Hauptstadt. Metropolen wie Madrid oder Paris sind in der Regel Impulsgeber des ökonomischen Geschehens weit über die eigenen Stadtgrenzen hinaus. In Berlin hat man sich an die vielfältigen externen Zahlungsströme gewöhnt, ohne jemals in die Verlegenheit gekommen zu sein, politisch und fiskalisch für das eigene Treiben Verantwortung zu übernehmen und Farbe zu bekennen.

Der Länderfinanzausgleich war einst als solidarisches Sicherheitsnetz gedacht – heute ist er ein Mechanismus, der Leistung in Form solider Haushaltspolitik und wachstumsfördernder Wirtschaftspolitik systematisch bestraft, Defizite belohnt und die Belastung obendrein ungleich verteilt. Während Bayern und Co. Jahr für Jahr ihren „Solidarbeitrag“ an die reformunwilligen Bundesländer zahlen, bleiben politische Inkompetenz und ideologische Verbohrtheit ohne Konsequenz.

Ohne tiefgreifende Reformen, etwa mit klar definierten Zahlungsobergrenzen wie der Geberlast je Einwohner, erzwungene Austerität im Falle exzessiver Defizitpolitik oder einer Rückkehr zur fiskalischen Subsidiarität mit größeren Anteilen am Steuerkuchen für die Länder, verliert die innere Stabilität des Föderalismus weiter an Legitimität.

Der Raubzug durch die Kassen der Klassenfeinde wie im Falle von Berlin und Bayern wird stillschweigend zur Norm erklärt. Die ultima ratio wäre die Abschaffung des Länderfinanzausgleichs. Da dies jedoch politisch nicht durchsetzbar ist, liegt es in den Händen der Geberstaaten, den politischen Druck zu erhöhen und eine Reformbewegung anzustoßen.

Publisher Logo

Dieser Artikel ist von Tichys Einblick

Klicke den folgenden Button, um den Artikel auf der Website von Tichys Einblick zu lesen.

Weitere Artikel