Ein Abend in ARD und ZDF: Willkommen in der Parallelwelt

vor 13 Tagen

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Bildquelle: Tichys Einblick

Lanz dürfte heute langweilig werden, das ist schon beim Blick ins Fernsehprogramm klar. Die SPD-und CDU-Oberen ducken sich weg, nur Stephan Weil traut sich noch ins Studio. Der niedersächsische SPD-Ministerpräsident kann frohgemut über das Koalitionspapierdebakel plaudern, denn er geht demnächst sowieso in Rente.

Die fehlende Vorfreude auf den mitternächtlichen Talk versüßen, pardon: versalzen wir uns mit einem Streifzug durch das restliche Abendprogramm. Kommt selten vor, zugegeben. ARD und ZDF kann man eigentlich nur anschauen, wenn es Geld dafür gibt.

Und womit? Mit Recht. Und Fug. Denn was uns das öffentlich-rechtliche Sendesystem präsentiert, spottet wirklich jeder Beschreibung. Wenn dies die Kerninformationen des Tages sein sollen, die ARD und ZDF für ihre Zuschauer herausgesucht haben, um ihren „Bildungsauftrag“ (so steht es im Rundfunk-Staatsvertrag) zu erfüllen, na dann mal gute Nacht. Es wirkt wie eine Parallelwelt.

Bei „Frontal“ geht es um eine Nierentransplantation in Kenia, „Trumps Zollchaos“ und Deutschlands Wirtschaft. Zwei Unternehmer klagen über den Industriestrompreis und die mangelnde Planungssicherheit. Unbezahlbare Strompreise für den einfachen Bürger – kein Thema. Auch die Migrationskrise wird aus einer erstaunlichen Perspektive beleuchtet. Der Fall: Vereine, die sich gemeinnützig nennen, machen mit Flüchtlingsunterkünften Kasse, mieten schimmelige Buden an und vermieten sie zu Wucherpreisen weiter. Gezahlt wird der Reibach vom Jobcenter oder direkt von der Stadt. Doch was prangert Frontal an? Nicht etwa die Drahtzieher. Sondern die Stadtverwaltungen, weil sie die Gelder bereitstellen und zu wenig prüfen. Hier würde schließlich Steuergeld verplempert. Ein Teilaspekt, sicher. Aber dass die Städte und Gemeinden angesichts explodierender Migrantenzahlen möglicherweise schlicht überfordert sein könnten? Kein Thema.

Bei „terra x“ haben die Macher offenbar nicht aufgepasst. Die letzte Schulstunde LGBTQ-Wokismus ist jedenfalls komplett an ihnen vorbeigegangen. Ergebnis: Moderator Harald Lesch steht mit einem Bein im Gefängnis. Grund: Er beschäftigt sich eine ganze Sendung lang mit geschlechtsspezifischer Medizin und tut ständig so, als gäbe es nur Mann und Frau. Was ist da denn schiefgelaufen?! Verhaften, den Mann, sofort, unverzüglich! Aber Einspruch, Euer Ehren. Denn nebenbei macht Lesch brav Werbung für die elektronische Patientenakte. Davon profitiere nämlich die Forschung. Dazu beschwingte Musik.

In der „ARD Story“ geht es derweil um Ärzte, die Fehler machen. Einzelfälle, tragisch. Auf eine Sendung zum vielleicht größten ärztlichen Versagen des Jahrhunderts – der Corona-Spritzenorgie – müssen die Zuschauer weiter warten.

Zuvor hat Christian Sievers tief in die Klimakiste gegriffen. Der „Heute journal“-Moderator sagt: „Europa ist, das zeigen die Zahlen ganz deutlich, der Kontinent, der sich am schnellsten erwärmt.“ Nanu? Also genau wie die USA? Und wie Kanada? Australien? Die Arktis? Finnland? Diese Liste ließe sich schier endlos fortsetzen. Dass die Regierungen ihre Bürger weltweit mit diesem absurden und zudem überall gleichlautenden Argument verängstigen, ist das eine. Dass Wissenschaftsmagazine wie „Nature“ und Nachrichtensendungen diese Räuberpistole völlig unkritisch kolportieren – unverantwortlich.

In Sievers’ kleiner Märchenstunde darf überdies noch ein Mann vom EU-Klimawandeldienst (gibt’s wirklich!) Copernicus Angst verbreiten und auch Prof. Stefan Rahmstorf vom Potsdam Institut für Klimafolgenforschung. Der warnt: „Das, was wir heute tun, wird das Klima für Tausende von Jahren bestimmen.“ Man wünschte, solche Leute könnten das Wetter von übermorgen vorhersagen.

Als Lanz endlich startet, begrüßt er den Ökonomen Moritz Schularick vom Kiel Institut für Weltwirtschaft gleich passend. Der sei wie Donald Trump „ein Präsident, allerdings ein seriöser“. Na, das geht ja gut los. Die diskursiven Grenzmarken wären schonmal gesteckt.

Schularick sagt, eher nebenbei, etwas Bemerkenswertes voraus: nämlich das Ende des Dollars als Weltleitwährung. Finanzinteressierte wissen es schon länger, aber im ÖRR hört man so etwas selten. Und Schularick beschwichtigt sogleich: „Dieser Abgang, den wir durchaus jetzt sehen könnten, der wird nicht von heute auf morgen passieren, das wird Zeit brauchen.“ Ach ja, und wenn eine Weltreservewährung von einer neuen abgelöst wird, sei übrigens immer mit großen Kriegen zu rechnen.

Von Zerstörung spricht auch Stephan Weil. Womit die Runde wieder beim aktuell auserkorenen Bösewicht wäre: „Zerstörung des Rechtsstaats, und damit auch die Zerstörung der Demokratie und der bürgerlichen Freiheiten“, das wirft er Donald Trump vor.

In die Kerbe hat zuvor schon Elmar – „Joe Biden ist geistig topfit“ – Theveßen geschlagen. Der beste aller ZDF-Washington-Korrespondenten erzählt von Universitäten, die Trump einschüchtere. Der wolle, dass nur gelehrt werde, was er selbst denkt. „Ist das Wokeness von Rechts?“, fragt Lanz in einem überraschenden Anfall von Authentizität. Das sei ja dann „das Gleiche von der anderen Seite“. Darauf geht Theveßen nicht ein. „Das Weiße Haus will mitbestimmen, wie die Leute ticken“, mault er. Heute hat er ein besonderes Händchen für gute Kamera-Spots. Er steht direkt vor der Harvard-Universität in Boston. Um ihn herum LKW-Lärm, hochdrehende Achtzylinder und Trucker-Trompeten. „Das ist Faschismus, was wir hier erleben“, ruft er noch.

Vielleicht sei es ganz gut, wenn jetzt die Kriegswirtschaft anlaufe, sagt Lanz, und sich Rüstungsfirmen anschickten, freiwerdende Kapazitäten der Automobilindustrie zu übernehmen. Lanz: „Ich freu mich ja immer, wenn wir ein bisschen Optimismus verbreiten können, nicht nur Apokalypse.“ Kriegswirtschaft sei gut, ergänzt Schularick, denn das sei ja „Hochtechnologie“ und nicht etwa „Panzer, die dann da stehen und rosten“. Und überhaupt, die Automobilindustrie werde sich wandeln. Er glaubt, dass die drei großen deutschen Autobauer VW, Mercedes und BMW am Ende des Jahrzehnts „in der jetzigen Form weg“ seien. Sie dürften „aufgekauft werden, aufgesplittet werden“, und das sei auch in Ordnung. Der schwedische Hersteller Volvo sei schließlich auch schon seit Jahren in chinesischer Hand. „Es gibt weiterhin Volvos, die bauen gute Autos.“ Lanz mag kaum glauben, was er da hört: „Das ist aber was anderes als wirklich weg“, ruft er. Offenbar weiß er nicht, wem vermeintlich deutsche Konzerne wie Rheinmetall längst gehören.

Immerhin eine gute Botschaft hat Schularick für die Zuschauer. Durch die neuen, extremen US-Zölle auf Waren aus China würden wir „deutliche Exportzuwächse nach USA bekommen“. Und mehr noch: „Für den deutschen Konsumenten heißt das erstmal günstigere Preise.“

Das frisch ausgehandelte Koalitionspapier kommt bei Eva Quadbeck gar nicht gut an. Die Chefredakteurin des Redaktionsnetzwerks Deutschland RND (gehört zur Verlagsgesellschaft Madsack und damit über das Medienbeteiligungsunternehmen Deutsche Druck- und Verlagsgesellschaft zu 23,1 Prozent der SPD) bemängelt, dass es nur Geschenke für die älteren Generationen enthalte: „Ich sehe wirklich nicht, wo da für die jüngeren Menschen etwas ist.“

Der Koalitionsvertrag erinnert sie an Daheim: „Jeder Haushalt hat ja so ’ne Kramschublade. Da ist was drin, das ist wichtig, das ist weniger wichtig. Da sind Teile, da weiß man eigentlich gar nicht so genau, wo die überhaupt hingehören sollen und eben auch welche, wo man gar nicht weiß, ob man die überhaupt braucht.“

Damit hat sie auf wundersame Weise auch diesen Fernsehabend beschrieben.

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