
Geologische Sensation: In der Gebirgskette des sinnlosen Geschwafels wurde ein neuer Gipfel entdeckt: der Piz Palaver. Egal ob es um das Thema Russland-Sanktionen geht, um die Flüchtlingswelle oder die vielen Wahlversprechen, die die CDU gebrochen hat, die Runde bei Lanz kommt über eine trostlose Zustandsbeschreibung nicht hinaus. Palaver, palaver – weitermachen. Und weil alle so schön lethargisch die Misere zelebrieren, kann sich CDU-Chef-Grübler Thorsten Frei ausnahmsweise entspannt zurücklehnen. Seine übliche päpstliche Attitüde ist an diesem Abend kaum vonnöten. Er muss wenig schönreden, weil sowieso allen klar ist: Ziemlich doof, die Situation zurzeit. Kann man aber nix machen.
Zum Beispiel die Sanktionen gegen Russland: Politologe Frank Sauer plädiert dafür, das 17. Sanktionspaket umgehend in Kraft zu setzen. Und „wenn wir Ultimaten stellen und Drohungen in die Welt setzen“, müsse man, „die Kugel im Lauf haben und den Finger am Abzug. Sodass, wenn die Uhr abgelaufen ist, wir nur noch den Abzug ziehen.“ Der Mann arbeitet übrigens an der Universität der Bundeswehr. Merkt man kaum.
„Nach 16 Sanktionspaketen muss man doch davon ausgehen, dass das die Russen nicht richtig beeindruckt“, wirft Lanz ein. Doch Thorsten Frei ist frohgemut: „Vielleicht waren das nicht die richtigen Maßnahmen. Möglicherweise hätte Russland den Krieg bisher gar nicht so führen können oder hätte ihn ganz anders geführt, erfolgreich geführt, wenn es diese Sanktionen nicht gegeben hätte.“ Bei all der Herumdeuterei hat Frei sich entweder verzählt oder ist seiner Zeit voraus. Jedenfalls spricht er sogar schon vom 18. Sanktionspaket: „An diesem 18. Paket wird ja gearbeitet.“
Journalist Frederik Pleitgen (CNN) berichtet, dass die Sanktionen in Russland kaum zu spüren seien: „Denen geht’s total gut.“ Den Krieg bezeichnet er als „ein bitteres Konjunkturprogramm“. Aber Russland sei eben mehr als nur Kriegswirtschaft. Die Russen seien überzeugt, „dass man sie niemals isolieren kann, solange China ihr Freund ist“. Pleitgen zweifelt, ob europäische Sanktionen überhaupt etwas „bewegen können, „wenn die Russen freie Fahrt haben auf dem chinesischen Markt, freie Fahrt auf dem indischen Markt und dann irgendwann auch noch Deals mit den USA machen“.
Von Wladimir Putin ist Pleitgen nach der jüngsten nächtlichen Pressekonferenz positiv überrascht. Der russische Präsident habe zuvor den Tag über nicht weniger als sechs bilaterale Treffen gehabt und sei dennoch um zwei Uhr früh topfit gewesen. „Der wirkte auf jeden Fall fitter als ich, der ich den ganzen Tag im Kreml rumgehangen bin und auf ihn gewartet habe.“
Dennoch keine Frage: Eine Stunde Lanz würde auch Putin fertigmachen.
Sauer gibt derweil den Marcel Fratzscher der Militärlogik: Die Sanktionen seien zwar „kein Machtinstrument, wie wir es uns erträumt haben“, aber dennoch oder gerade deshalb: „Man sollte sie machen und man sollte sie verschärfen.“ Zumal „wir als Europäer in einem Fenster der Verwundbarkeit existieren, weil wir uns auf Amerika nicht mehr verlassen können“. Trump und Putin seien „beides illiberale Kräfte, die die Demokratie zerstören wollen“. Zumindest verbal hat der Mann den Finger tatsächlich am Abzug.
„Wir müssen mehr tun, um ‘ne entsprechende Wirkung zu entfalten“, fabuliert Frei. Dabei hat Lanz gerade aufgezählt, dass die EU seit 2022 bereits mehr als 2000 Sanktionen gegen Russland verhängt hat und die USA sogar 6500. Egal. Weiter so! Frei auf die ihm eigene salbungsvolle Art: „Die Rahmenbedingungen sind ja ingesamt sehr schwierig.“
Beim Thema Migration stochert die Runde ähnlich ergebnislos herum. Messerattentate und deren jüngste Häufung kommen selbstverständlich überhaupt nicht zur Sprache, stattdessen geht es um die vermeintlich härtere Linie, die angeblich an den deutschen Grenzen gegen illegale Asylbewerber gefahren wird. Ergebnis nach einer Woche sei, so Lanz: „Wir weisen 32 zurück und 1500 kommen.“ Die Grenze sei also genau so löchrig wie zuvor, weil die Menschen einfach durchschlüpfen würden und ihre Asylanträge dann im Landesinneren stellten. Merz halte also nicht, was er vor der Wahl versprochen habe. Frei ist – Überraschung! – dennoch zufrieden, weil auf diese Weise „eine Botschaft“ nach außen gesendet werde: dass nämlich „Deutschland seine überproportionale Attraktivität verliert.“ Er hat einfach die Gabe, jede Misere in eine, wenn auch faktenfreie, Pseudo-Erfolgsformel umzudeuten.
Und das hätten wir vor lauter Gähnen fast verpasst.