Lauterbach unter Druck: Beitrags-Hammer gegen Pflege-Kollaps

vor 7 Monaten

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Bildquelle: NiUS

Es klingt nach Neuigkeiten aus einer Bananen-Republik: Die Pflegeversicherung steht vor der Zahlungsunfähigkeit. Schon im Februar könnte das Geld ausgehen, wenn der Beitragssatz nicht deutlich angehoben wird, so ein RND-Bericht, der sich auf Ampel-Krise stützt.

Der drittgrößten Volkswirtschaft der Welt geht das Geld aus, um Alte und Kranke zu versorgen – und das, obwohl die Zuzahlung für die stationäre Pflege im Durchschnitt bereits 2871 Euro beträgt. Das Versprechen des Sozialstaates, das gesellschaftliche Klebeband droht zu reißen, wenn die Beiträge nicht deutlich angehoben und die arbeitende Bevölkerung zusätzlich belastet wird.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) widerspricht dem Bericht. „Die Pflegeversicherung ist nicht insolvent, ihr droht auch nicht die Insolvenz“, sagte Lauterbach bei einer nach der Meldung schleunigst einberufenen Pressekonferenz in Berlin. Die Bundesregierung würde dafür bürgen, dass die Gelder flössen, wozu sie zudem gesetzlich verpflichtet sei. Lauterbach sagte aber auch: „Die Einnahmenseite ist derzeit unbefriedigend. Das hängt mit der schlechten konjunkturellen Entwicklung zusammen.“

Deshalb hat Lauterbachs Insolvenz-Entwarnung einen großen Haken: Die Zahlungsunfähigkeit kann nur verhindert werden, indem die Beiträge für viele Millionen Versicherte zum Jahreswechsel noch stärker ansteigen als bisher gedacht.

Lauterbach beim Besuch einer Tagespflegeeinrichtung in Köln

„Beitragssatzdruck“, nennt Lauterbach das und meint ganz konkret: Zu all den steigenden Preisen im Supermarkt, an der Zapfsäule oder bei der Stromrechnung, gesellen sich neben höheren Krankenkassensätzen nun auch noch höhere Pflegeversicherungssätze. Von 0,3 Prozentpunkte zusätzlich ist die Rede. Für Normalverdiener ohne Kinder sind das mehr als 100 Euro pro Jahr zusätzlich. Das könnte um die 6 Milliarden Euro zusätzlich in die Kassen spülen.

Dass Deutschland immer älter wird und demzufolge immer mehr Menschen potenziell Pflege in Anspruch nehmen würden, darf niemanden überraschen und schon gar nicht Gesundheitsminister Lauterbach – dennoch schaute Lauterbach nicht schlecht, als im Mai die Meldung publik wurde, dass 2023 rund 360.000 Menschen statt der 50.000 erwarteten pflegebedürftig wurden. In diesem Jahr sollen weitere 400.000 Menschen dazukommen, die Pflege in Anspruch nehmen.

2020 mussten 100 Arbeitnehmer noch die Pflege von etwa 31 Menschen finanzieren, 2040 werden es laut einer Berechnung der Privaten Krankenversicherungen schon 47 Pflegebedürftige sein – also rund 52 Prozent mehr.

Es ist dieselbe Entwicklung wie bei der Rente: Der demografische Wandel sorgt dafür, dass zukünftig immer weniger Arbeitnehmer für immer mehr Menschen zahlen müssen – und der wirtschaftliche Abschwung tut derweil mit sinkende Einnahmen für sämtliche Sozialkassen sein Übriges.

Tino Sorge, Experte für Gesundheitspolitik in der Union, wirft Lauterbach Tatenlosigkeit vor: „Nichts an der aktuellen Krise der Pflegeversicherung kommt überraschend. Im Gegenteil: Die Bundesregierung fährt die Pflegeversicherung seit bald drei Jahren durch Nichtstun mit Ansage gegen die Wand. Die finanzielle Situation in der Pflege ist lange bekannt. Konkrete Maßnahmen der Ampel: Fehlanzeige.“

CDU-Politiker Tino Sorge

Ein ganz akutes Loch von rund 6 Milliarden Euro hat die Coronakrise in die Pflege-Kasse gerissen. So wurden unter anderem Tests, zusätzliche Desinfektionsmaßnahmen und nicht zuletzt die Boni für Mitarbeiter aus der Pflegebranche aus der Pflegekasse finanziert, deren Mittel eigentlich für die reine Pflege bestimmt waren. Das ergab ein Rechtsgutachten im Auftrag der DAK Gesundheit. „Dass die Corona-Kosten den Pflegekassen erstattet werden sollen, steht auch so im Koalitionsvertrag. Sobald sich die Haushaltslage entspannt hat, wird das passieren“, heißt es dazu auf NIUS-Nachfrage aus dem Bundesgesundheitsministerium.

Lauterbach will noch im Herbst die Pflegereform vorlegen, die er seit knapp zwei Jahren ankündigt und deren Veröffentlichung immer weiter nach hinten geschoben wird. Der Streit um fehlende Milliarden im Haushalt werden die Verhandlungen um eine echte Pflegereform nicht leichter machen, die mehr als 10 Milliarden Euro, die beim Bürgergeld fehlen, sicher auch nicht.

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