
Der dritte Anschlag im „öffentlichen Raum“ innerhalb kurzer Zeit – islamistischer Anschlag in Solingen, tödlicher islamistischer Messerangriff auf einen Polizisten in Mannheim und jetzt Magdeburg. Das Wort „öffentlicher Raum“ definiert der Duden als „alle öffentlich nutzbaren und für jedermann zugänglichen Orte, darunter Straßen und öffentliche Freiflächen“. Es ist dort, wo wir uns bewegen, wo wir stehen, wo wir miteinander reden, lachen, Kinder an der Hand nehmen, uns manchmal küssen. Es ist draußen, es ist überall dort, wo wir nicht zu Hause sind. Es ist auf dem Weihnachtsmarkt.
Wer in neunziger Jahren und kurz nach der Jahrtausendwende auf einen Weihnachtsmarkt ging, der dachte an Glühwein, eine Bratwurst, an Holzschnitzereien. Heute stellt man sich Fragen, die früher kein Mensch verstanden hätte. Ist es die Tasse Glühwein wirklich wert, sich in Gefahr zu begeben? Würstchen können wir auch zu Hause essen, oder? Meine erwachsenen Söhne wollten gestern auf einen kleinen Weihnachtsmarkt an der hessischen Bergstraße. Ich hatte keine Lust. Als sie sich anzogen, erwachte ein Vaterinstinkt in mir. Der hieß: Ich lasse meine Kinder nicht allein auf den Weihnachtsmarkt.
Ist dieser Fremde gefährlich für mich?
Wir schlängelten uns zwischen Familien, tobenden Kindern, älteren Damen durch den Weihnachtsmarkt mit den bunten Buden. Alles war wie immer – nichts war wie immer. Ich war nicht der Einzige, der hin- und her guckte. Ist da irgendwas Auffälliges, ist da irgendjemand, der „arabisch“ aussieht? Und so guckten viele andere auch. In einer hessischen Kleinstadt kennt jeder jeden. Und sieht, wenn ein Fremder dazwischen ist. Und er wägt ab: Ist dieser Fremde eventuell gefährlich für mich?
Fahrzeugsperren gehören mittlerweile zu jedem Weihnachtsmarkt.
Von der einstigen Unbeschwertheit des Landes ist gerade kaum etwas übrig. Ein schwelendes, kaum zu beschreibendes Misstrauen hat sich ausgebreitet. Ist der Bartträger auf der Straße harmlos? Der auf der anderen Straßenseite – was ist das für ein Mensch? Und hinter der nächsten Ecke, was kommt da auf mich zu? Ja, es klingt, als würde man als Angsthase durch die Welt gehen. Aber gerade sind wir vorsichtig, ziemlich vorsichtig. Das Vertrauen, das uns zu einer starken Gemeinschaft geformt hat, ist brüchig geworden. Ich habe auf dem Weihnachtsmarkt mit einigen Menschen gesprochen. Alle sagten: Ja, wir gucken jetzt, ob Polizisten in der Nähe sind. Man weiß nie, ob noch was passiert.
Wir verlieren Stück für Stück unsere Freiheit
Der öffentliche Raum lässt sich nicht vollständig schützen, das wissen die Menschen. Egal, wie viele Betonquader man aufstellt – irgendwo wird es immer ein Loch geben. Irgendwo wird genau an dieser Stelle kein Polizeiwagen stehen. Das bedeutet im Umkehrschluss: Es müssen noch mehr Quader aufgestellt werden, noch mehr Polizisten müssen einen Weihnachtsmarkt sichern. Und weil es so ist, verlieren die Menschen Stück um Stück mehr Freiheit: die Freiheit, sich in einem freien Land frei zu bewegen.
Es ist noch schlimmer – wir haben diese Freiheit schon verloren.